4. Nacht-Lied

[109] 1.

Du blasser Mohn/

weistu auch was darvon/

daß ich hie unten klage?

Du silber-heer/

schaustu auch [auff] mein Meer

der Trähnen-Plage?


2.

Das weisse Licht

der Sternen achtet nicht

mein unerträglichs Leiden:

sonst würd' ihr Guß

verwandeln diesen Fluß

in Lust und Freuden.


3.

Wie offters trug

der trüben Wolken-zug

Erbarmnüß mit mir Schwachen!

Mein Schmerzen-Lied

Künt' ihr bewegt Gemüht'

auch weinend machen.


4.

Der Himmel riß'

auff mein Bekümmernüß

mit Hagel und mit Schlossen/[109]

weil meine Brunst

von der Geliebten Gunst

wurd' außgestossen.


5.

Latern und Licht/

entdekket mich nur nicht!

kehrt ab das Judas-Feuer.

Schaut mir nicht nach/

ihr Leute/ was ich mach'

ich armer Freyer.


6.

Geht mich vorbey

und fragt nicht wer ich sey/

doch/ wird mich wer erkennen:

Der werde stumm.

ich wil mich hier kurz um

nicht lassen nennen.


7.

Schweert und beteurt

bey Ammon der da feurt

mit Blizz und Donner-schlägen:

es sey niemand/

als der euch unbekant

gewest zugegen.


8.

So wüntsch' ich euch/

daß ihr in Amors Reich'

erfreuet möget wohnen.

Es fall' euch Ruh/

Lust und Vergnügen zu

bey der Dionen!


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 109-110.
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