8. Auftritt.

[58] Vorige. Neumeister. Marianne.


NEUMEISTER. Nun Schwiegerpapa, du bist auch hier? Das ist hübsch. Begrüßt Gollwitz. Aber du machst ja ein so unglückliches Gesicht? Fehlt dir etwas? Fühlt Gollwitz den Puls.

FRIEDERIKE hat Marianne beiseite genommen, leise zu ihr, indem sie ihr die Mappe und den Fünfhundertmarkschein übergibt. Mache keine Redensarten, hier sind fünfhundert Mark, damit kannst du diese Sündenrechnungen deines Mannes bezahlen, Auf die Mappe zeigend. und dann ist alles erledigt.

MARIANNE. Ach, Mama, wie gut du bist. Will Friederike umarmen.

FRIEDERIKE wehrt Marianne ab. Pst! Laut zu Gollwitz. Martin, bist du heute abend zu Hause?

GOLLWITZ unschuldig. Aber, liebe Friederike, wo sollte ich denn –

FRIEDERIKE Gollwitz unterbrechend. Na, du gehst jetzt so viel fort, ohne mir zu sagen wohin – – Spricht leise weiter.

MARIANNE hat unterdessen Neumeister herangewinkt und ihm Geld und Mappe übergeben. Siehst du, wie gut es war, daß du mir alles gebeichtet hast. – Hier hast du fünfhundert Mark, damit bezahlst du diese abscheulichen Rechnungen, und dann ist alles erledigt.

NEUMEISTER will Marianne umarmen. Du bist ein Engel![59]

MARIANNE Neumeister abwehrend. Pst!

FRIEDERIKE. Komm, Marianne, ich habe mit dir zu sprechen. Ab mit Marianne nach links.

NEUMEISTER betrachtet die Banknote. Den Seinen gibt's der Herr im Schlaf. Steckt das Geld ein, lustig. Wenn sich das so gut rentiert, werde ich meiner Frau öfter eine Geschichte aus meinem Vorleben erzählen.

GOLLWITZ ist sorgenvoll auf- und abgegangen. Ob ich vielleicht meinen Schwiegersohn anpumpe? – Der Mensch hat zwar auch nie Geld. – Na, ich versuch's. Mit gezwungener Lustigkeit Neumeister seine Zigarrentasche offerierend. Willst du eine Zigarre, lieber Junge?

NEUMEISTER. Natürlich, gib nur her, heute bin ich schon einmal in der Nehmerlaune. Nimmt die Zigarre, schneidet sie ab und steckt sie in den Mund.

GOLLWITZ. Warte, ich gebe dir auch gleich Feuer, mein lieber Leopold. Recht freundlich. Dabei fällt mir übrigens ein, ich wollte dich um eine Gefälligkeit bitten.

NEUMEISTER. Was denn?

GOLLWITZ. Kannst du mir nicht auf ein paar Monate mit Geld aushelfen?

NEUMEISTER. Aber mit Vergnügen.

GOLLWITZ erfreut. Wahrhaftig?[60]

NEUMEISTER nach der Brieftasche greifend. Wie viel soll es denn sein?

GOLLWITZ. So viel wirst du gar nicht haben.

NEUMEISTER. Nun, geniere dich nicht.

GOLLWITZ zaghaft. Fünfhundert Mark! – –

NEUMEISTER prahlerisch. Fünfhundert Mark? Das ist ja eine Kleinigkeit. Da hast du sie. Gibt das Geld.

GOLLWITZ umarmt Neumeister. Leopold, du bist ein edler Mensch.

NEUMEISTER. Der Fünfhundertmarkschein ist zwar ein bißchen zerrissen, aber das schadet wohl nichts?

GOLLWITZ sehr erstaunt. Zerrissen? Sieht sich den Schein genau an; – beiseite. Und der Tintenfleck? Das ist ja mein eigener Fünfhundertmarkschein. Den hat er meiner Frau abgeschwindelt. Na warte, das Geld kriegt er nie wieder. Steckt es in die Brieftasche.


Quelle:
Franz und Paul von Schönthan: Der Raub der Sabinerinnen. Berlin 10[o.J.], S. 58-61.
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