[61] Die Prinzessin, in einem idealischen Geschmack, schön, aber einfach gekleidet, spielt die Laute und singt. Darauf der Page der Königin.
PRINZESSIN springt schnell auf.
Er kommt!
PAGE eilfertig.
Sind Sie allein? Mich wundert sehr,
Ihn noch nicht hier zu finden; doch er muß
Im Augenblick erscheinen.
PRINZESSIN.
Muß er? Nun,
So will er auch – so ist es ja entschieden –
PAGE.
Er folgt mir auf den Fersen. – Gnädge Fürstin,
Sie sind geliebt – geliebt, geliebt wie Sie[61]
Kanns niemand sein und niemand sein gewesen.
Welch eine Szene sah ich an!
PRINZESSIN zieht ihn voll Ungeduld an sich.
Geschwinde!
Du sprachst mit ihm? Heraus damit! Was sprach er?
Wie nahm er sich? Was waren seine Worte?
Er schien verlegen, schien bestürzt? Erriet
Er die Person, die ihm den Schlüssel schickte?
Geschwinde – Oder riet er nicht? Er riet
Wohl gar nicht? riet auf eine falsche? – Nun?
Antwortest du mir denn kein Wort? O pfui,
Pfui, schäme dich: so hölzern bist du nie,
So unerträglich langsam nie gewesen.
PAGE.
Kann ich zu Worte kommen, Gnädigste?
Ich übergab ihm Schlüssel und Billet
Im Vorsaal bei der Königin. Er stutzte
Und sah mich an, da mir das Wort entwischte,
Ein Frauenzimmer sende mich.
PRINZESSIN.
Er stutzte?
Sehr gut! sehr brav! Nur fort, erzähle weiter.
PAGE.
Ich wollte mehr noch sagen, da erblaßt' er
Und riß den Brief mir aus der Hand und sah
Mich drohend an und sagt', er wisse alles.
Den Brief durchlas er mit Bestürzung, fing
Auf einmal an zu zittern.
PRINZESSIN.
Wisse alles?
Er wisse alles? Sagt' er das?
PAGE.
Und fragte
Mich dreimal, viermal, ob Sie selber, wirklich
Sie selber mir den Brief gegeben?
PRINZESSIN.
Ob
Ich selbst? Und also nannt er meinen Namen?
PAGE.
Den Namen – nein, den nannt er nicht. – Es möchten
Kundschafter, sagt' er, in der Gegend horchen
Und es dem König plaudern.
PRINZESSIN befremdet.
Sagt' er das?[62]
PAGE.
Dem König, sagt' er, liege ganz erstaunlich,
Gar mächtig viel daran, besonders viel,
Von diesem Briefe Kundschaft zu erhalten.
PRINZESSIN.
Dem König? Hast du recht gehört? Dem König?
War das der Ausdruck, den er brauchte?
PAGE.
Ja!
Er nannt es ein gefährliches Geheimnis,
Und warnte mich, mit Worten und mit Winken
Gar sehr auf meiner Hut zu sein, daß ja
Der König keinen Argwohn schöpfe.
PRINZESSIN nach einigem Nachsinnen, voll Verwunderung.
Alles
Trifft zu. – Es kann nicht anders sein – er muß
Um die Geschichte wissen. – Unbegreiflich!
Wer mag ihm wohl verraten haben? – Wer?
Ich frage noch – Wer sieht so scharf, so tief,
Wer anders als der Falkenblick der Liebe?
Doch weiter, fahre weiter fort: er las
Das Billett –
PAGE.
Das Billett enthalte
Ein Glück, sagt' er, vor dem er zittern müsse;
Das hab er nie zu träumen sich getraut.
Zum Unglück trat der Herzog in den Saal,
Dies zwang uns –
PRINZESSIN ärgerlich.
Aber was in aller Welt
Hat jetzt der Herzog dort zu tun? Wo aber,
Wo bleibt er denn? Was zögert er? Warum
Erscheint er nicht? – Siehst du, wie falsch man dich
Berichtet hat! Wie glücklich wär er schon
In so viel Zeit gewesen, als du brauchtest,
Mir zu erzählen, daß ers werden wollte!
PAGE.
Der Herzog, fürcht ich –
PRINZESSIN.
Wiederum der Herzog?
Was will der hier? Was hat da tapfre Mann
Mit meiner stillen Seligkeit zu schaffen?
Den könnt er stehenlassen, weiterschicken.[63]
Wen auf der Welt kann man das nicht? – O wahrlich!
Dein Prinz versteht sich auf die Liebe selbst
So schlecht als, wie es schien, auf Damenherzen.
Er weiß nicht, was Minuten sind – Still, still!
Ich höre kommen. Fort. Es ist der Prinz.
Page eilt hinaus.
Hinweg, hinweg! – Wo hab ich meine Laute?
Er soll mich überraschen. – Mein Gesang
Soll ihm das Zeichen geben –
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