2. Ein Degen hält den andern in der Scheide

[146] 1.

Die Buhlerische Nacht trug ihr gestirntes Band/

Dianen tanzte für der Venus Diamant.

die still-verliebte Krafft straalt' auff die Erden-Bahn/

und rühret' einen Held mit tausend Stürmen an.


2.

Was solte Morfeus tuhn? er brach den braunen stab

und schmiß der Treume Saat ins düster Meer hinab.

Der Held erwacht' und fühlt' den Wundersahmen Trieb/

fort war noch Lager-stat noch Schlaff ihm weiter lieb.


3.

Er schliche leis' hinab nach Fillis Kammertühr

vor Kloris Schlaaff-gemach stak stets ein Riegel für

dabey der Hund/ doch hätt' er dieses schlecht geacht/

wo Kloris Mutter nicht die Tochter mehr bewacht.
[146]

4.

Die Magd solt' iezo dran/ die sonst alleine lag

biß auff ein ziemlich Kind/ das sie zu warten pflag

der Traum-Gott hatte sie im Schlaaffe grob erschrekkt/

drum lag sie Sinnloß auff den Rükken außgestrekkt.


5.

Er rührt sie sachtlich an. Schlafft oder wachet ihr?

sie aber/ sie erseuffzt' und sprach: wer ist bey mir?

Ich bin es liebster Schaz/ ach laßt mich zu euch ein

ich bin verirrt und nakt/ ich möcht' erfroren sein.


6.

Sie merkte bald die Kreyd' und nahm ihn ein zu sich/

das Bett auff einen Mann gemacht/ hielt nicht den Stich

als hie der dritte kam/ die Last würd' ihm zu schweer/

es bog sich ziemlich ein und wakkelt' hin und her.


7.

Das Kind/ das lange schon der Wiege war entwehnt

als das geplagte Bett' ohn Ende wankt' und trähnt'

erwacht'/ und ließ ob man ihm freundlich zu schon sprach/

dennoch nicht sein Geschrey und furchtsam weinen nach.


8.

Die Mutter: Kloris geh/ geschwind und nim ein Licht/

ohn Ursach pflegt das Kind so hart zu weinen nicht.

die Tochter merkte bald/ es hätte nicht Gefahr

dieweil sie ziemlich sonst auch mit Katolisch war.


9.

Doch schlug sie Feuer an. Der Argwohn rührt sie sehr.

sie lieff die Stiegen ab und gukket hin und her/

biß Sie zur Kammer kahm/ da/ wo die Fillis schlieff

der sie auß Zorn entbrannt diß harte Wort zurieff:
[147]

10.

Was machstu/ Raben-aaß? wer lieget hie bey dir?

schämstu dich/ Schandbalg/ nicht zutreiben solches hier/

wordurch diß ganze Hauß in Spott und Unehr fällt/

Schämstu dich nicht für Gott/ so fürchte doch die Welt.


11.

Was solt' auff solchen Fang begehn das arme Kind?

bald kroch sie ein/ bald auß. Nicht Mars und Venus sind

mit solcher Schaam ertappt/ wie diß verliebte Paar/

in seiner besten Lust so schlau betroffen war.


12.

Der sonst beherzte Held war selbst ohn alles Herz/

kein Sebel schrekkt' ihn nie so sehr als hier die Kerz

so diese Kloris trug. Hier stritte Zorn und Schaam

biß endlich Ehr und Glimpff die oberhand bekahm.


13.

Die Fillis must' herauß/ wie lieb der Nachbar war/

der Held verblieb umhüllt mit Federn einsam dar.

Hier hätte Kloris erst den Eyffer lassen sehn

wo Fillis nicht gewust/ was ihr auch vor geschehn.


14.

Drum ward auff beyden Theil' ergriffen Stillestand/

ihr ward die Fillis/ und die Kloris der bekannt.

So hält ein Degen offt den andern in der Ruh/

diß macht/ daß Kloris hier auch täht ein Auge zu.


15.

So selzam geht es her/ wenn Amor Meister ist/

so bleibt die Jungfer stehn und wird die Magd geküßt.

Schaff nur die Mutter ab/ laß Hund und Riegel sein:

So/ Kloris/ wird der Held bey dir auch kehren ein.

Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 146-148.
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