303. Der Riesenpflug im Schlosse zu Aschaffenburg.

[296] Von W.v.Kleudgen. Vgl. v. Herrlein S. 1.


Karol der Kaiser reitet von Salzburg an der Saal,

Sein Weg geht durch den Spessart nach dem Main zu Thal

Turpin ist ihm zur Rechten, zur Linken prangt Roland,

Welch wunderbares Schallen in dem Wald entstand?

Das ist Urgand der Riese, Roland zum Kaiser sprach,

So treibt er euer Wild und geht der Jagdlust nach;

Doch morgen zu der Stunde bekommt ein Jagen er,

Gewährt ihr's, daß er Bären und Hirsche fängt nicht mehr.[296]

Das möge Gott verhüten, Karol im Ernste spricht,

Wer kämpft mit Egolanden, wenn mir dein Arm gebricht?

Darum versagt den Kampf dir mein kaiserlich Gebot

Bis uns der Maurenkönig nicht mehr mit Krieg bedroht.

Indessen drangen Thürme die Eichenwipfel durch,

Was liegt dort in dem Thale, Turpinus? – Asciburg.

Seht dort die hohe Zinne, das ist der Heidenthurm,

Er trotzet, von den Römern erbaut, dem Zeitensturm.

Am Hügel rechts vorüber, auf dem die Zelle steht,

Der Schritt der müden Rosse zu dem Kastelle geht.

Die Brücke rasselt nieder, die Gäste kommen an,

Und an dem Thor empfängt sie des Schlosses Kastellan.

Beschütze Gott den Kaiser, ihm Lob daß nicht Urgand

Euch reiten sah – Karolus: war denn nicht da Roland?

Die Abendsonne purpurn das weiter Land beschien,

Vom Söller schau'n der Kaiser, sein Held und auch Turpin.

Was sind das für Gebirge, dort wo der Tag sich neigt?

Dort zwischen Main und Lahn empor der Taunus steigt,

Auf jenem Gipfel träumte der Königin Brunhild,

Daß sie geschleift einst werde von einem Rosse wild,

Turpin und jener Thurm, den dort mein Auge schaut,

Bartholomei Kirche, die ihr habt aufgebaut.

Und dort zu meiner Linken die Mauern in Ruin?

Das war vordem ein Landsitz, die Römer bauten ihn.

Seht rechts die Klausnerhütte, sie heißt zum guten Mann,

In Armuth ward des Guten schon reichlich dort gethan. –

Karol beschaut noch lange die Lande weit und breit,

Erstaunt und hingerissen von so viel Herrlichkeit;

Doch wie er so betrachtet im Abendgold den Main,

Schleicht leisen Trittes Schwermuth in sein Entzücken ein.

Ja, prachtvoll auf dem Hügel steht diese Burg, Turpin,

Von hier zeigt mir dein Finger nach werthem Orte hin,

Nur eines fehlt, das Auge, das eine Gegend schmückt;

Von hier ist allzuferne der Fluß hinweggerückt,

Denn von der Römervilla bis zu dem guten Mann,

In seinem graden Laufe man kaum ihn sehen kann.

Da schaff' ich Rath, Herr Kaiser, laßt schmieden einen Pflug,

Ein neues Bett zu pflügen schwer und auch groß genug,

Dran spannet unsre Rosse, die sind der Arbeit werth,

Was zieht allein nicht Bajard Rolands, das starke Pferd?

Wohl hast du mir gerathen, das soll gescheh'n sogleich –

Bald schallet durch das Schweigen des Hammers lauter Streich,

Die Esse sprüht der Funken, durch manchen schweren Schlag

So viele, daß das Dunkel verwandelt wird in Tag,[297]

Und wie die Morgensonne glänzt von der Berge Wand,

Ist schon der Pflug geschmiedet und Bajard angespannt.

Er wiehert, laut dröhnen seine Hufe von Metall

Und auf den hohen Erwig Urganden lockt der Schall,

Im Thal die Männlein, Pferdlein, er heftig zappeln sieht,

Und lacht mit Macht, weil keiner den Pflug von dannen zieht.

Darob der Kaiser trauert, Roland wagt den Versuch,

Rückt eine Handbreit weiter den schweren Riesenpflug.

Sie rasten nicht bis purpurn die Abendröthe glüht,

Da waren sie voll Hunger mit Schweiß bedeckt und müd.

Laßt Kaiser eure Sorgen, Herr Roland kehrt nach Haus,

Ich führe diesen Handel allein, so denk' ich, aus.

Heim kehrten nun die beiden, Turpinus blieb allein,

Und läßt zwei Zicklein kommen, spannt in den Pflug sie ein;

Da wurde voller Neugier Urgand der große Mann

Stieg von des Berges Gipfel herab zu dem Gespann,

Was willst du Pfäfflein, sage, mit diesem Ziegenpaar?

So wenig wie die Zicklein rückst du die Pflugesschaar.

Vor Zorn ward roth der Riese, streckt nach Turpin die Hand;

Doch wollt' er ganz ihn lassen weil er so schön ihn fand.

Schad wär' es um dein Röckchen, dein Hütlein von Karmin,

Lauf hin du nettes Töckchen! – und los ließ er Turpin,

Und dieser spannt die Zicklein vom Riesenpfluge aus,

Treibt sie vor seinen Tritten zu dem Kastell nach Haus.

Er fand Roland im Schlafe und schlafend auch Karol,

Bei ihren goldnen Bechern, das that der Kummer wohl.

Das ganze Junggesinde schlief tief in dieser Nacht,

Den Kaiser hütend hat Turpin allein gewacht.

Und als der Klosterwächter die neunte Stunde rief,

Pflügt schon der Riesenpflug im Thale breit und tief.

Und eh' sich noch der Frühhahn in dem Kastelle regt,

Schon an das Fundament der Burg die Welle schlägt.

Das Bett ist bald gepflüget bis zu dem guten Mann,

In einem Ellenbogen krümmt sich der Main fortan.

Die Arbeit ist vollendet – was will des Riesen Droh'n?

Turpin vernimmt es zagend und tritt auf den Balkon.

Klein Pfäfflein, hörst du rauschen im Thale nicht den Fluß?

Des Maines Fluth bespület nun des Kastelles Fuß,

So war mir denn zu ziehen der Pflug nicht allzuschwer;

Doch Morgen noch des Tages zeig' ich der Stärke mehr.

Ein Stündchen will ich rasten und dann mit dieser Hand

Erproben, ob dieß Schloß mir leistet Widerstand,

Ob ich in einem Tage zerstöre diesen Bau,

Mich höhnend steht zu lang schon die Burg in meinem Gau.[298]

Turpinus war erschrocken. Das wäre Jammerschad,

Nein, nie darfst du verüben so schwere Missethat,

Bedauern müßte fühlen das Raubthier in dem Wald!

Und horch mit lautem Brüllen der Bären Wuth erschallt.

Der Riese kehrt zur Wildniß und aus dem Osten lacht

Das Morgenroth, Karolus und auch sein Held erwacht.

Was hör ich für ein frohes Rauschen in dem Thal?

Der Kaiser tritt zum Söller, sieht in dem Morgenstrahl

Den Fluß zu seinen Füßen – mein Auge doch nicht trügt?

Wie, hast du mit zwei Zicklein den Main herbeigepflügt?

Wo gestern Fluth gewesen, da sprossen Blumen auf,

Wo gestern Blumen blühten, geht nun der Fische Lauf.

Das Wild seht, das zur Tränke sich heerdenweis gewandt,

Rohrdommeln, Störche flattern an des Flusses Rand?

Turpin sieht, daß dem Kaiser die Arbeit wohlbehagt,

Darum er eine Bitte ihm vorzutragen wagt:

Urgand hat dem Kastelle den Untergang gedroht;

So ziehet an den Mantel von Gold und purpurroth,

Die Krone nehmt, das Scepter führt mit eurer Hand,

Auch ich will mich bekleiden mit meinem Festgewand

Und Roland soll von Ferne, so daß er uns kann seh'n,

Zu eurem Schutz', in voller Rüstung mit uns geh'n,

Ich flehe, ihr befehlet Urgand den Frieden an!

Sie lenkten ihre Rosse zum Wald auf wilder Bahn.

Der Grund war vor der Riesenhöhle aufgewühlt,

Als ob ein Heer von Rittern die Kampflust drauf gekühlt;

Da riefen sie Urganden, doch keine Antwort scholl,

Turpin trat in die Höhle, Blut ihm entgegen quoll,

Den Riesen fand er nicht in der Höhle Schooß,

Nur eine abgenagte Rippe die war groß.

Weil er nicht hören wollte, als ich Erbarmen rief,

Ward er von wilden Thieren zerrissen, als er schlief.

Karol war freudig, aber Held Roland betrübt,

Weil er mit seiner Stärke die That nicht ausgeübt,

Drauf zogen sie gen Spanien, wo in den Krieg es ging,

Wo Roland Egolanden, den Maurenkönig fing;

Zuvor doch ließ Karol im Kastelle weis' und klug,

Die Rippe aufbewahren und auch den Riesenpflug,

Im Schlosse, das Suikardus auf's neu hat aufgebaut,

Man heut zu Tag die Rippe, den Riesenpflug noch schaut.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 296-299.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Reigen

Reigen

Die 1897 entstandene Komödie ließ Arthur Schnitzler 1900 in einer auf 200 Exemplare begrenzten Privatauflage drucken, das öffentliche Erscheinen hielt er für vorläufig ausgeschlossen. Und in der Tat verursachte die Uraufführung, die 1920 auf Drängen von Max Reinhardt im Berliner Kleinen Schauspielhaus stattfand, den größten Theaterskandal des 20. Jahrhunderts. Es kam zu öffentlichen Krawallen und zum Prozess gegen die Schauspieler. Schnitzler untersagte weitere Aufführungen und erst nach dem Tode seines Sohnes und Erben Heinrich kam das Stück 1982 wieder auf die Bühne. Der Reigen besteht aus zehn aneinander gereihten Dialogen zwischen einer Frau und einem Mann, die jeweils mit ihrer sexuellen Vereinigung schließen. Für den nächsten Dialog wird ein Partner ausgetauscht indem die verbleibende Figur der neuen die Hand reicht. So entsteht ein Reigen durch die gesamte Gesellschaft, der sich schließt als die letzte Figur mit der ersten in Kontakt tritt.

62 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon