Fünftes Kapitel.

[105] Eia, Eia!

Ostern ist da!

Fasten ist vorüber,

Das ist mir lieber;

Eier und Wecken

Viel besser schmecken!

Eia, Eia!

Ostern ist da!

Altd. Kinderlied zum Osterfeste.


Der Heilige Ostertag hatte sich einen schönen Schmuck von Sonnenschein und Wärme angelegt, allein an dem Abend desselben war glänzendere Helle, wenn gleich nur von Kerzenlicht, und eine viel angenehmere Wärme in den Stuben des adelichen Gesellenhauses Limpurg zu finden. Die Gemächer waren[105] geschmückt wie zu einer Hochzeit. Bunte Vorhänge waren an den Fenstern aufgemacht, allenthalben vielarmige Wand- und Deckenleuchter angebracht, und der Fußboden entweder mit gewürkten Teppichen belegt, oder mit weiß und rothem Sand bestreut, den man in allerlei seltsamen Figuren aufgeschüttet hatte. Auch die Tafel, an welcher heute recht viele der edeln Gesellen sammt ihren Frauen und Töchtern und Schwestern das abendliche Ostermahl begehen wollten, war herrlich hergerichtet in dem Saale, welcher der Schauplatz der Schmäuse und Geschlechtertänze zu seyn pflegte. Blendendweiße Tischtücher mit buntem Rande, die Ecken in zierliche Knoten geschlungen, bedeckten die Tafel, mit schimmerndem Geräth versehen, so wie der gegenüberstehende Kredenztisch mit prächtigen Gefäßen besetzt war. Die Becher der Gäste waren schon bekränzt mit den zum Fest gehörigen Maaslieben oder Osterblümchen, und voll angehäuften Zinnschüsseln mit bemalten Ostereiern standen hin und wieder auf Tisch und Schrein aufgepflanzt, um den hin und her wandelnden Herren und Frauen als eine kleine Ergötzlichkeit des Gaumens zu dienen, bis das Zeichen zum Mahle gegeben seyn würde. Der größre Theil der ungemein ansehnlichen Zahl von anwesenden Stubengenossen war im großen Vorgemache versammelt, um den mächtigen Ofen, dessen Flächen mit dem in Farben ausgeführten Wappen der Vaterstadt geschmückt waren, so wie die Wände umher mit der langen Reihe von Limpurgs Geschlechterwappen, mit den auf großen Pergamenttafeln geschriebnen Ordnungen der Ttrinkstube, dem[106] bedeutenden Namens-Verzeichniß von Meistern und Gesellen, und den Panieren der Gesellschaft. Plaudernd und schäckernd unterhielten sich die geputzten Gäste von dem, was der Tag gerade gebracht hatte. Die jüngern Anwesenden sprachen von Scherz und Liebe, zeigten sich gegenseitig die prachtvollen Ostereier, die sie empfangen, gesandt in zierlichen Körben, oder auf seidnen und duftenden Kissen, und mit den niedlichsten Sprüchen bemalt. Der zärtliche Freier benutzte das Dämmerdunkel des Ofenschattens, um der Geliebten das Geschenk wieder zum Geschenke zu machen, und einen süßen Blick dafür zu erhalten. Gespielinnen und Freunde bekränzten sich gegenseitig mit den Blumen, in welchen die Ostergeschenke gelegen, und mancher zärtliche Reimspruch ging von Munde zu Munde. Während dessen redeten die jungen Frauen von der Herrlichkeit der bevorstehenden Frühlingsfeste, die ältern von dem Barfüßer, der heute das wirksamste und ergötzlichste Ostergelächter erdacht, von der Deutschherrenkirche, in welcher das ansehnlichste Osterlicht zu schauen gewesen, und von dem Bäcker, der die schmackhaftesten Fladen zum Feste geliefert. Unter den Männern ging hingegen vom Wechsel und Gewerbe die Sprache, von Gerichten, Fehden und dem Concilium. Trotz diesen ganz verschiednen Redestoffen stand dennoch die Menge beisammen auf einem Knaul, als ob das Gespräch nur einen und denselben Gegendstand beträfe; zwei Herren allein hatten sich von der Versammlung abseits gezogen, und besprachen sich eifrig in einer Ecke des Gemachs: der Schultheiß und der Oberstrichter.[107] – »Ihr würdet mich zur ewigen Dankbarkeit verpflichten,« sagte der Letztere, das Gespräch zu Ende leitend, »wenn Ihr dem Jungen irgend einen Denkzettel anhängen wolltet. Ihr findet eher die Gelegenhenheit hiezu, denn ich. Mir dürfte er schwerlich in's Gehege kommen.« – »Ich denke, mir ist er schon in's Gehege gerathen;« entgegnete der Schultheiß finster: »seyd unbesorgt, ehrbarer Herr; was man sucht, findet sich wohl; ich bin vielleicht sogar bald im Stande, Euch über wichtigere Dinge Aufschluß zu geben, denn ich vermuthe nicht mit Ungrund, daß in jenem Hause gewisse Verhältnisse obwalten, die bis jetzt gut gethan haben, sich mit dem Schleier des Geheimnisses zu verhüllen.« – »Meint Ihr, gestrenger Herr?« fragte der Oberstrichter schnell: »Das wäre Wasser auf meine Mühle, und wenn die Dinge von der Art wären, mein Amt zu beschäftigen, .... um desto besser.« – »Ich verspreche noch nichts;« antwortete der Schultheiß einlenkend: »ich weiß von nichts. Die Zeit wird lehren, wie ich mich zu verhalten haben werde.« – Der Andre bückte sich mit der Freundlichkeit, die willig vor dem Mächtigern verstummt, und ihre Neugier in den Zaum nimmt. Das Stubenmeisteramt, das der Schultheiß bekleidete, machte ihm die nächsten Anordnungen der Tafel zur Pflicht, und als Alles besorgt war, und er schon mit dem silbernen Stabe in das Gemach schreiten wollte, um der harrenden Gesellschaft das Zeichen zum Mahle zu geben, kam ihm der Altbürger Diether Frosch hastig entgegen und zog ihn in das Tafelzimmer zurück. – Der[108] Schultheiß erröthete leicht bei diesem unverhofften Zusammentreffen, faßte sich jedoch bald wieder, und sprach: »Willkommen, mein wackrer Schöff! Sehnlichst haben wir Eurer gewartet. Und Eure Ehefrau .... Ihr habt sie doch mit Euch gebracht, darf ich hoffen?« – »Mit nichten, Herr;« versetzte Diether: »Doch zweierlei Botschaft bringe ich, die Frau Margarethen angeht, und von der ich auch reden muß, ehe Ihr zu Tische sitzt. Ihr habt neulich eine Rose in meinem Hause zurückgelassen, .. ein feines Kleinod, und viel zu kostbar für meine Wirthin, die es Euch durch mich zurückstellen läßt. Ferner habt Ihr die Güte gehabt, heute Morgen Euern Buben in mein Haus zu senden, der ein blankes Körblein trug, mit diesem silbernen Granatapfel, angefüllt von wohlriechender Essenz, und verziert mit einem Minnespruch. Der alte Diether, der, wie alle Sechziger, wenig schläft, und früh das Lager verläßt, fand den Buben, der an Frau Margarethens Thüre harrte, und nahm ihm das zarte Geschenk ab. Er bringt Euch nun Beides wieder: die Rose von Gold, den Apfel von Silber, mit der Bitte, seinen kleinen Hausstand mit solcher Freigebigkeit ferner nicht zu beschämen. Sein Haus war stets ein Wohnsitz der Zucht und Ehrbarkeit, und wird und soll es ferner bleiben, wozu Gott helfe!« –

Der Schultheiß, der schon vorausgesehen, was des Alten grämliche Miene verkündete, nahm heftig die Kleinodien aus Diether's Hand, und sagte halblaut zu dem Schöffen: »Ihr habt recht gut die Zeit gewählt, mich zu beleidigen, denn rings um uns wandeln[109] Leute hin und her, die mit ihren Falkenblicken in Eurem zornigen Antlitz zu lesen verstehen. Ihr mögt indessen Eurem Ehgemahl berichten, daß Versehen und Irrthum nur dieß Geschenke, für andre, geschätzte Freundinnen bestimmt, in ihren Bereich gebracht, und daß ich mich zu hoch dünke, an dem Honig zu naschen, in welchem ein alterschwacher Thor, und ein lasterhafter Stiefsohn geschwelgt.« – »Seyd übrigens versöhnt, guter Schöffe,« setzte er mit dem freundlichsten Lächeln hinzu, um die neugierigen Gaffer irre zu führen, – »daß ich Euch den heutigen Abend nach Kräften gedenken werde.« – Diese Worte, mit welchen der Ritter dem Altbürger den Rücken kehrte, demüthigten Margarethens Gatten um so empfindlicher, je stolzer er in dem Gefühle seines Rechts und des vom Schultheißen beabsichtigten Unrechts gewesen war. Dürr ausgesprochen, schonungslos herausgesagt, hatte er nur den Verdacht gehört, den er schon längst im stillen Herzen bewahrt, und von Empörung und Schaam zugleich bedrängt, wollte er die Trinkstube verlassen, als der Schultheiß an der Spitze der Paarweisgehenden Gäste wieder eintrat, und ihn so vertraulich unter dem Arme nahm, als wäre niemals etwas zwischen ihnen vorgefallen. – »Biedrer und ehrsamer Freund,« sprach der gestrenge Herr mit lauter Stimme und freundlicher Geberde, daß alle Umstehende seine Worte vernehmen mußten: »es ist schon lange her, seit Euer Unfall Euch hinderte an unserm geselligen Mahle Theil zu nehmen. Da Ihr nun gewissermaßen heute auch das Fest der Auferstehung feiert, so beliebe es Euch, hier zwischen[110] den Stühlen der Stubenmeister, und an meiner Seite Platz zu nehmen. Wir haben oft zusammengesessen im Rathe, zusammen gestritten im Felde; laßt uns nach geraumer Zeit wieder zusammen tafeln.« – Ehe noch der greise Diether ein Wort des Widerstrebens zu finden vermochte, hatten ihn schon die übrigen Stubenmeister zu einem Sessel geführt, und ihn mit freundschaftlicher Gewalt genöthigt, sich darauf niederzulassen. Die übrigen Tafelgenossen reihten sich nach Rang und Würden um den Tisch, und hinter den Stühlen der Frauen und Töchter sammelten sich die jungen Männer, die entweder zu spät gekommen waren, um einen Sitz zu finden, oder deren Lebhaftigkeit es vorzog, sich an keinen Ort binden zu lassen. Sie stellten sich entweder gleich wie Edelknechte, bereit, auf den ersten Wink der Dame von dannen zu fliegen, und auszurichten, was sie befohlen, oder sie kauerten und knieten nieder auf gepolsterten Schemeln, um ihren Bräuten, Liebchen oder Freundinnen kurzweilige Reden und zärtlich Geflüster in die Ohren zu wispern. Nach und nach sammelte sich jedoch der große Schwarm um das untere Ende der Tafel, wo ein junger Mann in feiner Kleidung das Wort führte, und allerlei lustige Sprüche und Fündlein an die Reihe kommen ließ. Der fröhliche Erzähler war Dagobert, der erst vor Kurzem eingetreten und seinen Standpunkt hinter dem Lehnstuhle der Frau von Dürningen genommen, einer Adelichen aus der Gegend von Friedberg, die, nur zum Besuch, über das Fest nach Frankreich gekommen war. Mit ihr, der freundlich und[111] gemüthlich gestimmten Wittib in dem besten Alter, und mit ihrer Tochter, einem gar muntern und lieblichen Mägdlein von vierzehn Jahren höchstens, beschäftigte sich Dagobert vorzüglich, da, den trocknen Vetter der Dame ausgenommen, beinahe niemand der Anwesenden ein Wort an die Fremden richtete. Die Mutter wußte den Liebesdienst des ehrlichen Junkers zu schätzen, und hörte seinem Gespräche gern zu; mit größrer Theilnahme jedoch die holde Regina, welche den hellen Blick kaum von des angenehmen Gesellschafters Lippen verwendete, lächelnd seinen Worten mit dem lauschenden Ohre folgte, und züchtig erröthete, so oft seine Augen auf ihrem Antlitz verweilten. Der schelmische Jüngling schien es nicht zu bemerken, und machte sich ein Vergnügen daraus, seine Scherze fast immer an das Mädchen selbst zu richten, und dadurch die umstehenden Junggesellen schier eifersüchtig zu machen. »Vergönnt mir,« sprach er unter anderm: »vergönnt mir Euer Ritter zu seyn, holde Jungfrau aus der Fremde! Nennt mir Eure Farbe, damit ich sie trage zum Zeichen, daß ich der Eurige bin.« – »Unsers Wappens Farbe ist blau und Silber und grün,« erwiederte das Mädchen unbefangen: »ich selbst jedoch, nicht wahr, Mutter? ich habe noch keine Farbe, mit der ich Euch zieren könnte.« – Die Mutter nickte lächelnd. »Das ist schlimm!« scherzte Dagobert: »So werdet Ihr mir mindestens erlauben, Euch dies Osterei zu überreichen, mit dem Spruch, den ich mir dabei denke?« – »Und dieser ist?« fragte Regina neugierig. – »Er lautet ganz einfach;« versetzte Dagobert: »Ich wünsche,[112] Liebchen, froh und frei, mich Dir, Dich mir zum Osterei.« »Ei wie schön!« rief Regina, von einer strahlenden Röthe übergossen; die Mutter streichelte ihr aber die glühende Stirn und das goldne gescheitelte Haar, und sagte mit scherzhaftem Vorwurf: »Nicht doch, junger Herr! Euer höfelndes Gerede macht die Dirne eitel.« – »Warum sollte sie auch nicht eitel seyn?« fragte Dagobert lustig entgegen: »Hat sie doch schon in der Taufe die Vollmacht und das Recht erhalten, eitel und stolz herabzusehen auf uns Übrige? Was bedeutet denn Regina anders als eine Königin? Und wenn diese kleine Königin be stimmt ist, Hunderte zu beherrschen durch die Macht ihrer Holdseligkeit, .. warum nicht auch mein Herz, eines der Empfänglichsten?« –

»Diese glatten Reden voll Muthwillen passen wenig zu dem geistlichen Stande, dem Ihr bestimmt seyd, junger Herr!« warf der Vetter der Frau von Dürningen, ein hagrer, aller Lust feindseliger Patrizier von steifsten Schrot und Korn ein. Diether's Sohn schaute ihn groß an, und erwiederte: »Lieber Herr, das mache ich mit meinem Gewissen aus. Wollt mir das gütig erlauben. Habt Ihr mir keinen Spruch entgegen zu schenken?« fuhr er fort, sich lächelnd an Reginen wendend. »O ja,« entgegnete die Dirne geschwätzig: »hört nur zu, ob ich mich recht darauf besinne; ich, Du, das Ei, das sind unser drei. Theilen wir das Ei, bleiben unser zwei.« – Das Mädchen schwieg, als ob der Spruch zu Ende sey. Dagobert lachte. »Man kann den überlästigsten Freier nicht besser abfertigen!« betheuerte er: »Ihr habt[113] aber den Schluß des Reims vergessen, schöne Maid. Er schließt also: Einen wie uns zwei, bleibts bei Einerlei. Oder nicht?« – »Bleibts bei Einerlei!« wiederholte halb ernstlich, halb schalkhaft das Fräulein mit einer lustigen Verneigung, und ein fröhlich Gelächter erscholl aus dem Munde der Umstehenden, während des Oberstrichters Sohn, der ausschweifende Jungherr Schweikard, der nach dem eiteln Ruhme geizte, über all der einzig gefeierte Lustigmacher zu seyn, mit mißmuthiger Geberde dem Beifall entfloh, der einem andern zu Theile wurde, und seinem Vater einige Worte in's Ohr raunte. Dieser nickte beifällig, und wandte sich heimlich flüsternd an den unsern sitzenden Schultheiß. Die Beiden wechselten viele und schnelle Worte, mit drohenden Blicken bald auf den, jetzt erst bemerkten Dagobert hinzielend, bald auf dessen Vater, der schon längst wie auf Kohlen neben dem Schultheiß saß, aber der Schicklichkeit halber, dem Bürgermeister, der auf der andern Seite sein Nachbar war, und ihn in Fluthen von Erzählungen längst vergeßner Begebenheiten vertiefte, zuhören mußte. Dem Altbürger war es klar, daß der Schultheiß mit seiner überraschenden Freundlichkeit und vorhergegangnen Schimpf, nur bezwecke, vor der Gesellschaft den Zwist sammt dessen Ursache zu verbergen, oder ihm eine noch empfindlichere Beleidigung zufügen zu können. Daher konnte ihm kein Bissen schmecken, kein Tropfen munden, und ihm war es sehr willkommen, als der Stubendiener ihn benachrichtigte, im Vorgemach harre ein Knecht, der ihm Wichtiges zu verkünden habe. Er stand schnell[114] auf; indessen erschien aber auch bereits der Hausmeister und rief mit vollen Backen; »Ihr werdet Euch wundern, ehrsamer Herr Frosch. Das Unglück .... mir selbst zittern alle Glieder!« – »Nun, was gibt's?« fragte der Schultheiß mit schadenfroher Ahnung, während der Bürgermeister den erschrocknen Diether wieder auf den Stuhl niederzog. – »Eure Tochter, das tugendbelobte Fräulein Wallrade« .... – stammelte der Schwätzer ferner.

»Meine Tochter?« entgegnete Diether mit erlöschender Stimme. – »Sie ist in's Unglück gerathen, da sie eine Stunde Feldwegs von Wiesbaden gekommen!« platzte der Hausmeister heraus: »Die Herren vom Stegreif, welche dort und hier die Landstraßen unsicher machen, haben sie aufgefangen, und, Gott weiß in welches ihrer Raubnester gebracht. Erst gestern wurden ihre Leute freigelassen und mit verbundnen Augen in der Nacht an einem Kreuzwege ausgesetzt, wenig Stunden von hier, unfern auch von dem Gebirge. Knecht und Zofe haben die erschreckliche Kunde mitgebracht, und Eure Hausfrau fordert Eure Heimkehr, Herr!« – »Gleich, gleich,« stotterte Diether halb außer sich, und nach Mantel und Piret rufend, welches ihm der Stubendiener zögernd und faul herbeibrachte. Indessen ging die Nachricht schnell um die ganze Tafel, und Dagobert sprang ebenfalls auf, um dem Vater zu folgen, der sich gerade der Thüre näherte, als der Schultheiß zu dem Bürgermeister laut genug sagte: »Wie könnt Ihr nur eine Frage verschwenden nach dem Thäter, wohlweiser Herr? Wie die Sachen in jenem Hause stehen,[115] ist mir nicht fremd. Man muß wissen, daß die Stiefmutter und der eigne Bruder die arme Schwester stets verfolgten, und daß der Erstern leiblicher Bruder ein weitberüchtiger Buschklepper ist, der im Stadtbann wie im Kirchenbann liegt, um den ganzen Handel begreifen zu können.« – Diether horchte hoch auf; schleuderte dann einen vernichtenden Blick auf seinen Sohn, und rannte ungestüm aus der Thüre. Dagobert, den Groll des Vaters übersehend, trat jedoch festen Schritts und schnell auf den Schultheißen zu, und sagte mit Gewicht: »Wie mögt Ihr nur, edler Herr, solch unüberlegt Wort in offner Gesellschaft meinem Vater und mir zum Gehöre reden? Wie mögt Ihr meine Stiefmutter beschimpfen, die des Leuenberger's sittenlosen, übeln Wandel nicht theilt, sondern stets ein Muster von Rechtschaffenheit für die ganze Stadt gewesen?« –

Der Ritter maß den Jüngling, auf den sich alle Blicke richteten, vom Kopf bis zu den Füßen, und verzog höhnisch den Mund. »Wenn ich auch sehr gut begreife,« sprach er, »wie es kommt, daß hier der Stiefsohn für die Stiefmutter so heftig Partei nimmt, so möchte ich das Recht wohl kennen, das Euch zusteht, mich zur Rede zu setzen? Ich muß Euch auffordern, vorlauter Mensch, zu schweigen, wenn ich nicht reden soll.« – »Frei heraus:« entgegnete Dagobert, in welchem das vom Schultheiß gegen Esther beabsichtigte Unbill die Flamme schürte: »Frei heraus! Ich habe schon gesehen, daß ihr scheel auf mich schaut. Vielleicht erfahre ich jetzt, warum. Doch rathe ich Euch, jede Schmähung gegen Vater oder Mutter[116] unterwegs zu lassen, soll ich nicht vergessen ...« – »Mäßigt Euch!« flüsterten ihm mehrere theilnehmende Freunde zu, und ein begütigender Blick von der Frau von Dürningen machte ihn schweigen. – »Ihr habt Euch schon vergessen;« braußte der Schultheiß auf; »doch soll man nicht sagen, als wollte ich vergelten, was der Jugend Thorheit, oder der Trunk aus Euch spricht; als Ritter und als Schultheiß vergebe ich Eure rohe Unart. Aber als Stubenmeister dieser löblichen und reinadelichen Gesellschaft habe ich ein Wort zu Euch zu sprechen, das früher schon gefallen wäre, hätte ich früher Eure Anwesenheit bemerken, oder Euern Vater nicht schonen wollen. Warum, junger, unbesonnener Gesell, erfordern unsre Ordnungen acht Ohrenschilder zur Aufnahme in die Genossenschaft? Damit nur reinadeliche Gesinnung in diesem Kreise herrsche. Wer gegen Sitte, Zucht und Biederkeit handelt, was schlechter Gesellschaft plegt, zum Abschaum des Pöbels herniedersteigt, und mit Rohheit den Adel und die Würde schmäht, wird aus diesem Haus gewiesen, und also thue ich Euch.« – »Mir?« fuhr Dagobert auf, und rings ward es stumm. – »Euch!« wiederholte der Schultheiß mit der zu Boden schlagenden Hohheit, die ihm zu Zeiten eigen war: »Denkt des gestrigen Tags, und fragt Euch selbst, ob Ihr ferner würdig seyd, auf diesem Boden zu stehen. Wer mit Juden, Mördern und Dieben verkehrt, sie gegen die öffentliche Gewalt in Schutz nimmt, den Richter in seinem Amte lästert und bedroht, wer sich nicht schämt, an den unehrlichen Stöcker auf offner Gasse Hand zu legen, um das[117] Gesindel zu befreien, .. der stehe nicht mehr unter uns, nicht heut, nicht morgen und nimmer. Dort ist die Thüre. Geht!« –

»Um aller Heiligen willen! was ist vorgefallen?« fragten die meisten aus der Versammlung, und zur Antwort flog die Erzählung des Vorfalls gestrigen Tags, entstellt, vergrößert und gehässig gemacht, rings umher, von dem Oberstrichter, seinem Sohne und des Schultheißen Neffen verbreitet. Die Dagobert Zunächststehenden wichen um mehrere Schritte zurück, denn der Angeklagte hatte ja mit Juden zu thun gehabt, und den Nachrichter berührt, war vielleicht von dem letztern wieder berührt worden. Die Frauen, die am längsten für ihn Theilnahme gehegt, rümpften, da sie von der Judendirne hörten, höhnisch die Nase. Die Frau von Dürningen mit ihrer Tochter sah scheu und befangen, obwohl nicht zürnend nach dem Jüngling. So sehr indessen Mehrere auf des Schultheißen rücksichtslose Schmachrede einen heftigen Ausbruch von Dagobert's Wuth befürchteten, den wieder andre, der Folgen wegen, wünschten, so sehr hatten sich diese geirrt. Die letzten Worte des Stubenmeisters hatten eine himmlische Ruhe über das Antlitz des Beleidigten verbreitet. – »Ich dachte bis jetzo unter gefühlvollen Menschen zu stehen;« erwiederte er, sich ernst umschauend: »doch hab' ich mich geirrt. Es ist wohl keiner unter all' diesen edeln Herren, der nicht sein Geld verschwendete, um einem lahmen Pferde wieder auf die Beine zu helfen; keine unter all' diesen Frauen, die nicht ihr Herz zerrissen fühlte, sähe sie[118] ihren Schooßhund in Gefahr. Doch sprechen sie über mich das Urtheil, weil ich mit den erbarmenswerthesten Menschen Mitleid fühlte; weil ich eine Grausamkeit abwehrte, die nur in dem traurigsten Verfolgungsgeist, nicht im Richteramte ihren Grund findet. In Gottesnamen denn; ich wußte nicht, daß Juden weniger als Hunde und Gäule sind, und diese Lehre ist der Verweisung aus diesem Hause wohl werth. Ich gehe mit Freuden, und thue dieses ohne Groll, denn ich erzähle nicht einmal den ehrsamen Anwesenden, was zwischen dem gestrengen Herrn Schultheiß und dem schlechten Judenarzt Joseph abgeredet worden ist.« – Mit einem mitleidigen Blicke streifte er noch einmal alle Umstehenden, besonders den höhnisch lächelnden Oberstrichter und den verlegnen Schultheiß, gürtete langsam seinen Stoßdegen um, band das Piret unterm Kinn fest, und verließ ohne irgend ein Zeichen des Lebewohls, wie ein im Rückzuge noch furchtbarer Feind, das Tafelzimmer. Sein Scheiden war das Zeichen zu offnem Zwiste in der Gesellschaft. Manche, mit dem Geschlechte der Frosche theils befreundet, theils verschwägert und verbunden, erkühnten sich, dem Stubenmeister Vorwürfe über sein hartes Benehmen gegen den Sohn eines angesehenen Altbürgers und Schöffen zu machen. Ohne Dagobert's Schuld an dem Vorfalle in der Judengasse vertheidigen zu wollen, theils von Vorurtheile befangen, theils zu muthlos, um gegen die Vorurtheile Andrer anzukämpfen, sprachen sie von dem zahlreichen Anhange Diether's, der sich in seinem Sohne schwer beleidigt sehen würde; von der[119] Rache, die wohl auf eine oder die andre Weise nachfolgen dürfte. Die Widersacher bestritten hingegen verächtlich alle Mahnungen, verlachten jede Drohung, und gedachten des Ausgewiesenen und seines Vaters mit den ehrenrührigsten Beinamen. »Sie mögen versuchen, wie weit ihre Ohnmacht reicht;« rief der Schultheiß: »ich habe meine Pflicht gethan, und werde als Stubenmeister wie als Schultheiß mein Recht behaupten.« – »Für rebellische Bürger gibt es noch Thürme!« drohte der Oberstrichter. – »Was ist hier auch viel zu scheuen?« lachte des Schultheißen Neffe: »Dagobert's Wandel auf dem Concil ist stadtbekannt, sein Leumund nicht ehrenvoll.« – »Der verruchte Mensch will nicht einmal der Mutter Gelübde erfüllen, und Pfaffe werden!« klagte der Vetter der Frau von Dürningen mit heuchlerischer Miene. – »Wohl uns, wenn der lüderliche Pickelhäring sich nicht mehr in adliger Gesellschaft zeigen darf;« schrie des Oberstrichters Sohn, und der Schultheiß fügte, wie mit prophetischer Zuversicht hinzu: »Es dürften vielleicht bald ganz andre Dinge von dem Hause der Frosche zur Sprache kommen!« – Die dem geschmähten Geschlechte Anhängenden brachen schmollend und zürnend auf; die Freuden des Festes waren gestört, und aus der fröhlichen Ostertafel eine gallige Gasterei geworden, an welcher Feindseligkeit und Haß ihr Panier aufsteckten. –

Verachtung gegen seine Feinde, aber auch ein ruhiges Bewußtseyn im Herzen, hatte Dagobert sein väterlich Haus wiedergefunden. Vollbrecht öffnete ihm die Thüre. »Wo ist mein Vater?« fragte er den[120] Knecht. – »Der gestrenge Herr hat sich durch den Peter zum Stadthauptmann leuchten lassen, um ihm die Anzeige von dem Raube zu machen.« – »Gut;« versetzte Dagobert: »Die zurückgekommenen Leute meiner Schwester?« – »Sie schlafen schon in wohlverriegelten Stuben,« berichtete Vollbrecht: »denn die ehrsame Frau meinte, sie könnten wohl selbst allenfalls das arme Fräulein getödtet, oder an einen Räuber verkauft haben.« – »Möglich wär es allerdings;« erwiederte Dagobert: »ich will morgen die Leute sprechen. Gib mir die Kerze, und warte indessen auf den Vater.« – Dem wie aus dem Himmel herabgefallnen Bubenstück nachsinnend, stieg Dagobert die Treppe empor, und kam eben an Frau Margarethens Gemache vorüber, als dessen Thüre sich leise öffnete, und der Altbürgerin Stimme ein leises: »Junker Dagobert! seyd Ihr's?« daraus vernehmen ließ. – »Ja freilich ehrsame Frau;« antwortete der junge Mann: »Behüt' Euch Gott und segne Euern Schlaf.« – »O bleibt,« flüsterte Margarethe, mit der weißen Hand aus dem Halbdunkel, hervorwinkend: »laßt mich den Augenblick benutzen und tretet bei mir ein.« – Dagobert stutzte, und Margarethens frühere unverholne Leidenschaft für ihn, und auch zugleich etwas von des ägyptischen Josephs Geschichte fiel ihm ein. Er zögerte. – »Um der göttlichen Barmherzigkeit willen!« seufzte die Stiefmutter dringend: »Einen Augenblick nur hört mich an. Fürchtet nichts, mein lieber Sohn!« – Die Bitte klang so rührend, daß Dagobert ferner kein Bedenken trug, einzutreten in das warme trauliche[121] Gemach, in welchem, beim halben Schimmer einer verdeckten Lampe, die schöne Margarethe im tiefen Nachtgewande ihn empfing. Sein Herz pochte, seine Hand zitterte in der ihrigen, aber besonnener als sie, zog er den Schirm von der Lampe, und fühlte eine Art von Beruhigung, da er in kein von lüsternem Verlangen erregtes Gesicht, sondern in ein Antlitz voll Kummer und Gram, in thränenvolle Augen sah. – »Was begehrt Ihr?« fragte er sanft und mitleidig die weinende Frau: »Ich bin bereit mit Wille und That; nur einen Rath verlangt nicht, denn ich bin gerade in einer ganz besondern Stimmung, wo mir Alles bunt durch den Kopf geht.« – »Ich bin gränzenlos unglücklich!« brach Margarethe unter bittern Thränen aus, und sank auf einen Stuhl: »Ich bin ein armes Weib, nicht fehlerfrei, aber so entsetzlich sollt' ich doch nicht für meine unschweren Vergehen büßen!« – »Der Gedanke und der Wunsch nach einem Fehltritt macht ihn oft zur Folter, als sey er schon vollbracht,« meinte Dagobert; doch bereute er schnell den Stachel seines Worts, und setzte hinzu: »redet, und gebe Gott, daß ich helfen könne.« – »Mein Herr, Euer Vater war hier;« sprach Margarethe in kurzen Absätzen. – »Er hat unmenschlich gegen mich gewüthet. Argwohn und Grimm theilen sich in seine Seele. Unbezweifelt scheint es ihm, daß mein Bruder Wallraden aufgefangen, und daß ich die Anstifterin des Frevels gewesen. Ich kann bei dem ewigen Gott beschwören, daß ich unschuldig bin, aber Herr Diether glaubt meinen Schwüren nicht. Wie soll ich ihn überzeugen? Sprecht; Ihr könnt[122] mir Euern Rath nicht verweigern, noch Eure Hülfe; denn auch Euch verwickelt der Argwohn in seinen Verdacht. Er glaubt ein Verständniß zwischen uns beiden wahrzunehmen.« – »Ein schönes Vertrauen in Gattin und Sohn!« erwiederte Dagobert aufwallend: »Uns traut er einen Bund von dieser Schändlichkeit zu? Wir sollten einen Menschen, unsre Verwandte an Räuber verkauft, wohl gar aus dem Wege geräumt haben? Der Vater hat sich sehr geändert. Aber Ihr habt Recht, arme Stiefmutter. Wer nicht glauben will, muß die Überzeugung in der Hand sehen. Um Euern Ruf und den meinigen zu retten, setze ich mich morgen zu Pferde, und reite in der Welt herum, bis ich die Spur des Unkrauts gefunden.« – »Ihr seyd ein wackrer edler Mensch!« sagte Margarethe mit auflebender Hoffnung, seine Hand in ihre gefalteten nehmend: »Seyd Ihr mein Hort, wenn mich die ganze Welt verläßt, ... dann fürchte ich nichts. Guter Dagobert;« fuhr sie mit dem Ausdruck verschämter Dankbarkeit fort: »leider kann ich noch nicht so offen gegen Euch seyn, als ich es sollte, denn Ihr seyd unfähig, mich zu verrathen und unglücklicher zu machen, als ich schon bin. Indessen, kehrt Ihr zurück, so sollt Ihr mehr erfahren, von dem Ihr Euch nicht träumen laßt; und dann beklagt mich vollends, und flucht mir nicht.« – »Ich verstehe Euch nicht;« entgegnete Dagobert unbefangen: »ich hoffe auch nicht, jemals aus Euerm Munde etwas Fluchwerthes zu erfahren; aber bei dieser Gelegenheit entsinne ich mich plötzlich eines Auftrags, den ich von guter Hand erhalten, und dessen ich mich[123] gegen Euch entledigen muß, bevor ich ausreite, lieb Schwesterlein zu suchen. Der arme Jude Ben David, der unter der Anklage unerhörter Verbrechen im Kerker jammert mit seinem hundertjährigen Vater, läßt Euch dringend um Hülfe anflehen.«

Margarethe erblaßte. – »Es sey die höchste Zeit, läßt er Euch vermelden,« fuhr Dagobert fort: »die Folter sey ihm schon angedroht, und er würde sie am Ende nicht aushalten können. Ihr möchtet also, da er von Euch allein Hülfe erwarten könne, damit nicht säumen, und seiner Ergebenheit gewiß seyn.« – »Nicht säumen!« wiederholte Margarethe langsam und erschöpft: »Dieses setzt meinem Elend die Krone auf. Wie soll ich ihn, wie mich retten?« setzte sie händeringend und außer sich hinzu. – »Beruhigt Euch,« sprach Dagobert tröstend: »Euch rette ich vom schmählichen Verdacht, und einer Fürbitte ist der arme Jude wohl werth. Die Schöffen werden über den Elenden richten, und ein gutes Wort an den Vater ist wohl nur mit dem Ansuchen gemeint. Schlägt's der Vater ab, so habt Ihr Menschenpflicht gethan, und könnt ruhig seyn.« – »Ruhig?« rief Margarethe wie in Verzweiflung: »Ich muß den Juden retten .... bald retten, oder ich bin verloren! Dagobert! Edler Mensch! Mann, den ich leidenschaftlich liebte, den ich noch verehre wie einen Heiligen! nimm Dich meiner an. Es streitet wider Dein eignes Recht, aber ... rette den Juden, rette mich! Das Schicksal droht mein Verhängniß mit Füßen zu treten, wie das des Kindes, das in jener Kammer schläft.« – »Johann's?« fragte Dagobert bestürzt:[124] »Ehrsame Frau! Der Himmel behüte Eure Vernunft. Ihr redet irre!« – »O nein, nein!« schluchzte Margarethe: »Euch allein und dem Himmel befehle ich mein und des Knaben Loos! O, dieser Knabe ... er hat keinen Vater .... Dagobert! nehmt Euch seiner an! Werdet Ihr des Knaben Vater!«

Dagobert trat erschrocken zurück, als die Frau ihm zu Füßen sank, und wie vernichtet die Hände vor das Gesicht schlug, da Dieter, heimkehrend, plötzlich in das Zimmer trat. Entsetzt blieb der Greis am Eingang stehen, und Dagobert eilte, nachdem er die Stiefmutter aufgehoben und in den Sessel gebracht, auf ihn zu: »Liebster Vater!« rief er, ohne in seiner Seele nur eine Ahnung von dem bösen Schein zu haben, den dieses späte und seltsame Beisammenseyn auf ihn und Margarethen warf: »Ihr kommt zu rechter Zeit. Nehmt die Mutter in Euern Schutz. Ihr Verstand leidet unter dem Argwohn, den Ihr auf sie geworfen. Mich schmerzt es, daß Ihr auch mir mißtraut. Doch, Euch zu überführen, verlaß ich Morgen mit dem Frühsten die Stadt, um Wallraden aufzusuchen, und ohne sie kehre ich nicht wieder. Vergönnt mir nur, ihren Knecht mit mir zu nehmen, denn sein bedarf ich, und versprecht mir, gegen den Schultheiß, der mich heut auf's gröblichste beleidigte, meine Sache zu führen bis zu meiner Heimkehr, damit der Ritter und sein Gelichter nicht glauben, daß ich aus Feigheit oder Beschämung ihnen ausgewichen.« – Diether schwieg eine lange Weile hindurch, den finstern Blick zur Erde geheftet. Dann sprach er kurz: »Ich werde allezeit meines[125] Hauses Ehre zu bewahren wissen. Mache was Du willst. Du thust aber Recht, wenn Du nicht ferner weilst.« – Dagobert sah ihn groß an; um aber des Vaters Grimm nicht zu reizen, ging er still davon. Diether starrte wild zum Himmel auf. »Die Gewißheit ist da, die ich erbeten!« grollte er dumpf in sich hinein; dann fügte er, zu der Frau gewendet, hinzu: »Beschämt stand ich vor meinem Sohne, nachdem ich Eure Worte gehört. Es kann also ferner nicht zwischen uns bleiben, wie bisher. Ich hasse das Aufsehen und die Lästerungen; befehle Euch jedoch, Eure Stuben nicht zu verlassen, und weder mit noch ohne den Knaben einen Versuch zu machen, bis zu mir zu dringen. Ich will Euch ferner nicht mehr sehen, und in Stille und Ruhe überlegen, wie ich, ohne Euch vor der Welt zu Schanden zu machen, noch mich herabzuwürdigen, Euer Geschick bestimmen möge.« – Dies sagend kehrte er der in Schmerz und Angst aufgelösten Gattin unerbittlich den Rücken und verschloß sich in seinem Gemache.

Quelle:
Carl Spindler: Der Jude. 3 Bände, Band 2, Stuttgart 1827, S. 105-126.
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