An meinen Sohn Friedrich

[188] Einsam wall' ich in dem Thal,

Stille Ruhe waltet,

Schatten schweben überall,

Schauerlich gestaltet,

Von der Mondbeleuchtung glänzt

Sanft des Waldes Krone,

Jeden Hügel, den sie kränzt,

Bildet sie zum Throne.


So vermählt dem dunkeln Tag

Sich die Abendröthe,

Und dem Nachtigallen – Schlag

Sanft des Hirten Flöte.

An den bleichen Kummer schliesst

Sich so leicht die Freude,

Wenn sie freundlich uns begrüsst

In der Unschuld Kleide.


Wechsel waltet überall

Unter allen Zonen;

Ihn nur, den Gewissensquaal

Peitscht mit Skorpionen,

Ach! den Armen, den verlässt

Freude nun auf immer,

Und sein höchstes Jubelfest

Krönet nur ihr Schimmer.
[189]

Darum lass mit festem Muth

Uns durch's Leben wandeln;

Immer weise, fromm und gut

Bis an's Ende handeln.

Dann erscheint der Genius,

Dessen Fackel sinket,

Wie ein Engel, dessen Kuss

Uns zur Ruhe winket!

Quelle:
Elise Sommer: Gedichte, Frankfurt a.M. 1813, S. 188-190.
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