Sprüche aus dem Indischen[343] 1

1807


1.

Keiner schreite der Menge vor; denn gleich ist des Gelingens Frucht,

Wenn der Tat aber Unglück folgt, büßt es gewiß des Führers Tod.


2.

Als erkrankt' oder stürb' er nie, sei auf Kenntnis bedacht, wer klug.

Als hielt ihn schon an den Locken der Tod, wandl' er den Pfad des Rechts.


3.

Einen Freund nur gibt es, Tugend, der im Tode noch zu uns tritt;

Das andre alles enteilet, mit dem Leibe zugleich zum Nichts.


4.

Katzen, wie auch der Stier, Widder, Krähen, ein schlechter Mensch sodann;

Die sind fern von allem Zutraun, hier wird Vertrauen nicht gelobt.


5.

Fleisch und Jauche, Unrat, Knochen, die bilden uns den Menschenleib;

O was hältst du an dem Nicht'gen? Nach Ruhm tracht' also du, mein Freund!

Wenn man durch Ird'sches das Ewige, durch das Unreine das, was rein,

Ruhm für den Leib erreichen mag, was ist dann unerreichbar noch?


6.

Das Metall eint der Masse Kraft, Tier' und Vögel der gleiche Trieb;

Furcht und Gier macht des Narrenvolks, und Sich sehen der Guten Bund.[344]


7.

Im Unglück mutig, gelassen im Glück zu sein,

Sinnvoll im Rate redend, und tapfer im Kampf;

In Ruhm strahlen, und dennoch durchforschen die Schrift,

Ist großer Seelen Tugend und edle Natur.


8.

Wer sich der Macht falscher Gehülfen hingab,

Betrogen durch schmeichelnder Worte Zauber;

Wer auf die Welt Glauben und Hoffnung setzet,

Was wird nach Wunsch denen begegnen können?


9.

Wer am hülfevertrauenden Freund, der gut gesinnt,

Trug verüben kann und Arglist,

Den betrüglichen Mann, wie kannst, göttliche du,

Erde! ihn länger tragen noch?


10.

Nicht den Heißen erfreut, sich in kühlender Flut baden, Perlenketten nicht,

Schönduftendes Sandelholz auch nicht also, zu erlaben den Körper;

Als voll Liebe die Rede des Gutdenkenden Lust innen uns schafft im Geist.

Es zieht Freundes Umgebung und weises Gespräch uns an, wie mit Zauberkraft.


Fußnoten

1 Diese Übersetzungen sind auch im Sylbenmaße dem Samskrit so treu als möglich nachgebildet.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Dichtungen, München u.a. 1962, S. 343-345.
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