56. Goldene Gänse und Enten.

[63] Mündlich.


An verschiedenen Orten in Sachsen sitzen goldene Gänse oder Enten unter der Erde und brüten auf goldenen Eiern.

Solch eine Gans mit zehn, zwölf oder fünfzehn Eiern sitzt unter dem Petersberge bei Halle in dem jetzt verschütteten Gange, der von da nach Krosigk führte. In der Kirche auf dem Petersberge aber links vom Eingange steht die Bildsäule des heiligen Petrus, welcher der Arm fehlt. Mit diesem Arme wies sie nach der Stelle, wo die goldne Gans sitzt; doch weil der Arm abgebrochen ist, findet man den Platz nicht mehr. – Am Schlosse zu Mansfeld ist ein Nonnenkopf mit verbundenen Augen in Stein gehauen. Wer erräth wohin die Nonne unter der Binde sieht und in der Richtung die Erde aufgräbt findet eine goldne Gans mit zwölf goldnen Eiern, die im Schloßberge sitzt und dahin verwünscht ist. – Unter den Trümmern des Nonnenklosters bei Farnstädt saß eine goldne Gans mit sieben goldnen Eiern, die man[63] viele hundert Jahre vergeblich zu heben suchte, bis man einen Jesuiten kommen ließ, der ohne Sünde war und sie mit einer Wünschelruthe hob. Sie wurde den Grafen von Gleichen gebracht, denen der Grund gehörte, auf welchem das Kloster bei Farnstädt gestanden hatte. – Auch sitzt eine goldne Gans mit goldnen Eiern unter der Doppelkapelle in Landsberg.

Von der Morizburg in Halle führt ein unterirdischer Gang nach Giebichenstein, an dessen Ende eine goldne Ente mit drei goldnen Eiern sitzt. Doch wo der Gang ausmündet weiß man nicht; sonst wäre man dort schon längst hinab gestiegen und hätte sich den Schatz geholt: von Halle aus aber bis an das Ende des Ganges zu gehen hat noch Niemand vermocht, weil der Gang zu finster ist. Drei Hallorenweiber machten sich einst auf, die Ente zu suchen. Sie nahmen eine Lampe mit und banden am Eingang des unterirdischen Weges das Ende eines Knäuls an, den sie beim Fortgehen immer weiter abwickelten, um den Weg zurück zu finden. Als sie jedoch etwa den dritten Theil des Weges gegangen sein mochten, erlosch die Lampe, und sie mußten umkehren. Zum Andenken werden ihre Kamisole noch jetzt von den Halloren in der Sakristei der Morizkirche aufbewahrt. – Eine andre goldne Ente mit einem halben Schock goldner Eier sitzt unter dem Deichtenne in Sittichenbach bei Eisleben und eine dritte mit dreizehn Eiern unter einem Hügel in Gutenberg bei Halle.

Quelle:
Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1. Halle 1846, S. 63-64.
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