An General von Bouwinghausen

[116] Bouwinghausen, laß mich mit dir wallen,

Freudeweinend zu dem Dankaltar;

Auf mein Antlitz laß mich mit dir fallen,

Heut' am Fest, das dich gebar.[116]


Nichts zu deinem Lobe will ich sagen,

Weil dein Blick voll Demuth mir's verbeut;

Assaphs Harfe, die wir Christen schlagen,

Wird durch Menschenlob entweiht.


Aber danken, laß uns freudig danken,

Daß der Freudentropfe niederstürzt,

Noch hat Gott in deines Lebens Schranken

Dir die Laufbahn nicht verkürzt.


Danken wollen wir der Vatergüte,

Die dich aus dem Mutterleibe riß;

Und dich selbst in Mahomets Gebiete

Einst auf Jesum taufen ließ.


Hat dich Gott in deinen Blütentagen,

Bouwinghausen, nicht mit hoher Hand

Väterlich geleitet und getragen

In dein Biedervaterland?


Hoch herunter stürztest du als Knabe

Von der Zinne: doch ein Engel kam,

Der dich schützte vor dem nahen Grabe,

Und in seine Flügel nahm.


Hat die Vorsicht nicht am Gängelbande

Mehr als deine Mutter dich geführt?

Dich erzogen deinem Vaterlande?

Und mit Mannkraft dich geziert?


Zeigte dir der Retter aus Gefahren

Nicht auf deines Lebens Ehrenbahn,

Daß man auch im Kleide des Husaren

Christus' Liebe fühlen kann?


Wer hat dich in seinen Schutz genommen?

Als du einst den Säbel muthig schwangst,

Durch die Elbe zweimal hingeschwommen,

Und mit Friedrichs Helden rangst.[117]


That's nicht Gott, dem Feind an dir zu weisen,

Daß der Christ, voll wahrer Tapferkeit,

Nicht den furchtbarn Säbelblitz der Preußen,

Nicht den Donner Friedrichs scheut?


Ohne, wie ein Neger, dich zu bücken,

Warst du doch des Fürsten treuster Mann;

Nicht durch Sklavenbeugsamkeit im Rücken,

Durch dein Herz ihm unterthan.


Sprich: wer half das Leben dir ertragen?

Wer erleichtert dir den Schmerz der Gicht?

Wenn sie oft, wie Vipernzähne nagen,

Dich in deine Sohlen sticht?


Steht nicht mitten im Gefühl der Schmerzen,

Ach, der Blutende auf Golgatha,

Steht er nicht vor deinem bangen Herzen

Mit der Duldermiene da?


Christus' Beispiel giebt dir dann die Regel:

Leiden ist des Christen erste Pflicht!

O, dann achtest du den Stich der Nägel

Und der Dornenkrone nicht.


Bouwinghausen, schreite immer weiter:

Hinterm Leiden schimmert Herrlichkeit!

Ist nur Christus' Gnade dein Begleiter,

O, so überwindst du weit.


Ha, wie wirst du einst vor Wonne beben!

Wenn du dort den Preisgesang erneu'rst;

Den Geburtstag in dein zweites Leben

Dicht am Throne Gottes fei'rst.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 116-118.
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