Erste Szene.


[49] Ein Zimmer der Infantin.

Solisa, Don Alvaro in Jagdkleidern, Laura; im Hintergrunde noch einige Herren von der Begleitung. Jagdmusik.


SOLISA.

So recht! – Laßt die Trompeten mutig schmettern,

So darf der innre Unmut sich nicht zeigen. –

O weh! Wie nun der lauten Hörner Schallen

Mich tief verwundet. Laßt sie endlich schweigen!

ALVARO.

Wenn sich der Sonne Glanz in Wolken hüllet,

Wie sollten Sterbliche sich freuen dürfen? –

Entfernt euch, Freunde! Die erhabne Fürstin

Wird nach der wilden Jagdlust Ruh' bedürfen.


Die Begleitung entfernt sich.


SOLISA.

Nicht Ruhe, nein! doch Stille laßt mich haben,

Und tiefes Schweigen ahnend mich umgeben.

Es mag der König wissen, wie ich traure;

Drum soll kein Freudenlaut sich hier erheben.

LAURA.

Zu kriegerisch erklangen diese Töne. –

Vermöcht' es meine treue Lieb' und Demut,

Dich zu erfreun, so wagt' ich dir zu singen

Ein altes Lied voll zarter Lieb' und Wehmut.[49]

SOLISA.

So gib die Laute mir, dich zu begleiten.

LAURA.

Hier nimm sie hin, o Herrin! – Es verschöne

Mit leichtem Zauberschlag der Rosenfinger

Die Alabasterhand des Liedes Töne.


Sie singt.


Traurig stunde da der Ritter,

Traurig und von Freuden ferne,

Und gedacht' in seinem Sinne

Das, was innig er begehrte.

Tränen flossen aus den Augen,

Und die Lippe kam zu reden:

»O wo bist du, all mein Leben?

O wo bist du, meine Herrin? –

Ja, ich liebte eine Dame,

Liebte sie um hoher Ehre;

Doch mein bitter Unglück wollte,

Daß ich sie nun muß entbehren.

Auf die Berge will ich steigen,

Daß mich niemand wieder sehe;

Auf dem höchsten der Gebirge

Will ich führen nun mein Leben.«

SOLISA.

So treue Liebe wird nicht mehr gefunden,

Daß einer solches Leid um Liebe trüge.

Der heiße Ernst ist aus der Welt verschwunden,

Die schöne Dichtung ward zur eitlen Lüge,

Weil keiner mehr der Liebe Kraft empfunden.

Zerbrochen liege dann zu meinen Füßen,

Du täuschende Sirene, helle Laute,

Du, der ich alle Wünsche anvertraute!


Sie zerbricht die Laute.


Du schuldlos Werkzeug mußt es mir nun büßen,

Daß ich dem Silberklange hoffend traute.

O könnt' ich so wie diese schwachen Saiten,

Zerreißen ganz die schon zerriß'ne Seele;

So dürft' ich nicht mehr mit den Schmerzen streiten.[50]

LAURA.

Daß nur dein Herz sie länger nicht verhehle,

So mag wohl treuer Rat noch Trost bereiten.

SOLISA.

Nein, keinen Trost ist's möglich zu erdenken,

Als ihm, auf den sich alle Herzen lenken,

Nach dem die stillen Wünsche alle fragen,

Dem ewig Einz'gen ewig zu entsagen,

Das Herz voll Gram in kalte Nacht zu senken.

Schon freut mich meiner alten Freuden keine;

Die Jagdlust selbst kann keine Lust gewähren.

Ich kann mich oft der Tränen nicht erwehren,

So daß ich selbst das arme Reh mir scheine,

Mir zürnend dann, daß ich so bitter weine.

ALVARO.

Mit Staunen, Fürstin, sah ich so dich heute

Im kühnsten Lauf des Sieges angehalten,

Die Flammen deines Mutes schnell erkalten,

Als ob der Sieg zu klein dir, dich gereute,

Unwert das Ziel der Blicke, dem sie galten.

LAURA.

Kannst du des Herzens Wünsche nicht bezwingen,

Mußt du der Einbildung ihr Spiel vergönnen,

Die Zeichen wieder vor die Augen bringen.

Den Bildern der Erinn'rung mag's gelingen,

Daß sie dir neue Hoffnung noch gewönnen.

SOLISA.

So laß die alte Torheit mich erneuen,

Mit Angedenken spielen um mein Leiden,

An Ringen, Locken töricht mich erfreuen,

An des Geliebten Bild die Blicke weiden,[51]

Und hingegeben kein Erröten scheuen.


Laura bringt ihr ein Kästchen.


Nun komm, Alarcos, sieh die stolze Fürstin,

An diesem Schauspiel mag dein Herz sich laben.

Sie kann die Liebe länger ja nicht bergen;

Vor ihren Leuten spielt sie die Verlaßne,

Die sich mit Sehnsucht an dem Bildnis weidet

Des Mannes, dessen Herz für sie einst flammte.


Sie nimmt das Bildnis heraus und betrachtet es.


Wie schnell ist aller Zorn und Stolz verschwunden,

Wenn ich der Züge Hoheit hier betrachte!

Alarcos, ich bekenne meine Liebe. –

Was ist das Höchste neben solchem Manne? –

O fraget, wer an Kühnheit, edlen Sitten,

An Schönheit aller Fürsten Heldenblume;

Der schon in starker Jugend sich erstritten,

Sein Haupt umstrahlt zu sehn von solchem Ruhme,

Daß keiner wohl ihm noch den Preis bestritten,

Er sei der erste Mann im Rittertume?

Es werden alle Einen anerkennen,

Einstimmig nur Alarcos Namen nennen.

Ich seh ihn noch vom Rosse siegreich blicken,

Den kühnen Federbusch vom Haupt ihm wehen,

Das schwarze Feuer in den hohen Blicken; –

Oh, wer in diesem Spiegel sich gesehen,

Den lockt es ewig nur, auf ihn zu blicken,

Der muß in tiefer Liebesglut vergehen,

Kann nicht verhüllen seine wilden Schmerzen;

Sie strömen allzu heiß vom vollen Herzen.

Nur die ist Königin, die seine Liebe

Anbetend sich zur Herrin auserwählte;

Denn königlich hat die Natur mit Liebe

Ihn ausgeschmückt, dem keine Tugend fehlte,

Wenn er sich selber kennend durch die Liebe,

Dem königlichen Glücke sich vermählte,[52]

Als König siegend selbst dem Sieg geböte,

Und meinen Stolz durch seinen noch erhöhte.


Sie gibt das Bildnis an Laura, welche sich damit entfernt.


Nun sprich, Alvaro, ob es wohl zu dulden,

Daß dieser Herrliche sich so verkannte,

Mit einem Kinde töricht sich vermählte,

Um eine Königstochter zu verlassen?

Und wär's nicht recht, die Ehe zu vernichten,

Den Grafen zu befreien von den Banden,

Die ihn von aller Glorie nur entfernen,

Um in Gewöhnlichkeit ihn festzuhalten?

ALVARO.

Wie magst du jene Torheit Ehe nennen,

Die niemals solche Gültigkeit kann haben,

Da er ja dir zuvor sich selbst versprochen! –

Sie ist als nicht geschehen zu betrachten.

Und hätt' er auch dies Wort dir nicht gegeben,

Dein Wille löste wohl noch fest're Bande!

Wie glücklich muß der Glückliche sich schätzen,

Dem hohe Gunst aus solchen Sonnen strahlet!

Laß mich die Sache meines Freundes führen,

Zu seinem Besten es freimütig wagen,

Nicht länger mehr verschweigend, was ich denke,

Dich selber bei dir selber anzuklagen.

O Fürstin, dieses Zaudern, dieses Zögern; –

Es wird zerstören meine schönsten Plane.

Ich habe alles sorgsam vorbereitet,

Gesprochen mit dem König, deinem Vater.

O sag', was hält dich ab, ihm zu vertrauen,

Ihm alles, was geschehen, frei zu sagen?

SOLISA.

Sein wild erschrecklich eisenhart Gemüte.

Wie darf ich meine Wünsch' ihm offenbaren?[53]

ALVARO.

Wenn diese diesmal nun zu seinen stimmten,

So daß er ungeduldig dich erwartet?

Mir hat er deutlich zu verstehn gegeben,

Du sollst dein Recht nur förmlich geltend machen,

Wie dir Alarcos einst die Eh' gelobet,

Ihm nur bezeugen, dann ihn handeln lassen.

Doch fürcht' ich, wenn du allzu lange zögerst,

Wird, was er jetzt beschlossen, wieder wankend.

SOLISA.

Wie soll es enden, bleibt die Gräfin leben?

ALVARO.

Das darf uns wohl die kleinste Sorge machen.

Ja freilich wird man sie entfernen müssen.

Den König kann dies nicht zurücke halten;

Er liebte wahrlich niemals dies Geschlechte.

SOLISA.

So ist es wahr denn, was die Menschen sagen,

Es sei der Gräfin Bruder, Don Garcia,

Mit Eurem Wissen durch den Dolch gefallen?

ALVARO.

Er paßte gar nicht in die Welt des Hofes,

Und wollte hier mit strenger Tugend prahlen,

Bis es dem König wohl mißfallen mußte.

SOLISA.

Doch fürcht' ich, wir gewinnen nicht den Grafen.

ALVARO.

Du zweifelst an der Allmacht aller Reize,

Die je geblend'te Augen trunken machten?[54]

Die hoher Geist und kühner Mut erhöhen,

Der Fürstenhoheit Sonnenglanz umstrahlet?

So zweifle, daß die lichten Sterne glänzen,

Und zweifle an des Himmels blauer Klarheit! –

Ein Wort des Königs öffnet ihm die Augen,

Und jene Täuschung muß von selber fallen,

Die seinen Geist auf kurze Zeit betörte.

Er wird mir bald mit heißer Liebe danken,

Und mich den treusten seiner Freunde nennen,

Weil ich sein wahres Heil allein erkannte.

SOLISA.

So gehe, mich dem König anzumelden;

Ich will mich deiner Führung überlassen.


Alvaro geht ab.


Daß sich sein Herz erweichte,

Daß liebend wieder ihn mein Arm erreichte,

Ihn ewig zu umschlingen,

In Flammen aufgelöst ihn zu durchdringen!

O laß es mir gelingen,

Die sel'gen Zeiten uns zurückzubringen,

Sie schöner zu erneuern,

Dich wieder zu Triumphen zu befeuern! –

Ich kann es hoch beteuern bei der Treue,

Die ich mit bittrer Reue oft beweinet;

Ich will mit dir vereinet alles dulden,

Und jedes Frevels Schulden auf mich laden.

In grausem Blute will ich kühn mich baden,

Wirst du, Geliebter, mir zurückgegeben.

Ich will vor keiner argen Tat mehr beben,

Um dich zu haben, gern die Seele geben.


Quelle:
Friedrich von Schlegel: Ausgewählte Werke. Berlin 1922, S. 49-55.
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