Dunkle Fahrt

[196] Die alten Brunnen rauschten wie im Traum

durch fernen Hall vertrauter Abendglocken

und flossen weich ins Dunkel das den Duft

nachtschwüler Gärten die ich spät durchwandert

still atmend trug. Nun tut sich dämmernd auf

vom schwanken Frühlicht hingetürmt umwölbt

von Felsenstürzen purpurtiefen Schluchten

der letzten Fahrten letzte Ruhestatt:

Mit schwarzem Strom die goldig dunkle Trift.


Die kalten Eisenstufen schreit ich leicht

die leise klirrenden ins Tal daraus

nicht Rückkehr ist. Nun bette mich

in blauen Schatten blütenloses Land

traumstarre Flut!


Schon rührt dein schwerer Hauch

mich schauernd an. Schon überweht ein Glanz

mich Trunknen hell wie einer Gottheit Bild

aus blitzendem Gewölk. Schon trübt und wirrt

des Lebens Spiegel fern sich wie ein Traum

der flatternd zwischen Tag und Dämmer lischt.

Quelle:
Ernst Stadler: Dichtungen, Band 2, Hamburg o.J. [1954], S. 196-197.
Lizenz:
Kategorien: