1200. Die Legende von den Heilthümern zu Andechs auf dem heiligen Berg.

[215] Außer der AndechserChronik auch Arnpekh chron. Bav. l. V. c. 9. Falkenstein bayr. Gesch. III., 480. Ertl bayr. Atlas I., 142; II., 140. P. F. Hueber Unsterbliches Gedächtniß etc. Ingolstadt 1670. S. 291. Gumppenbergs marian. Atlas, teutsch IV., 308 u.v.A.


Im Jahre 949 nach unsers Herrn Geburt fuhr Graf Rath von Andechs gen Jerusalem, von dannen er mit einem großen Schatz an Heilthümern zurückkam. Er baute ein Kirchlein, darinnen jener Schatz sollte bewahrt sein. Dieses ist im Jahre 1209 vom Herzogen Ludwig in Bayern zerstöret worden. Nun geschah es nach etlichen Jahren, wohnte zu Widersberg eine blinde Frau, die ward im Traume gemahnet, nach Andechs zu pilgern an den Ort, wo die Schutthaufen jenes Kirchleins befindlich; alldorten würde sie zur linken Seite des gewesenen Altars einen grünen Wachholderstrauch finden; davon sollte sie die Wurzel ausziehen und sich damit die Augen bestreichen. Die Frau that, wie ihr anbefohlen worden und ward zur Stelle gesund. Bald darauf ließ Herzog Ludwig der Strenge die Kapelle wieder erbauen. Nun vergingen über hundert Jahre, da las ein frommer Franziskaner, Jakob Dachauer mit Namen, die heilige Messe in der Kapelle, als im Angesichte des andächtigen Volkes ein Mäuslein mit einem Zettel hinter dem Altare hervorkroch, das Papier fallen ließ und wieder davonging. Auf diesem Zettel waren die Namen der verlornen Heilthümer geschrieben. Alsogleich ließ man hinter dem Altare nachgraben und entdeckte zu großer Freude den verlornen Schatz. Solches geschah im Jahre des Heils 1388.

Wunderlich ist auch zu hören, was dem geistlichen Grafen Berchtold II. widerfahren. Denn als er einstmal aus gutem Eifer das fronheilige Sakrament und anderes würdige Heilthum von Andechs in sein Kloster Seon überbringen und alldort mit schuldiger Ehrfurcht aufbewahren wollte, sind ihm und seinen Dienern die Pferde, darauf sie saßen, erlahmt, also daß sie ihr Vorhaben mit keiner Mühe oder Verstand konnten werkstellig machen; dahero Graf Berchtold den göttlichen Willen erkannt, das hochwürdige Heilthum auf dem Berg Andechs gelassen und noch dazu[216] bei dem römischen Stuhl ausgewirkt hat, daß das Heilthum bei Strafe des Bannes niemal mehr von dem heiligen Berg anderswohin versetzt werden dürfe.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 215-217.
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