442. Gründung des Klosters Wessobrunn.

[463] Von F.G.v. Pocci. – Andr. Presb. bei Freyberg, Samml. II., 393. Arnpekh II., c. 33. Hund metr. III., 485. Brunner ann. p. 179. Falkenstein bayer. Gesch. II., 511. Leutner hist. Wessof. p. 9. Zimmermann geistl. Kal. I., 205.


Herr Tassilo besteigt das Roß,

Zu reiten in den Wald,

Will jagen dort mit seinem Troß,

Dieweil das Hörnlein schallt.


Er ziehet durch den grünen Hag

Und über Wiesen hin

Und pürschet froh den ganzen Tag,

Die Thierlein alle flieh'n.


Das Rößlein schnaubet müd und matt

Und mäßigt seinen Trab,

Herr Tassilo des Jagens satt

Steigt von dem Sattel ab.


Knecht Wesso laß den Gäulen Luft,

Laß weiden sie im Thau,

Will rasten hier in Waldesduft

Und schau'n in's Himmelsblau.
[463]

Die Sonne senket ihren Lauf

Es nahet sich die Nacht,

Dort steigt der Mond am Himmel auf

Und zeiget seine Pracht.


Herr Tassilo ruht mit dem Knecht

Auf grünem sammtnen Moos,

Und wahrlich schlummert er nicht schlecht

In dunkler Waldung Schoos;


Ein schöner Traum erquicket ihn,

Er sieht der Englein viel

Auf Himmelsleitern her und hin

Bewegen sich im Spiel.


Er sieht sie zieh'n an einen Quell

Und schöpfen wohl daraus,

Das Wasser ist so rein und hell,

Die Englein trinken draus.


O gebt ein Tröpflein nur auch mir,

Mich dürstet allzusehr,

Kredenzet Himmelslabung hier,

O höret mein Begehr'.


So träumt' Herr Tassil und erwacht:

Knecht Wesso, sah'st du's nicht?

Ich hatte in der heut'gen Nacht

Ein wunderbar Gesicht.


Und flöß der Quell, den ich gesehn,

Auch in dem fernsten Land,

Ich wollte gerne zu ihm geh'n

Zum Trunk aus hohler Hand.


Da rauscht es plötzlich aus dem Stein

Und sprudelt durch das Moos:

Fürwahr ein Bächlein muß es sein,

Das gestern noch nicht floß!


Welch heiliger Morgentrunk, wohlan,

Knecht Wesso, schöpfe nun!

Du schöpfst daraus der erste Mann:

Der Quell sei »Wessobrunn.«


Der Knecht, er schöpft' – der Herzog trank,

Labt sich, als sei es Wein,

Und spricht: Hier bau' ich Gott zum Dank

Ein frommes Klösterlein.


Gelobt, gethan, bald füget Stein

An Stein zum Baue man,

Die Mönche ruft das Glöckelein,

Und das war wohlgethan.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 463-464.
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