Am Grabe meiner unvergeßlichen Julie v. Hagemeister, geb. Reincken

[14] Die Nacht sinkt vom Olymp herab,

Die goldnen Sterne funkeln.

Ich walle hier um Julchens Grab

Im schauerlichen Dunkeln,

Und lege diesen Veilchenkranz

Und diese blasse Rose

Auf meiner holden Freundin Grab,

Bedeckt mit falbem Mose.


Auch pflanz' ich dunklen Roßmarin

Auf diesen Hügel heute;

Viel bange Thränen tränkten ihn,

Die ich dir, Freundin! weihte.

Die tiefste Wehmuth opfert sie,

Geliebte! deinen Manen,

Im stillen düstren Kirchhofshain,

Auf Gräbern deiner Ahnen.
[15]

Du war'st des besten Mannes Glück,

Die stolze Lust der Deinen,

Die nun mit thränenschwerem Blick

An deiner Urne weinen!

Auch mir, o Julie! lachte einst

Das Glück an deiner Seite,

Da war mir jeder Kummer fremd,

Ich kannte nur die Freude.


Vergebens ruf' ich jene Zeit

Zurück in bangen Stunden;

Für mich ist Glück und Fröhlichkeit

Auf immer hingeschwunden;

Bei meinem tiefsten Schmerze komm,

O Julie! und sage:

»Auf schnellen Flügeln nah't heran

Der schönste deiner Tage!«

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 14-16.
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