Zweiter Auftritt

[8] Faust. Wagner.


WAGNER. Verzeihen Euer Magnificenz. Eben komme ich von der Post. Es sind für heute keine Briefe angekommen; aber gerade stiegen drei Studenten aus dem Postwagen, welche Ew. Magnificenz ein Tractätlein überreichen wollen.

FAUST. Geht, Wagner, und sagt ihnen, daß ich keine Tractätlein mehr annehme. Ich bin der kopfbrechenden Arbeit müde, bei der ich das tägliche Brot nicht verdiene.

WAGNER. Verzeihen Ew. Magnificenz, es ist keine Doctordissertation, die Ihr übersetzen und zustutzen sollt. Es ist gedruckt. Ich habe das Titelblatt gelesen, es heißt: Clavis Astarti de Magica.[9]

FAUST. Wie? Was? Spricht der Engel aus euch, oder wollt ihr mich zum Besten haben?

WAGNER. Nein, nein! Ich kann Ew. Magnificenz versichern.

FAUST. Nun, so geht, Wagner, ladet sie ein, bewirthet sie aufs Beste, setzt ihnen Wein und Knaster vor.

WAGNER. Sehr wohl, Ew. Magnificenz!

FAUST allein. Ha! nun blüht mein Glück. Nun wird mir, was ich so sehnlich erwünscht, so lange gesucht habe. Hab ich nicht an alle Universitäten um das Buch geschrieben; aber nirgends war es mehr zu finden. Ha! nun zittert vor mir, ihr unterirdischen Geister, zittert vor mir, ihr Bewohner des Tartarus! Faust wird euch zwingen, das Geheimste zu offenbaren, die verborgenen Schätze auszuliefern, die zu lange in der Erde gemodert haben.


Wagner kehrt zurück.
[10]

WAGNER. Verzeihen Ew. Magnificenz, die drei Studenten sind da. Hier ist das Buch, das sie euch bringen wollten.

FAUST. Dank, lieber Wagner, tausend Dank. Jetzt bin ich glücklich. Bald wird sich unser Schicksal ändern, bald werden wir diese armselige Hütte verlaßen und in Pallästen wohnen. Bald soll die Welt von Doctor Faust anders sprechen. Was hat mir das viele Studieren geholfen? Das nächtliche Wachen über den Büchern? Presst sie aus, Wagner, und wenn Ihr in all den Folianten und Quartanten einen Tropfen Lebensweisheit findet, so will ich mich gleich dem Teufel verschreiben.

WAGNER. Ich wünsche selbst, daß sich unsere Umstände beßern möchten. Aber noch eine Bitte hab ich an Ew. Magnificenz.

FAUST. Redet, Wagner, aber faßt euch kurz.

WAGNER. Ich wollt Ew. Magnificenz bitten, ob ich mir nicht einen Gehülfen annehmen dürfte, der mir in der groben Hausarbeit etwas zur Hand gienge, damit ich mich beßer aufs Studieren legen könnte.[11]

FAUST. O ja, lieber Wagner, diese Bitte sei euch gewährt. Aber ich liebe verschwiegene Menschen in meinem Hause. Noch eins, wenn mich heute Jemand sprechen will, so sagt, ich wär ausgegangen.

WAGNER. Sehr wohl, Ew. Magnificenz. Aber wollt Ihr nicht wenigstens die Studenten sprechen? Sie wißen, daß Ihr daheim seid, und möchten euch doch gesehen haben, ehe sie abreisen.

FAUST. Wenn es nicht anders ist.


Beide ab.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 8-12.
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