3.

[259] Ein Rätzelreim ist ein Reimgedichtlein / darin eine dunkele Frage zuerrahten oder zuersinnen wird vorgestellet / und kan nach belieben auf allerhand art gesetzet und angebracht werden.

Ein Wortgrifflein ist auch zwar an sich ein Rätzelreim / gehet aber und deutet nur dahin / daß aus einem Worte / wan selbiges entweder wird rükweis gelesen /oder vorn / oder zumitten / oder zu ende verkürtzt /oder vermehrt / oder verschrenkt / gantz unterschiedliche Andeutungen und Meinungen entstehen und sich finden laßen können / welches aber doch mit anderen ümschreibenden Wörteren angezeiget und bedeutet wird. Also daß der Unterscheid eines Rätzel Reimes und Wörtgriffleins eigentlich darin bestehet / daß des Rätzelreimes dunkele Andeutung auf einen Sinn und volle Meinung; des Wortgriffleins Andeutung aber /auf ein Wort oder eine oder mehr Silben oder Letteren gerichtet sey: Folget zur anzeige


Rätzel Reim.


Nur Eisen / Stahl und Rost / muß ich zur Speis' aufessen /

Und dennoch werd' ich selbst von diesen aufgefressen:[259]

Den Trank / so mir geschenkt / den sauf' ich tropfenweis /

Und was ich andre lehr' ich selber gar nicht weis.


(Wetzstein.)


Item


Wan jemand meint / ich sey entfernt und weit entwichen /

So bin ich bald bey jhm / komm' unverhoft geschlichen:

Ich bin stets ungewiß und kennet mich niemand /

Und bin doch stets gewiß und überall bekant.


(Tod)


Item:


Mein Antlitz gläntzet gantz / mein Rach' auch offen stehet /

Gantz Eisren ist die Zung / die donnert / wann sie gehet /

Freywillig thu ich nichts / man muß mich schlagen wol

Wan ich dir sonst mein Ambt und Dienst verrichten soll.


(Klokke)


Item:


Ich bin steif / rund und lang / dem Frauenvolke wehrt /

Ein jede Kammermagd des Morgens mein begehrt.


(Stechnadel)


Wortgrifflein.

Fedren ohne f reden


Man bringt kein Wort von mir / ich werde den verwunt / 2.

Wan ich mein Haubt verlier / 3. so red ich zu der stund.


2. Gespalten oder geritzt muß die Feder sein

3. Nemlich die erste Letter. F.


Weinen ein W.


Von weinen neñt man mich der ich in frewdē steh /

Wer mein zuviel gebraucht dem werd' ich oft ein W.
[260]

Bonen-Loben.


Wan du die Bonnen-tracht wilst machen angenehm /

Das mittel vor dem Saltz 2. an stat des N bequem.


2. Das mittel oder die mittelste Letter von dem Wörtlein Saltz ist ein L / welches an statt des N / Loben aus Bonnen machet: Mehrers ist in den Gesprächspielen zufinden.

Quelle:
Justus Georg Schottel: Teutsche Vers- oder Reimkunst. Lüneburg 1656, S. 259-261.
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