Zweiundsechzigstes Kapitel.

[96] Nachdem mein Vater die Angelegenheit wegen der Hosen mit meiner Mutter besprochen hatte, zog er Albertus Rubenius darüber zu Rathe, und mit diesem ging es ihm wo möglich noch zehnmal schlechter als mit meiner Mutter; denn da Rubenius einen ganzen Folioband de re vestiaria veterum geschrieben hatte, so war es freilich seine Sache, meinem Vater Auskunft zu geben, aber mein Vater hätte ebenso gut daran denken können, die sieben Kardinaltugenden aus einem langen Bart zu kämmen, als aus Rubenius ein einziges Wort über seinen Gegenstand herauszukriegen.

Hinsichtlich aller andern Kleidungsstücke der Alten war Rubenius außerordentlich mittheilsam gegen meinen Vater; er gab ihm genaue Auskunft über

die Toga, oder das wollene Oberkleid,

die Chlamys,

den Ephod,

die Tunika, oder Leibrock,

die Synthesis,

die Pänula,

die Lacinia mit ihren Gugeln,

das Paludamentum,

die Prätexta,[96]

das Sagum oder den Kriegsmantel,

die Trabea, von welcher es, nach Sueton, drei Arten gab.

Aber das sind alles keine Hosen, sagte mein Vater.

Rubenius tischte ihm allerhand Schuhwerk auf, das bei den Römern in Gebrauch gewesen war; da war

der offene Schuh,

der geschlossene Schuh,

der Schlappschuh,

der Holzschuh,

der Soccus,

der Halbstiefel,

der Soldatenschuh mit Nägeln, dessen Juvenal erwähnt;

da waren die Ueberschuhe,

die Pantoffeln,

die Sandalen mit Riemen daran;

da war der Filzschuh,

der linnene Schuh,

der Schnürschuh,

der geflochtene Schuh,

der calceus incisus,

und der calceus rostratus.

Rubenius zeigte meinem Vater, wie zweckmäßig sie alle waren, was für Spitzen, Zacken, Riemen, Bänder u.s.w. sie hatten. –

Aber ich will über Hosen etwas wissen, sagte mein Vater.

Albertus Rubenius belehrte meinen Vater, daß die Römer verschiedene Stoffe für ihre Kleider verfertigt hätten: glatte, gestreifte, mit Gold und Seide geblümte wollene, – daß Linnen erst in der späteren Kaiserzeit in Gebrauch gekommen sei, als die eingewanderten Egypter es aufbrachten; –

daß Personen von Ansehen und Vermögen sich durch die Feinheit und Weiße ihrer Kleider ausgezeichnet hätten, daß weiß die Farbe gewesen sei, welche nach dem Purpur (der indessen nur hohen obrigkeitlichen Personen zustand) am liebsten und besonders an Geburts- und anderen Festen getragen worden wäre; – daß sie, nach den besten Geschichtsschreibern jener Zeit,[97] ihre Kleider oft zum Walker geschickt hätten, um sie reinigen und färben zu lassen, – daß aber das niedere Volk, um diese Ausgabe zu sparen, gemeiniglich braune Kleider, und zwar von gröberem Stoffe getragen hätte, indessen nur bis zum Anfang der Regierung Augusts, von wo an Sklave und Herr gleich gekleidet gewesen wären und jeder Unterschied im Anzuge aufgehört hätte, mit Ausnahme des latus clavus.

– Und was war das? sagte mein Vater.

Rubenius belehrte ihn, daß die Gelehrten darüber noch im Unklaren wären; daß Egnatius, Sigonius, Bossius, Ticinensis, Bayfius, Budäus, Salmasius, Lipsius, Lazius, Isaak Casaubonus und Joseph Scaliger alle von einander abwichen, und er wiederum von Allen, – daß der große Bayfius in seiner »Garderobe der Alten«, Kapitel XII, ehrlich bekenne, er wisse nicht, was damit gemeint sei, ob eine Nestel, eine Agraffe, ein Knopf, ein Besatz, eine Schnalle, oder Klammer oder was sonst.

Mein Vater ließ sich nicht irre machen. – Es sind Haken und Oehsen, sagte er, und so bestellte er meine Hosen mit Haken und Oehsen.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 96-98.
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