[Noth, angst vnd schmertzen vngestumb]

Noth, angst vnd schmertzen vngestumb,

Zu mir starck einher dringen:

Vmbgeben mich rings vmb, vnd vmb,

Mitt ihnen muß ich ringen.

Mein trewer Herr, mein frommer Gott,

Nicht wollest mich verlaßen:

Schaw Herr auff mich in meiner noth,

Mein leid ist ohne massen.
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Ich heule fast in schwerer pein,

Das heil ist weit noch hinden:

O Gott laß doch bald anders sein,

Vergiß nicht deiner kinden:

Weich nit von mir, zu diser frist,

Weil elend noch fürhanden,

Dan sonst ich keinen helffer wist,

Ich würde ja zu schanden.


Hilff mir, O Gott, auß diser flut,

Laß hulff vom himmel kommen

Groß wasser mich ergreiffen thut,

Hat vberhand genommen.

Wan ich zu dir nicht schreyen thet

Im tieffen schlam versuncken,

Ich schon verloren geben hett,

Vnd wär so gar erdruncken.


Von ruffen bin ich häiser sehr,

O Gott kom doch zur stunde

Bald, bald, ach bald, kan ja nicht mehr

Bald, bald, ich geh zu grunde

O o! O o! du frommer Gott!

O Gott, war schier mißlungen!

War eben zeit; war halber tod:

Die seel wär bald zersprungen.


Nun rettest mich mit deiner hand,

Vnd haltest noch bey leben,

Von oben hast mir hülff gesand;

Mag nun in hoffnung schweben.

O Gott, wer sich auff dich verlast,

Ist nie kein angst so schwinde,

Da nicht, wan er nur haltet fast,

Er endlich vberwinde.


Quelle:
Friedrich Spee: Sämtliche Schriften, Band 2, München 1968, S. 158-159,170-171.
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