438. Ettals Stiftung.

[459] Von F.G.v. Pocci.


Aus Roma kehrt der Kaiser

Zurück in's Bayerland,

Geschmückt mit gold'ner Krone,

Den Scepter in der Hand.


Er ziehet durch die Wälder,

Er reitet durch die Au'n,

Und grüßet deutschen Boden

Mit frommem Gottvertrau'n.


»Du gabst, o Herr, die Krone

Und kaiserliche Macht,

Verleih mir auch den Segen

Zu meines Reiches Wacht.«


Und da er also betet

In gläubig frommem Sinn,

Da fällt sein Rößlein dreimal

Vor einer Tanne hin.


Er schauet im Gesichte

Ein Kloster dort ersteh'n,

In dem der Mönche Schaaren

Für seine Wohlfahrt fleh'n.


Ein Engel hält in Händen

Das Bild der Jungfrau hold,

Die unsern Herrn geboren,

Weil Gott es so gewollt.


»So will ich denn erbauen,

Wie mir's erschienen ist,

Ein Kloster, weit und prächtig

Hier, wo der Bergstrom fließt.«


»Es sollen zu den Mönchen

Zu Frommen und Erbau'n

Zwölf Ritter sich gesellen

Mit ihren lieben Frau'n.«


»Sie sollen täglich beten,

Wenn Glockenklang erschallt,

Sie dürfen fröhlich jagen

Im grünen Tannenwald.«


Und wie er es gelobet,

So hat er's auch vollbracht:

Gezimmert und gemauert

Ward emsig Tag und Nacht.
[459]

Und als der Bau vollendet,

Schmückt bald den Hochaltar

Der Mutter Gottes Bildniß,

Wie es erschienen war.


Nun ruht im Grab der Kaiser

Nach mancher Müh und Noth,

Die Ritter und die Frauen,

Die Mönche – sie sind todt.


Die Kunde aber lebet

Von Ludwigs Frömmigkeit,

Erzählt, was er gestiftet

In längst vergang'ner Zeit.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 459-460.
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