[459] Von F.G.v. Pocci.
Aus Roma kehrt der Kaiser
Zurück in's Bayerland,
Geschmückt mit gold'ner Krone,
Den Scepter in der Hand.
Er ziehet durch die Wälder,
Er reitet durch die Au'n,
Und grüßet deutschen Boden
Mit frommem Gottvertrau'n.
»Du gabst, o Herr, die Krone
Und kaiserliche Macht,
Verleih mir auch den Segen
Zu meines Reiches Wacht.«
Und da er also betet
In gläubig frommem Sinn,
Da fällt sein Rößlein dreimal
Vor einer Tanne hin.
Er schauet im Gesichte
Ein Kloster dort ersteh'n,
In dem der Mönche Schaaren
Für seine Wohlfahrt fleh'n.
Ein Engel hält in Händen
Das Bild der Jungfrau hold,
Die unsern Herrn geboren,
Weil Gott es so gewollt.
»So will ich denn erbauen,
Wie mir's erschienen ist,
Ein Kloster, weit und prächtig
Hier, wo der Bergstrom fließt.«
»Es sollen zu den Mönchen
Zu Frommen und Erbau'n
Zwölf Ritter sich gesellen
Mit ihren lieben Frau'n.«
»Sie sollen täglich beten,
Wenn Glockenklang erschallt,
Sie dürfen fröhlich jagen
Im grünen Tannenwald.«
Und wie er es gelobet,
So hat er's auch vollbracht:
Gezimmert und gemauert
Ward emsig Tag und Nacht.
[459]
Und als der Bau vollendet,
Schmückt bald den Hochaltar
Der Mutter Gottes Bildniß,
Wie es erschienen war.
Nun ruht im Grab der Kaiser
Nach mancher Müh und Noth,
Die Ritter und die Frauen,
Die Mönche – sie sind todt.
Die Kunde aber lebet
Von Ludwigs Frömmigkeit,
Erzählt, was er gestiftet
In längst vergang'ner Zeit.
Buchempfehlung
Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.
106 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro