Träume

[190] Träume der blassen und umglühten Stunden

sinkt wieder ihr in lindem Abendwehn

aus goldgenetzter Wolken dunklem Schoß

wie Sommerregen duftend auf mein Land?


Ihr locktet früh das Kind zu Zaubergärten

verwunschnen Schlössern stillen grünen Seen

und brauner Wurzel quoll aus trübem Schacht

gehöhlter Felsen unermeßnes Gold.


Dann gingt ihr hin und euer leichtes Bild

zerfloß und zitterte nur traumhaft fern

wie leuchtend durch die Nächte warmer Schein

in dämmerweichen Sommerlüften hängt.


Nun tönt mir eure Stimme süß vertraut

wie einem Kind das sich im Wald verlor

der Glocken Läuten still vom Abendwind

durch welken Glanz der Tale hingeweht.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 190-191.
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