Fünfter Auftritt

[94] Faust. Casperle.

Wieder im Streit mit seiner Frau, zu deren Stimme sich dießmal noch die seines Kindes gesellt, das im tiefsten Baß ruft: Mutter, der Vatter giebt mir den Brei nit, tritt mit brennender Laterne aus dem Hause.


CASPERLE.

's nix mit den bösen Weibern,

Bin froh, daß ich kein? hab.


Ich hab aber doch eine. Hab ich eine, oder hab ich keine? Ich sag, ich hab keine. Eine böse Frau will, Alles soll nach ihrem Kopf gehen; aber meine Frau läßt Alles nach meinem Kopf gehen, Stühl und Bänk, Töpf und Pfannen.


Das Kind schreit wieder.


Ja gröl du nur, ich geb dir doch den Brei nit. Hab meine Gründ dazu. Primo hab ich kein Zeit nit, denn 's hat zehn geschlagen. Herrendienst geht vor Gottesdienst. Pro secundo hat mich die Gretl in Daumen gebißen. Prostertio hab ich keinen Brei nit, denns Gretl hat keinen nit gekocht.


Der Junge schreit wieder: Vatter!


Vatter! Wie kann ich dein Vatter sein! Meine Frau schläft Nachts, ich schlaf am Tag, so schlafe mer nie zusammen.[95] – Aber dafür wird nix gut gethan. Muß mein alt Lied wieder singen.


Hört ihr Herrn und laßt euch sagen,

Der Klock hat zehni geschlagen.


Wenn ich nur wüst, wie's heißen müst: das Klock oder der Klock. Ich mein der Klock. Sie wollen zwar sagen die Klock. Aber das kann ich nit glauben. Da müst ein Klock keinen Schwengel nit haben.


Bewahrt das Feuer und das Licht,

Damit der Stadt kein Schade geschicht.

Zehn ist der Klock! Zehn ist der Klock!


Strauchelt über Faust.


Wer liegt denn da im Wege? Der ist knippeldick! Das kommt von der späten Policeistunde, und die kommt wieder von meiner Frau ihrem langen Predigen. Steht auf, Freund, steht auf!

FAUST erhebt sich.

CASPERLE. Na, wie ist mir denn? Ist des nit mein alter Herr, der des Teufels ist? Guckt der jetzt so gern ins Gläsle? Muß ihn doch anreden. Kennt ihr mich nit, Herr?

FAUST. Nein.[96]

CASPERLE für sich. Ich merks schon. Das sind Flausen. Er will mich nit kennen, weil er mir den Lohn noch schuldig ist. 's ist aber doch niedrig. Wenn ich allen Teufeln zu befehlen hätt, wollt ich doch keinem armen Schlucker was schuldig bleiben. Laut. Ihr wollt mich nit kennen, Herr.

FAUST. Wer seid ihr denn? Ich kenn euch nicht.

CASPERLE. Ei der Casperle bin ich, merkt ihrs denn nit? Dem ihr noch sechsunddreißig Groschen Lohn und zwanzig Goldgülden Trinkgeld schuldig seid. Habs meiner Seel sauer genug verdient, denn mir ist himmelangst gewest bei den Rattenschwänzen und Ipekrätzern von Teufeln, und bei der halsbrechenden Fahrt auf dem höllischen Sperling nach dem Makronenland. Und da habt ihr mich gar sitzen laßen und seid mit dem Urangutang davon geflogen nach Stambul. Und eh ich wieder heim kam, hats noch Heulen und Zähnklappern gesetzt.

FAUST. Heulen und Zähnklappern? Weh mir![97]

CASPERLE. Ich dacht nit, daß ich euch noch wiederfänd: ich meint, der Teufel hätt euch längst den Hals gebrochen. Hab aber das Geld noch nit hintern Schornstein geschrieben. Hätts oft brauchen können, sonderlich das Trinkgeld. Nun sollt ihr mirs bei Heller und Pfennig bezahlen, und die Zinsen dazu, und das Kostgeld.

FAUST. Geld? Ich habe keins.

CASPERLE. Habt keins? Wofür habt ihr denn dem Teufel eure arme Seel verschrieben, wenn ihr kein Geld nit habt?

FAUST. Es ist auch wahr. An Geld hab ich nie gedacht.

CASPERLE. Paperlapap! Das sagt der Wagner auch und hat Geld wie Heu. Wie könnt er denn die Studenten mit Champagner tractieren, wenn er kein Geld nit hätt?

FAUST. Wagner? Ist der noch hier?[98]

CASPERLE. Ja freilich. Sie haben ihm gestern einen Fackelzug gebracht, weil er Magnificus ist. Es hat ihn genug krepiert. Sie haben ihm drei Ohm Oil de Perdrix ausgesoffen. Er hätt sich schier ein Leids gethan, der Pfennigfuchser.

FAUST. Hör Casperle, Geld hab ich nicht. Aber die Knöpfe an meinem Rock sind dreimal so viel werth als deine Forderung. Laß uns die Kleider tauschen, so bist du bezahlt. Für sich. Es ist mein erster Betrug, aber das Meßer sitzt mir an der Kehle.

CASPERLE. Ei seht doch! Wie ist Er so gescheidt! Aber Casparle ist auch nit auf den Kopf gefallen. Da könnt ich in des Teufels Küche gerathen, wenn sie den Unrechten erwischten. Nicht für Tausend Reichsthaler möcht ich in eurer Haut stecken. Es muß gewaltig bei ihm in der Fechtschule stinken, sonst hätt er mir das nicht angebotten. Ich will machen, daß ich davonkomme. Der Teufel macht nit viel Federlesens.


Geht ab, kehrt aber alsbald zurück.


Ich will ihm doch noch einen guten Rath geben, wenn er bang ist, daß ihn der Teufel holt. Sieht er da die blaue Thür?[99] Da wohnt meine Frau. Da geh er hinein und versteck sich. Er ist da vor den Teufeln sicher. Sie getrauen sich nit hinein, sie förchten sich vor ihr. Ab.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 94-100.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon