Letzter Auftritt

[684] Die Vorigen. Burleigh, zuletzt Kent.


BURLEIGH beugt ein Knie vor der Königin.

Lang lebe meine königliche Frau,

Und mögen alle Feinde dieser Insel

Wie diese Stuart enden!


Shrewsbury verhüllt sein Gesicht, Davison ringt verzweiflungsvoll die Hände.


ELISABETH.

Redet, Lord!

Habt Ihr den tödlichen Befehl von mir

Empfangen?

BURLEIGH.

Nein, Gebieterin! Ich empfing ihn

Von Davison.

ELISABETH.

Hat Davison ihn Euch

In meinem Namen übergeben?[684]

BURLEIGH.

Nein!

Das hat er nicht –

ELISABETH.

Und Ihr vollstrecktet ihn,

Rasch, ohne meinen Willen erst zu wissen?

Das Urteil war gerecht, die Welt kann uns

Nicht tadeln, aber Euch gebührte nicht,

Der Milde unsres Herzens vorzugreifen –

Drum seid verbannt von unserm Angesicht!


Zu Davison.


Ein strengeres Gericht erwartet Euch,

Der seine Vollmacht frevelnd überschritten,

Ein heiliganvertrautes Pfand veruntreut.

Man führ ihn nach dem Tower, es ist mein Wille,

Daß man auf Leib und Leben ihn verklage.

– Mein edler Talbot! Euch allein hab ich

Gerecht erfunden unter meinen Räten,

Ihr sollt fortan mein Führer sein, mein Freund –

SHREWSBURY.

Verbanne deine treusten Freunde nicht,

Wirf sie nicht ins Gefängnis, die für dich

Gehandelt haben, die jetzt für dich schweigen.

– Mir aber, große Königin, erlaube,

Daß ich das Siegel, das du mir zwölf Jahre

Vertraut, zurück in deine Hände gebe.

ELISABETH betroffen.

Nein, Shrewsbury! Ihr werdet mich jetzt nicht

Verlassen, jetzt –

SHREWSBURY.

Verzeih, ich bin zu alt,

Und diese grade Hand, sie ist zu starr,

Um deine neuen Taten zu versiegeln.

ELISABETH.

Verlassen wollte mich der Mann, der mir

Das Leben rettete?

SHREWSBURY.

Ich habe wenig

Getan – Ich habe deinen edlern Teil

Nicht retten können. Lebe, herrsche glücklich!

Die Gegnerin ist tot. Du hast von nun an

Nichts mehr zu fürchten, brauchst nichts mehr zu achten.


Geht ab.[685]


ELISABETH zum Grafen Kent, der hereintritt.

Graf Leicester komme her!

KENT.

Der Lord läßt sich

Entschuldigen, er ist zu Schiff nach Frankreich.


Sie bezwingt sich und steht mit ruhiger Fassung da.

Der Vorhang fällt.


Quelle:
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke, Band 2, München 31962, S. 684-686.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Maria Stuart
Maria Stuart (Poches Allemand)
Maria Stuart: Empfohlen für das 9./10. Schuljahr. Schülerheft
Maria Stuart: Handreichungen für den Unterricht. Unterrichtsvorschläge und Kopiervorlagen
Maria Stuart: Trauerspiel in fünf Aufzügen (Suhrkamp BasisBibliothek)
Maria Stuart von Friedrich von Schiller. Textanalyse und Interpretation: Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Abituraufgaben mit Lösungen

Buchempfehlung

Mickiewicz, Adam

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz oder Die letzte Fehde in Litauen

Pan Tadeusz erzählt die Geschichte des Dorfes Soplicowo im 1811 zwischen Russland, Preußen und Österreich geteilten Polen. Im Streit um ein Schloß verfeinden sich zwei Adelsgeschlechter und Pan Tadeusz verliebt sich in Zosia. Das Nationalepos von Pan Tadeusz ist Pflichtlektüre in Polens Schulen und gilt nach der Bibel noch heute als meistgelesenes Buch.

266 Seiten, 14.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon