Am Geburtstage des letztverstorbenen Fürsten zu Wittgenstein-Berlenburg, im J. 1799

[105] Könnt' ich mit der Sappho Feuer malen,

Taucht' ich in Aurorens Purpurstralen,

Flög' empor zur höchsten Sonnenbahn,

Nach der späten Zukunft fernen Tagen

Würde meine Wonne hingetragen!

Steige, mein Gesang, heut' hoch hinan.


Frischen Lorbeer schling' ich um die Leyer,

Meine Seele glüht von regem Feuer,

Ueber Welten schwingt sie sich empor.

Angestaunt vom selig-frohen Volke

Streif ich an den Purpursaum der Wolke,

Mische mich in's höh're Sänger Chor,


Wo die Seelen längst verklärter Geister

Dank und Jubel ihrem großen Meister[106]

Jauchzen in der Sphären Harmonie.

Deine Ahnherrn fallen betend nieder,

Ihre Freude tönt in höh're Lieder

An dem Tag, der Dich der Erde lieh'.


Auch ich mische mich in das Gedränge

Jener Geister, die in Stralenmenge

Vor dem ganzen Himmel nennen Dich,

Eine Perle in dem Diademe,

Das Dich krönet, werde meine Thräne,

Die vom wund geweinten Auge schlich.


Keine Blumenkränze kann ich pflücken,

Meine Harfe feierlich zu schmücken; –

Oed' um mich liegt Wald und Hain und Thal;

Aber bei dem frischen Glanz der Kerzen

Wallen froh empfindend unsre Herzen,

Wie im Lenzes-Abendsonnenstral.


Theurer Fürst! sie schlagen Dir entgegen:

»Jedem Deiner Schritte reichen Seegen!«

Flehen wir gerührt vor Gottes Thron,[107]

Und wann Deiner Tage Waage sinket,

Und Dein Engel Dir zur Ruhe winket

(Deiner Tugend, Deiner Güte Lohn!)


Daß Du dann nach spät geschwundnen Jahren

Noch im Schmuck von weißen Silberhaaren

Dich an goldgelockte Enkel schließ't,

Die voll Feuer nach der Ehre dürsten,

Das zu werden unter Teutschlands Fürsten,

Was du, Vater Deines Volkes, bist!

Quelle:
Elise Sommer: Poetische Versuche, Marburg 1806, S. 105-108.
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