1231. Philippine Welser.

[239] Von J.G.Seidl. – Größere Gedichte von Th. Hell u. K. Pichler.Hormayr: Urania 1818 und Archiv f. Gesch. Stat. u. Lit. etc. Wien 1828 Nro. 81 ff.


Zu Augsburg hat ein Bürger

Ein Töchterlein gar hold;

Hat himmelblaue Aeuglein

Und Locken hell, wie Gold.

Die schöne Philippine ward,

Das Töchterlein geheißen,

So wunderbarer Art.


Es war von guten Sitten

Und fromm und klug dabei;

Man hätte drauf geschworen,

Daß es von Ahnen sei;

Hatt' einen Hals, wie Schnee so rein,

Man sah's, wenn durch die Adern

Ihm floß der rothe Wein.


Ein Herzog kam gezogen

Zum Reichstag in das Land;

Dem Dirnlein ward gewogen

Der Herzog Ferdinand;

Er war erst neunzehn Sommer alt;

Da wuchs in seinem Herzen

Die Liebe mit Gewalt.


»Bist du mein liebes Mägdlein?« –

Das Mägdlein sprach: »Bin dein!«

Da segnet bald ein Priester

Den Bund im Stillen ein.

Des Herzogs Vater zürnt wohl sehr;

Sechs Jahre ließ er sich bitten,

Dann zürnt er nimmermehr.
[239]

Dann haus't auf seinem Schlößlein

Zu Ambras in Tirol

Mit seiner Philippine

Der Herzog recht und wohl;

Da gab es Lieb und Lust im Haus,

Die heitern Minnesänger

Die zogen ein und aus.


Da ward gar viel turnieret,

Der Kunst gar treu gepflegt,

Gar manche That vollführet,

Gar mancher Keim gehegt;

So ging es dreißig Jahr und eins,

Da fand der Tod ein Ende

Des treuen Herzverein's.


Das Glück der Philippine

Hat manchen Fant gekränkt,

Drum heißt es, daß im Bade

Die Neider sie ertränkt;

Ich mein', da sorgt der Himmel für,

Daß nicht so schlimm verderbe

Der Schönheit edle Zier.

Quelle:
Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 239-240.
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