Fünfte Szene

[313] Thaliard tritt auf.


THALIARD. So, dies ist also nun Tyrus, und dies ist der Hof. Hier muß ich den Perikles umbringen, und tu' ich es nicht, so kann ich sicher sein, zu Hause gehängt zu werden; das ist ein schlimmes Ding. – Ich sehe wohl, der war ein kluger Gesell und von ziemlichem Verstande, der, als ihm der König erlaubte, sich eine Gnade auszubitten, ihn ersuchte, ihm keines seiner Geheimnisse zu sagen. Jetzt seh' ich ein, daß er Ursache dazu hatte; denn wenn der König von jemand verlangt, er soll ein Schurke sein, so ist er, kraft seines Eides gezwungen, einer zu werden. – Still, hier kommen die Herren von Tyrus.


Helicanus, Escanes und andere Lords.


HELICANUS.

Nicht nötig, habt Ihr, Freund und Reichsgefährten,

Um Eures Königs Reise mehr zu sorgen,

Die Vollmacht, untersiegelt, mir vertraut,

Sagt deutlich: um zu reisen ging er fort.

THALIARD beiseit.

Wie? Der König fort?

HELICANUS.

Doch wollt Ihr noch was Näheres erfahren,

Wie, Eurer Liebe gleichsam hinterrücks,

Er von Euch ging, geb' ich Euch Licht hierin:

Zu Antiochia –

THALIARD beiseit.

Was gibt's von Antiochien?

HELICANUS.

Ward ihm (warum, das weiß ich nicht) erzürnt

Antiochus; er glaubt es wenigstens,

Und was er nun gesündigt oder irrte,

Will er an sich mit herber Trauer strafen;

Er unterzieht sich selbst des Seemanns Müh'n,

Den jeder Augenblick mit Tod bedroht.

THALIARD beiseit.

Ich sehe wohl,

Ich werde nicht gehängt, wenn ich auch wollte;

Er ist nun fort, vielleicht ist ihm beschieden

Der Tod zur See, den er zu Land vermieden.

Ich zeige mich. – Den Herrn von Tyrus Friede!

HELICANUS.

Gegrüßt, Lord Thaliard, von Antiochus![313]

THALIARD.

Er sendet mich

Dem Fürsten Perikles mit Botschaft zu,

Doch, als ich landete, erfuhr ich gleich,

Daß er auf unbekannten Reisen sei:

Drum kehr' ich mit der Botschaft gleich zurück.

HELICANUS.

Wir haben keinen Grund, darnach zu forschen,

Denn sie geht unsern Herren an, nicht uns;

Doch bitten wir, bevor Ihr reis't nach Hause,

Seid unser Gast beim freundschaftlichen Schmause.


Sie gehn ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 313-314.
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