Sechsundsechzigstes Kapitel.

[193] Als Korporal Trim seine beiden Mörser zu Stande gebracht hatte, war er hoch erfreut über seiner Hände Werk, und da er wußte, welches Vergnügen ihr Anblick seinem Herrn gewähren würde, so konnte er dem heftigen Verlangen nicht widerstehen, sie sogleich zu ihm ins Zimmer zu tragen.

Nun hatt' ich, als ich die Sache mit den Thürangeln erwähnte, nicht blos die moralische Lehre, die sich daraus ergab, im Auge, sondern mir kam dabei auch folgende spekulative Betrachtung, nämlich:

Wenn die Stubenthür sich so geöffnet und auf ihren Angeln so gedreht hätte, wie eine Stubenthür soll –

oder z.B. so geschickt, wie sich unsere Regierung auf ihren Angeln gedreht hat (vorausgesetzt, Ew. Wohlgeboren sind damit einverstanden, sonst geb' ich mein Gleichniß auf), in solchem Fall, sage ich, hätte es gar keine Gefahr gehabt, weder für den Herrn noch für den Diener, daß Korporal Trim ins Zimmer guckte; voll Ehrerbietung, wie er war, würde er sich, sobald er bemerkt hätte, daß mein Vater und mein Onkel Toby eingenickt waren, mäuschenstill zurückgezogen haben, während jene in ihren Armstühlen so selig wie vorher weitergeträumt hätten. Aber das war unmöglich, denn zu den stündlichen Peinigungen, welche diese in Unordnung gerathene Angel seit vielen Jahren meinem Vater[193] verursacht hatte, gehörte auch die, daß er sich nie zum Mittagsschläfchen niedersetzte, ohne daran denken zu müssen, daß der Erste, der die Thür aufmache, ihn unfehlbar aufwecken würde, welcher Gedanke sich so unaufhörlich zwischen ihn und die erste süße Annäherung des Schlafes drängte, daß er, wie er oft erklärte, um allen Genuß daran gebracht wurde.

Wie wär' es, mit Ew. Wohlgeboren Erlaubniß, auch anders möglich, wenn die Angel, auf der sich Etwas dreht, nichts taugt?

Was soll's? was giebt's? rief mein Vater, der sogleich aufwachte, sobald die Angel an zu kreischen fing. Ich wollte, der Schlosser sähe einmal nach der verdammten Angel. – 's ist weiter nichts, mit Ew. Gnaden Verlaub, sagte Trim, ich bringe da nur zwei Mörser. – Hier kann man keinen Lärm machen! rief mein Vater heftig; wenn Dr. Slop Medikamente stoßen will, so mag er's in der Küche thun. – Erlauben Ew. Gnaden, rief Trim, es sind zwei Bombenmörser für die Belagerung im nächsten Sommer; ich habe sie aus ein Paar Stulpstiefeln gemacht, die Ew. Gnaden nicht mehr tragen, wie Obadiah mir sagte. – Alle Wetter, rief mein Vater und sprang dabei vom Stuhle auf, – von allen meinen Kleidungsstücken ist mir keines so ans Herz gewachsen als diese Stulpstiefeln, – sie gehörten unserm Urgroßvater, Bruder Toby, sie sind unveräußerliches Erbgut. – Dann, fürchte ich, sagte mein Onkel Toby, hat Trim die Erbfolge abgeschnitten. – Ich habe, mit Ew. Gnaden Verlaub, sagte Trim, blos die Stulpen abgeschnitten. – Ich hasse unveräußerliches Erbgut so sehr wie Einer, rief mein Vater, aber diese Stulpstiefeln, Bruder, fuhr er fort und lächelte trotz seines Aergers, sind seit den Bürgerkriegen in der Familie gewesen; Sir Roger Shandy trug sie in der Schlacht bei Marston-Moor. Ich hätte sie wahrhaftig nicht für zehn Pfund weggegeben. – Ich werde Dir das dafür bezahlen, Bruder Shandy, sagte mein Onkel Toby, der die Mörser mit unendlichem Vergnügen betrachtete, und griff dabei in die Tasche, – ich werde Dir auf der Stelle zehn Pfund dafür bezahlen, mit Freuden.[194]

Bruder Toby, erwiederte mein Vater in einem andern Tone, Dich kümmert's nicht, wie Du Dein Geld wegwirfst und vergeudest, wenn's nur für eine Belagerung geschieht. – Habe ich nicht meine hundert und zwanzig Pfund jährlich, außer der Pension? rief mein Onkel Toby. – Was ist das, erwiederte mein Vater eifrig, wenn Du zehn Pfund für ein Paar Stulpstiefeln giebst? zwölf Guineen für Deine Pontons? halb so viel für die holländische Zugbrücke, von dem kleinen messingenen Artillerie-Train, den Du vergangene Woche bestelltest, und zwanzig andern Herrichtungen zur Belagerung von Mantua gar nicht zu reden! Glaube mir, lieber Bruder Toby, fuhr mein Vater fort und faßte seine Hand, – diese Kriegsoperationen gehen über Deine Kräfte; – Du meinst es gut, aber sie führen Dich in größere Ausgaben hinein, als Du erwartetest, und sei versichert, sie werden zuletzt Dein ganzes Vermögen aufzehren und Dich zum Bettler machen. – Was thut das, Bruder, erwiederte mein Onkel Toby, es geschieht ja doch zum Besten meines Landes! –

Mein Vater mußte lächeln; sein Aerger, selbst der heftigste, war immer nur vorübergehend; der Eifer und die Einfalt Trims, sowie die hochsinnige (wenngleich steckenpferdische) Ritterlichkeit meines Onkels Toby versetzten ihn sogleich wieder in die beste Laune.

Edelmüthige Seelen! Gott segne euch und eure Bombenmörser dazu, sagte mein Vater leise zu sich.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 193-195.
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