Erhebung

[173] Hier, wo die Ruhe sich auf Blüthen wiegt,

Und Friedensgeister um die Lauben schweben,

Wo Selbstgenuss den Unmuth leicht besiegt,

Hier will ich mich zur schönern Welt erheben,

Zu Sphären, wo der Wahrheit Urborn quillt;

Im kühlen Schatten, unter Palmen-Wehen,

Dort ist das Land, das meine Sehnsucht stillt,

Da winken mir die heimathlichen Höhen!


Aus deinem Tempel, heilige Natur!

Von diesen sanft umgrünten lichten Hallen

Blick' ich dorthin, wo auf umsonnter Spur

Verklärte Heil'ge überselig wallen,

Dort eil' ich einst auf ihre lichte Bahn;

Ich seh' den Adler glühen und die Leyer,

Ich walle kühn zum Uranus hinan;

Die Welt entschwindet, wie ein Nebelschleier.


Von ihrem Wechsel, ihrem Drängen fern

Ruh' ich dann aus, nach heisser Tages-Schwüle;

Verklärt vom Morgenlicht und Abendstern,

Umarmet, mich der Palmen Schattenkühle;

Drei Wesen eilen mir vor allen zu,

Sie, meine Kinder, Gott, welch ein Entzücken!

Ich fühle schon das Wehen ew'ger Ruh,

Und Eden schwebt vor meinen trunknen Blicken!
[174]

Da sollen sich zum hohen Jubelton

Der Harfe schönste Melodie'n erheben,

Dort harrt des muth'gen Kämpfers Siegeslohn,

Dem Müden winkt ein neues hohes Leben;

Die Hülle sinkt- der Dämm'rung Nacht entfleugt,

Kein Nebel hält den freien Geist gebunden,

Wenn er vom Ahnen zum Erkennen steigt,

Und selig nun das höchste Glück gefunden!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 173-175.
Lizenz:
Kategorien: