1. Szene.

[74] DOKTOR FAUST allein. Dasein? Ja, Dasein, dies ist also dein Vollgenuß in seiner Kraft und Blüte? Herumkriechen auf dieser erbärmlichen Erde, essen, trinken, schlafen – die Sonne anstaunen im Aufgang, angähnen im Untergang! Armseliges Spielzeug, das man im Genuß gleich dem Knaben zertrümmert. –

Aber, der Nachhall großer Taten? Dies ewige Blühen, ewige Leben im Marmor des Menschengefühls? Ha, Nachruhm, du bist mein Mörder! Hervor, Gespenst, das allenthalben in meinem Pfade steht! Hervor, Riesengespenst! Du bist mindstens wert, daß ein Mann dich ins Auge faßt. Was bist du? Woher diese hohlen Augen? Hinauf mit dem leuchtenden Gewand, in das dein Wesen sich hüllt! Was bist du? Schatten! Du bist's also, der meinem umschlingenden Arme[74] Gegenwart entreißt, um mir Zukunft, seinen Bruder, unterzuschieben? Ein flammendes Meteor, ohne Haltung und Wirklichkeit! – Bitter. Oh! Oh! Wenn der Sturmwind rauscht über meinen einsamen Grabhügel, wie da mein Gerippe lauschen wird auf die Posaune der Nachwelt! Wie mein hinaufgeschwungener Geist schwelgen wird im Genuß des dampfenden Weihrauchs – dieser Würmer!

Ehrgeiz, nie satter Vampyr! Ich kenne dich nun. Und wenn ich dich nun abziehe von der kleinen Summe, was bleibt denn? Oh! Oh! Armer Faust, wo wirst du Ruhe finden?


Quelle:
Soden, Julius von: Doktor Faust. Neustadt a.d. Aisch 1931, S. 74-75.
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