Schulmeistertrost

[457] Ich habe viele Sorgen,

Mein Leben wird vom Morgen

Bis in die späte Nacht

Mit Lehren zugebracht.[457]


Viel Mägdlein und viel Knaben

Auf seiner Seele haben,

Ist wahrlich eine Pflicht

Von drückendem Gewicht.


Doch thu' ich es mit Freuden;

Denn Christi Schäflein weiden

Auf kleebesäter Trift

Macht selig nach der Schrift.


Die großen starken Geister

Beschämt oft ein Schulmeister,

Der in dem Hirtenamt

Von reinem Eifer flammt.


Der Kinder Herz regieren

Und sie zur Tugend führen

Durch treuen Unterricht,

Welch eine süße Pflicht!


Das Lesen, Rechnen, Schreiben

Mit künft'gen Bürgern treiben,

Und sie mit Bildners Hand

Bereiten für das Land;


Und wenn mit stillem Schmähen

Die Menschen auf uns sehen,

Und für verdienten Lohn

Oft geben Spott und Hohn;


Dies leiden ohne Kränken

Und still im Herzen denken:

Ich dulde gern die Schmach

Dem größten Lehrer nach –


Dies ist Schulmeisterswürde;

Drum trag' ich meine Bürde

Und meinen Hirtenstab

Geduldig bis ins Grab.[458]


Wenn ich die Orgel spiele

Voll göttlicher Gefühle,

Und die Gemeinde singt,

Daß mir's im Herzen klingt;


Wenn Gottes Huld mir lächelt

Und Himmelsluft mich fächelt,

Rinnt von der Stirne heiß

Herunter mir der Schweiß:


So fühl' ich süßen Frieden;

Und will ich auch ermüden,

So denk' ich an den Lohn,

Uns beigelegt am Thron.


Sing' ich mit meinen Knaben:

»Laßt uns den Leib begraben!«

Vor eines Christen Grab,

So blick' ich stumm hinab;


Und seufz': Hier will ich schlafen

Einst unter meinen Schafen,

Und ach, nach kurzer Ruh',

Erlöser, weckst uns du!

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 457-459.
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