474. Hohenschwangau.

J. Fr. v. Hormayr Taschenb. 1836. S. 184 ff.


Wem ist die Burg doch eigen, die nah am Lech sich hebt?

Wo sich die Marken scheiden? Ei wie so stolz sie strebt!

Auf Bayerns Boden fußt sie und blickt so frei hinein

In's schöne üpp'ge Schwabenland und in's Tyroler Gestein.


Das ist 'ne Burg der Ehren, ein rechter Lug'ins Land,

Da ward die Minneharfe gerührt von Kaiserhand,

Noch wehen die alten Lieder um's Schloß bei Mitternacht,

Und säuseln bis zum Untersberg: ob Stauf noch nicht erwacht?


Wo sich die Marken scheiden, da steht das alte Schloß;

Von dreien Heldenstämmen trug es gar manchen Sproß.

Dreiästig schlingt der Epheu sich um den Thurm dort hin;

Den Welfen und den Staufen, den Schyren gilt dies Grün.


Von den Julischen Alpen, wo Lech und Inn einander am nächsten sind, an dem Bodensee und hinauf an der Iller und Schussen, zeigt sich die Wiege, der Sitz, und die Gräber der Welfen. In dem Völkerbunde, der bald nach Etzels gähem Tode das linke Donauufer einnahm, abenteuerten die Schyren, Heruler, Rugier und Turcilingen mit Odoaker nach Italien und stießen den Knaben Augustulus vom Thron. Später zogen die Stämme der Heruler unter großen Unfällen wieder bis an die Ostsee hinauf. Es wurden die Schyren von den Gothen fast vertilgt und jene Geschlechter erhalten, die als die ersten und edelsten den Namen des Volkes selber trugen. Ethiko und Welf gehörten zu diesen Vordermännern der Schyren, Ethiko und Welf hießen nach Jahrhunderten noch die Helden dieses Stammes. Als das Reich der Merovinger verfaulte, und die Majordome, sich Macht erringend, die Alemannen, Thüringer,[1] Bajuvaren unterwarfen, saß Graf Welf zu Altorf bei Ravensburg im schwäbischen Allgäu, frei und herrlich auf freiem und herrlichem Erbe. Vom ersten in dunkler Sage schwebenden Welf werden insgemein zwölf, von den allemannischen Kammerboten Warin und Ruodhard und von Isembart, welchem die Sage zwölf Söhne auf einmal giebt, drei und zwei Geschlechtsfolgen gezählt. Lauter klingt dann Geschichte und Sage von Judith, der Tochter Welfs und Ludwigs des Frommen zweiter Gemahlin.

Ein Zweig jenes uralten Stammes der Schyren hatte sich frühzeitig abgesondert und an der Isar und Ilm erhalten. Arnulf, des Schyren Luitpold Enkel, baute die Burg, welche nach dem uralten Geschlechtsnamen Schyren (Scheyern) genannt ward.

Welfen und Schyren umgiebt ein unübertroffener Alterthumsglanz. Ueber beide erhob sich auf einmal ein drittes Haus, nicht auf Altersruhm, sondern auf persönliche Größe gegründet: die Hohenstaufen. An die Verbindungen und Entzweiungen der Welfen und Staufen knüpft sich ein Kranz der erhabensten germanischen Erinnerungen. Und eine stille, heitre Burg am Fuße der Alpen läßt all die großen Heldengeister im Spiegel der Geschichte und Sage an uns vorüberschweben. Welfen, Staufen und Schyren haben hier gehaust und gewaltet.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 1-2,6-8.
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