Vierzehnter Auftritt.

[99] Stößel. Sturmwalds Stimme im Zimmer links.


STÖßEL. Die Wache wird gleich kommen. Er sieht die Sachen auf dem Boden. Was ist denn das?

STURMWALD im Zimmer links. Herr Stößel! Hölle und Teufel!

STÖßEL. Ich weiß nicht – das ist ja doch des Hauptmanns Stimme?

STURMWALD wie vorher. Frau Stößel!

STÖßEL ängstlich. Ich zittre! Wie geht das zu? Sollte der Hauptmann doppelt sein?

STURMWALD wie vorher. Aufgemacht! Er rüttelt an der Thür.

STÖßEL an der Thür links rufend. Wer ist denn da drin?

STURMWALD wie vorher. Ich, der Hauptmann Sturmwald, Ihr zukünftiger Schwiegersohn.

STÖßEL. Gott steh' mir bei, er ist's wahrhaftig!

STURMWALD wie vorher. So machen Sie doch auf!

STÖßEL ängstlich. Gleich, gleich! Er schließt auf und läßt Sturmwald heraus.

Sturmwald hinkt ohne Rock und Weste von links heraus, den kurzen Fuß auf einen Stuhl stützend, an Stößel vorbei, nach rechts sich bewegend.


STÖßEL prallt zurück. Alle guten Geister!

STURMWALD. Was ist das für eine Art, mich in das verdammte Loch da zu sperren!

STÖßEL. Mein Laboratorium – ein verdammtes Loch! Er läuft hin und sieht hinein. O Paracelsus! Der Sitz meiner Geheimnisse profaniert! Herr, wie sind Sie da hineingekommen?

STURMWALD. Zum Teufel, das müssen Sie wissen. Ich weiß nichts davon.

STÖßEL. Sie waren ja diesen Augenblick erst hier.

STURMWALD. Wer, ich? Sind Sie toll?

STÖßEL. Sie haben ja den Heiratskontrakt unterschrieben und – o das geht nimmermehr natürlich zu!

STURMWALD. Herr, wollen Sie mich bei lebendigem Leibe zum Gespenst machen? Oder bin ich Ihr Narr?

STÖßEL. Sie haben ja meine Tochter mit dem Notarius diesen Augenblick in Ihr Quartier geschickt.[99]

STURMWALD. Sie sind toll! Seit gestern, als Sie mich hier verlassen haben, hab' ich keine menschliche Seele gesehen, weiß weder, wie ich um mein Bein gekommen, noch wer mich da eingesperrt hat.

STÖßEL. So sind wir betrogen, schändlich betrogen. O weh, o weh! meine Tochter ist fort, Rosalie ist fort! Ich muß ihnen nach! Er will fort.

STURMWALD hält ihn auf und wechselt mit ihm die Stellung. Halt, Herr! Helfen Sie mich erst ankleiden, ich will nicht dastehen wie ein Narr.

STÖßEL hilft ihm erst das hölzerne Bein anschnallen, dann ankleiden. Entsetzlich! Aber wo ist der hingekommen, der sich für Sie ausgab? Lauter Geheimnisse!

STURMWALD. Ich wette, das ist der junge Krautmann gewesen. Sagt' ich's doch gestern; aber Sie wollten nicht glauben! Blitz und Donner, mich so zu prellen! Wart', das soll dir teuer zu stehen kommen.

Nr. 18. Arie.


STURMWALD auf und ab gehend.

So verfährt man mit Soldaten? –

Ha, potz Bomben und Granaten,

Potz Flinten und Kartaunen,

Wart', du kriegst schon deinen Lohn! –

Unter dichtem Kugelregen

Half ich Tausende erlegen;

Stürzte wie ein Löw' ins Feuer,

Fetzte, würgte wie ein Geier,

Bis Appell den Garaus machte

Und man Siegeszeichen brachte;

Ich war auf dem Schlachtfeld da,

Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!

Bis man schrie Viktoria! –

Und nach soviel blut'gen Treffen

Will man mich so schändlich äffen?

Nein, potz Bomben und Granaten!

So verfährt man nicht mit Soldaten![100]

Potz Bomben und Granaten! Potz Bomben und Granaten!

Bursche, wart'! ich krieg' dich schon

Und bezahl' dir deinen Lohn! –

Und nach soviel blut'gen Treffen

Will man mich so schändlich äffen?

Unter dichtem Kugelregen

Half ich Tausende erlegen;

Stürzte wie ein Löw' ins Feuer,

Fetzte, würgte wie ein Geier,

Bis Appell den Garaus machte

Und man Siegeszeichen brachte;

Ich war auf dem Schlachtfeld da,

Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!

Bis man schrie Viktoria!

Unter dichtem Kugelregen

Half ich Tausende erlegen;

Stürzte wie ein Löw' ins Feuer,

Fetzte, würgte wie ein Geier,

Bis Appell den Garaus machte

Und man Siegeszeichen brachte;

Ich war auf dem Schlachtfeld da,

Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!

Bis man schrie Viktoria!

Stößel und Sturmwald wollen ab durch die Mitte.

Claudia Stößel tritt ihnen umgekleidet von dort entgegen.


Quelle:
Karl Ditters von Dittersdorf: Doktor und Apotheker. Dichtung von Stephanie dem Jüngeren, Leipzig [o. J.], S. 99-101.
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