63


[810] Wenn einst mein Lieb wie ich jetzt, welk, gebeugt

Von rauher Zeiten Hand wird sein, verborgen

In Runzeln seiner Stirne Glanz, vertreucht

Durch Stundenflucht sein Blut, sein Jugendmorgen

Zu Alters Dämmernächten hingeflohn,

Und alle Reize, die ihn jetzt umlauben,

Verschwindend oder längst verschwunden schon,

Der Schätze seines Frühlings uns berauben:

Auf solche Zeit gerüstet schütz' ich mich

Vor Alters Mordstahl und Vertilgersünde,

Daß, wenn des Lieblings Leben auch verblich,

Nicht seiner Schönheit Angedenken schwinde:

In diesen schwarzen Zeilen lebt sein Licht;

Er grünt in ihnen, denn sie sterben nicht.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 2, Berlin: Aufbau, 1975, S. 810.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sonette
The Sonnets/ Die Sonette [Zweisprachig]
The Sonnets / Die Sonette: Englisch/Deutsch
Sonette. Engl./Dt. Übersetzt von Tieck, Regis, u.a., Einleitung von Hanno Helbling.
Die Sonette: Zweisprachige Ausgabe
Shakespeares Sonette