277. Die luftige Brücke.

[268] Bechstein S. 124.


Bei der alten Klosterstätte zu Frauenrode ist es, der Sage nach, nicht geheuer. Lodernde Feuer oder bläuliche Flämmchen werden in gewissen Nächten brennend auf dem Kirchhof oder in der Nähe der Klosterkirche[268] erblickt, welche einen großen dort vergrabenen Schatz anzeigen. Nicht weit von der Kirche erhebt sich ein Hügel, auf welchem vor langen Zeiten erst eine Burg, dann ein Theil des Klostergebäudes gestanden. Von dort führte ein bedeckter Gang nach der Kirche, über welchen die Nonnen schritten, wenn sie auf dem Chor sich versammelten, die Horas zu singen. Man sieht noch überm Portal die vermauerte Oeffnung. Alljährlich in gewissen heiligen Nächten erblickt man diesen Gang durch die Luft und den Zug gespenstiger Nonnen und sieht die Kirche erleuchtet, doch ist es nicht gut lange hinzusehen, noch viel weniger die Kirche dann zu betreten, denn in dieser halten die Geister Mette und es knieen vor dem Altar die Gestalten des Stifters und der Stifterin und hinter ihnen alle, die in der Kirche begraben wurden; von dem Haupte Beatricens weht der weiße Schleier, und auf Otto's Haupte rauschen die Blätter eines welken Lorbeerkranzes geisterhaft im Hauche der Nacht. Nach der Mette ziehen die Nonnen alle still zurück und schwinden in Nebel, wie sie dem Hügel sich nähern.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 268-269.
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