[109] 2.
Von Adelh. v. Stolterfoth.
Nach Regensburg am Donaustrand
Kam einst ein Riese hingerannt;
Craco war er geheißen
Und trug einen Helm von Eisen,
Der hat gewogen zwanzig Pfund;
Sein ehrner Schild war groß und rund,
Sein breites Schwert drei Ellen lang,
Ein Baum die Lanze, so er schwang,
Und einen Panzer hatt' er an,
Da stunden spitze Schuppen d'ran.
Sein Koller war ohn' alle Zier,
Die Haut vom Elephantenthier.
Der Ries' war gräulich anzuschaun,
Und Keiner mochte sich getrau'n
Mit ihm zu halten einen Reih'n,
Weil er ein Zaub'rer sollte sein,
Gefei't und fest, so wunderbar,
Als einst zu Worms Herr Siegfried war.
Da trieb er denn mit Allen Spott,
Schlug Mensch und Vieh, verlästert' Gott,
Und forderte den Kühnsten 'raus,
Mit ihm zu kämpfen blut'gen Strauß.
Doch alle Recken blieben stumm
Und wandten ihre Häupter um.
Darüber höhnte Craco sehr,
Rief: »keinen Tapfern gibt es mehr
In Kaiser Heinrich's ganzem Heer!«
Dies freche Wort aus Heidenmund
Ward auch dem Hans Dollinger kund;
Der aber saß in Kerkerhaft,
Weil er Verrath am Herrn geschafft.
Da ließ er nun ihn bitten sehr,
Daß er ihn doch um Deutschlands Ehr'
Sollt' aus dem Kerker lassen geh'n
Mit Gott den Zweikampf zu besteh'n;
Gleich käm' er wieder dann zurück,
Erwartend sein verdient Geschick.
Als nun der tapfre Kaiser hört,
Daß der allein den Kampf begehrt,
Sn läßt er gleich ihn freudig los,
Gibt ihm ein Roß auch, stark und groß,
Und ehr'nen Schild und blankes Schwert;
Doch was zumeist im Kampf ist werth,
Das bringt der Ritter selber mit –
Der Andre ließ ihn warten nit.
Und als nun die Trommet' erklang,
Ein Jeder seine Lanze schwang.
Die Rosse bäumten sich empor,
Den Bügel Dollinger verlor,
Er stürzte nieder in den Sand,
Erhob sich aber gleich gewandt.
D'rauf nahm man andre Lanzen an,
Doch Keiner hat was Rechts gethan.
Das Drittemal mit Löwenkraft
Schwingt Dollinger der Lanze Schaft,
Die saust dem Riesen durch's Visier
Und theilet Helm und Schädel schier.
Da jubeln alle Franken laut,[109]
Und Alles auf den Sieger schaut;
Der aber kniet und danket Gott,
Daß er gesiegt ob Heidenspott.
Dann macht er wieder sich bereit,
Zu geh'n in Kerkernacht und Leid.
Da ruft der Kaiser: »Hans, wohin?
Ich hab' von Herzen dir verzieh'n:
Zieh' nur dem Feind die Waffen aus
Und häng sie in ein Gotteshaus.«
Buchempfehlung
Als einen humoristischen Autoren beschreibt sich E.T.A. Hoffmann in Verteidigung seines von den Zensurbehörden beschlagnahmten Manuskriptes, der »die Gebilde des wirklichen Lebens nur in der Abstraction des Humors wie in einem Spiegel auffassend reflectirt«. Es nützt nichts, die Episode um den Geheimen Hofrat Knarrpanti, in dem sich der preußische Polizeidirektor von Kamptz erkannt haben will, fällt der Zensur zum Opfer und erscheint erst 90 Jahre später. Das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, der Jurist Hoffmann ist zu dieser Zeit Mitglied des Oberappellationssenates am Berliner Kammergericht, erlebt er nicht mehr. Er stirbt kurz nach Erscheinen der zensierten Fassung seines »Märchens in sieben Abenteuern«.
128 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro