129. Die Gründung der Wülzburg.

[127] Von F.J.Freiholz. – Falkenstein Antiqq. Nordgav. II., 191. Die Wülzburg Bei Weissenburg am Sand in Mittelfranken.


In des Nordgau's dichten Forsten

Hält der König Pipin Jagd,

Hoch zum Fels wo Adler horsten

Steigt er aus des Waldes Nacht.


Doch wie hoch er auch gestiegen

Keine Beute bringt ihm Lohn,

Fern am Himmel sieht er fliegen

Freier Lüfte freien Sohn.


Müde von dem langen Jagen

Wird der König allgemach,

Aber nirgend sieht er ragen

Einer Hütte gastlich Dach.


Nur der Eiche grünbelaubte

Zweige wölben sich zum Zelt

Wo dem müden Herrscherhaupte

Weiches Moos zum Pfühle schwellt.


Und am deutschen Eichenbaume

Schlummernd Deutschlands König ruht

Dessen Seele bald im Traume

Wunderbares kund sich thut:


Vor ihm liegt die öde Wildniß

Die er wachend kaum durchschritt,

Aber schnell ein andres Bildniß

An die düstre Stelle tritt.
[127]

Licht wird Alles rings und helle,

Freundlich mild der Himmel blaut,

Und vom Berge die Kapelle

In die Ebne niederschaut.


Felder wogenden Getreides

Sieht sein froher Blick zumal

Und als Gürtelband, als breites,

Zieht die Wiese sich durch's Thal.


Menschenreiche Städte schweben

Jetzt an seinem Aug' vorbei

Stille Dörfer sich erheben

Aus der alten Wüstenei.


Doch vom schönen Traumgesichte

Ist der König bald erwacht,

Und ihn deckt dieselbe dichte

Wildverwachs'ne Waldesnacht.


Was er sah im Traumgebilde

Dünkt ihm höhrer Deutung voll:

Daß zur Wandlung der Gefilde

Er nach Kräften wirken soll.


Und die schönste seiner Pflichten

Wird dem Fürstenherzen klar,

Daß mit muth'ger Hand er lichten

Soll, was finstre Wildniß war.


Da in jenen frömmern Zeiten

Nur das Kreuz als Führer galt

Um zum Licht emporzuleiten

Was in Finsterniß gewallt;


Darum an derselben Stelle

Hat der König aufgebaut

Eine heilige Kapelle

Wie er sie im Traum geschaut.


Und nun ist nach langen Jahren

Schier der ganze Traum erfüllt,

Eine Stadt kann man gewahren

Dörfer sind dem Aug' enthüllt.


Doch wo einst in frühern Tagen

Segnend die Kapelle stand

Sieht man eine Feste ragen

Weithinaus in's Frankenland.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 127-128.
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