Anderer Absatz

[6] Beschreibet die Zusammenkunfft Polyphili und Philomati: Lehret / wie uns offt / wieder unser Verhoffen / der gütige Himmel zu guten Freunden verhelffe / deren Beförderung wir uns bedienen können: Durch welche auch Gott / als die Ihm gefällige Mittels-Personen / mit uns handele.


Wer war froher / als eben Polyphilus? Ich meyne /sein vergnügtes Hertz hätte nicht unrecht ein Himmelreich voll Wonne können benahmet werden / so gar hatte die unerschöpffte Lust dasselbe eingenommen /alsbald er der erhabenen Kunstrühmlichen Insul ansichtig worden. Wie aber die Begierde Menschlichen Hertzens nimmer satt wird / sondern immer fort /mehr und mehr verlanget / also konte auch Polyphilus in dieser Zufriedenheit nicht ruhen / sondern nahm ihm vor / selbsten in die Insul zu kommen / umb desto besser sich darinnen zu besehen / und vielleicht etwas neues zu erlernen. Was ge[6] schicht? Es muste auch das wahr werden / was die alten Heyden geglaubet / daß denen / die den Himmel zu ersteigen gesinnet / selbst Jupiter die Leiter bauen und ansetzen müsse: So gar muste sich alles schicken / was dem Polyphilo in seinem Vornehmen behülfflich seyn kondte. Denn / als er kaum ein wenig am Strand hinauf gangen / so / daß er Gelegenheit suchte / wie er über das Wasser gelangete / siehe! da begegnet ihm ohngefähr einer von den Inwohnern derselben Insul /welcher auch diesen Ort besuchet / seinen ermüdeten und betrübten Gedancken / durch die Lieb-kosende Wald- und Felder-Freude / einige Artzney und Ergötzung beyzubringen.

Polyphilus / der sich alsbald der Hoffnung freuete /er werde von diesem / in allem völligen Bericht erhalten / und nunmehr vernehmen / welcher Theil der Erden ihn aufgenommen / und welches Land seine Sicherheit beschantzet / legte so balden allen Scham auf die Seiten / fassete ein Hertz / und näherte mit höfflicher Freundlichkeit auf ihn zu / umb allergünstige Verzeihung bittende / daß er aus Unwissenheit dieser Ort-Bewandtschafft gezwungen / sich unterwinden dörffe / dessen Namens-Erkandtnüs / und was sonsten denckwürdiges allhier zu behalten / durch ein kurtzes Gespräch zu erforschen.

Philomathus (so bekandte der Antworter seinen Nahmen) nachdem er mit gleich-gebührender Reverentz sein Anbringen aufgenommen / war gar leicht zu erbitten / und hätte ihm nichts bequemers eben anjetzo zu handen kommen können / alldieweiln er ohne das / seine sorgfältige Betrübnüs in etwas zu erfrischen / sich dem Felde / und dessen immerblühenden Ergötzlichkeit ergeben / da sichs dann nicht übel[7] schickete / von dergleichen beliebenden Sachen / nach Gelegenheit der Zeit / zu reden. Wurden also diese beyde / durch beyderseits gefasste Hoffnung / man würde von neuen Dingen hören / bald einig / sich in das grüne Blumen-Thal / welches gerad gegen der Insul über / durch den offt-erwöhnten leiß-rauschenden Fluß / getheilet ward / nieder zu setzen / und ihre Ergötzung / auf begehrte Art zu suchen.

Polyphilus / durch sein unruhiges Verlangen gezwungen / vermochte sich nicht länger zu gedulten /sondern fieng ohne Verzug zum Philomato an / seine biß daher gefährlich-geführte Reiß allen Umbständen nach zu erzehlen / und wie er / wider Wunsch und Hoffen / vor wenig Stunden allhier angelander / auch durch die beschönte Gegend überwunden / an diesem Ufer ausgestiegen: Verlange also nicht mehr / als nur den Nahmen dieses Landes / Wassers / und der vor ihm liegenden Insul zu erlernen / damit er / nach dem / verstehen könne / an welchem Ort der Welt er lebe / und wie fern er von den Seinen entschieden.

Philomathus / ein bescheidener und höfflicher Mann / kont ihm nicht verüblen / daß er seiner begierigen Jugend den Zaum zu weit nachgelassen / und sich ihm vorzureden keinen Scheu getragen / bevor da diese Begierde / so viel er vernommen / einen löblichen und Tugend-erbaulichen Zweck vor sich hatte /welchen zu erreichen / Philomathus / Krafft seiner Geschicklichkeit / und guten Vermögens / Ihm / Polyphilo / wol behülfflich seyn köndte: Derowegen fieng er folgender Gestalt an zu ihm zu reden:

Tugend-begieriger Polyphile! Aus euren bißher geführten Worten hab ich sattsam vernommen / was massen ihr euren Schäfer-stock verlassen / und /[8] umb Kunst und Tugend zu erwerben / euch denen gefährlichen Schiffarten anvertrauet / die euch / eurer gefassten Hoffnung nach / in fremde Land bringen / und unerfahrne Ding lehren köndten. So hab ich auch mit nicht geringem Schrecken die Ungestümm des Meers /so euer Leben bey einem bald-reissendem Härlein furchtsam genug herum gezogen / aus eurer Erzehlung verstanden / habe deßwegen ein schmertzgebührliches Mitleyden: Doch soll das euer Trost seyn / daß eines theils durch solche ausgestandene Lebens-Gefahr /eben ein grosser Theil eures Vornehmens vollbracht worden / wie ihr dann wol wisset / daß Kunst und Tugend nicht im Schlaf erworben / noch weniger der Himmel durch Geigen- und Seiten-Spiel gestürmet werde.

Nun bekenne ich ohne verhelen / daß / wie ich selbsten / in meiner damals noch blühenden Jugend /mir dergleichen Ziel gestecket / und / so viel Menschliches Vermögen zu läst / alles mein Sinnen und Beginnen dahin gerichtet; Auch durch des allwaltenden Himmels-Hülff endlich dahin kommen bin / daß ich /durch Müh und Fleiß / den beperleten Helicon erstiegen / und daselbsten von der gantzen Pindus-Schaar /mit der Tausendfaltigkeit ihrer himmlischen Wissenschafft / bin umzieret worden: Also auch allen denen /die mit gleichmächtiger Begierde entzündet / ihren Namen dem Diamantischen Register einverleiben wollen / zu allen Müglichkeiten / mit Rath und That /verpflichtet bin / auf daß sie / wie sie wünschen und begehren / sonder Abschlag / die felsichte Spitzen /der unergründlichen Weißheit / zu ersteigen / Macht und Gelegenheit haben.

Polyphilus / der diese verguldete Reden / mit[9] sonderbahrer Hertzens-Erfreuung anhörete / belustigte sich allbereit nicht wenig mit dem / was ihm auch die Hoffnung nur versprach / die er / ohne Mißtrauen /aus dem ungeforderten selbst-willigem Bekäntnüs Philomathi / und dessen ohne Verdienst anerbottenen Beförderung / gar leicht schliessen kondte. Derowegen er nicht säumete / sein Vatterland / Eltern / Verwandten / auch sich selbsten / und was er suche / dem Philomatho / als einem seinen mächtigsten Lehrer und Beförderer / zu eröffnen / mit angehengter Bitte /ihme die Beschaffenheit dieses Orts / und dessen Benennung zu ertheilen.

Dieses alles gefiel dem Philomatho so wohl / daß er nicht nur seiner Bitte ein völliges Genügen that /sondern auch mit Mund und Händen ihme treu-meynend versprach / alle Heimlichkeiten derselben Insul /(welches traun gegen einem Frembden ein Grosses Versprechen war) eigentlich und deutlich vorzulegen /so gar / daß / wann es seine Gelegenheit gestatten würde / sich eine weile in diesen Feldern aufzuhalten /sein Leben nicht ohne vergnügliche Freude / auch sein Verlangen voller beliebiger Erfüllung seyn und werden solte. Darum fieng er folgender Gestalt an:

Erkandter Polyphile! Euer Vatterland Brunfile /daß ihr mir allbereit genennet / ist vor dem eine Ernehrerin meiner Kunst-dürfftigen Musen / und meines jungen / etwas frey-begierigen Lebens / eine Nutzbringende Lehrerin gewesen: Deme diese gegenwärtige Insul / mit allen deren beseeligten Innwohnern so viel zu dancken hat / als sie täglich von mir Gutes und Gedeyliches überkommen. Finde mich dahero / ohne einige Widerrede / über mein Vermögen[10] verpflichtet /und solches um desto mehr / weil mir gleichsam /durch ein stilles Gethöne / das hochgelobte und mir hertzlich-ja schuldig-gelobte Brunsile / durch die Ohren / ihre mir tausend-fältig-erwiesene Dienste zuschreyet / und dieselben an euch / als der in diesen Jahren auf gleicher Glücks-Kugel bestehet / zu ersetzen anmahnet. Wisset demnach / treugeliebter Polyphile! daß ihr / meines Erachtens / zu eurem grossen Glück / das viel-grosse Unglück ertragen müssen /sintemal ihr / durch des Meers Ungestümm / in ein solch Land geführet worden / daß ihr selbst erkennen werdet / die Gütigkeit des unsterblichen Himmels habe euch also heissen führen. Dieser Fluß / dem ihr sonderlich für seine Fahrt zu dancken habt / ist der in aller Welt bekandte Peneus-Strand / an sich zwar gering / doch wegen des Einflusses vier schöner Bächlein / grosser Schiffarten fähig genug / wegen dieses beschönten Lust-thales aber / daß er theilet und doppelt / viel grösser / als daß sein belobter Ruhm solte können von sterblichen Zungen ausgesprochen / oder nach Würden beschrieben werden. Der Ort / welcher euch die Sicherheit gönnet / ist das von männiglich viel-gerühmte Thal Tempe; Diese Berge aber / Ossa und Olympus / an der Höhe / allen anderen / so viel Thessalien Berge in sich hält / weit vorzuziehen.

So bin ich / fragte der Schäfer / in Thessalien / und in dem beschreyeten Thal Tempe? So ists / versetzte Philomathus / und da es euch nicht miß-fällig / mir zu folgen / will ich euch diese Lust-bare Gegend / so lang uns die Sonne ihr Liecht gönnen wird / durchführen / und was darinnen sonderlich zu bemercken / erklären. Polyphilus entdeckte sein Verlangen[11] / durch den Danck / und folgte den Schritten Philomathi / biß sie dem Ort nahe kamen / allwo der Bach Eurotas / in besagten Fluß Peneus sich ergiesset / dabey Philomathus erinnerte / wie diß sonder-wunderlich zu bemercken / daß / ob dieser Eurotas völlig in den Peneus-Fluß falle / er dennoch sein Wasser / mit jenem nicht vermenge / so / daß man beyde / an dem Unterscheid der Farben / voneinander kenne. Und / fuhr er weiter fort / ist noch mehr zu verwundern / daß der Fluß Peneus / nach dem er / ohne der Wasser Vermischung /mit dem Bach Eurotas / eine Zeitlang geronnen /gleich als ob es ihm verdrösse, denselben seitwarts stosst / und sich / im Ausfluß / wieder von ihm unvermischt theilet / etc.

Unter währender Rede gieng Philomathus mit dem Schäfer / langst dem Fluß hinab / da dann zu beyden Seiten / an dem Ufer / kleine Myrthen-Gehäge und Lorbeer-Häyne zu sehen waren / so denen beyden /wie anderen vorbeygehenden / mannigfaltigen kühlen Schatten ertheilten. Sonderlich aber / beschönte diesen vor-annehmlichen Ort / daß unter selbigen unterschiedlichen Schatten / unterschiedliche kleine Bächlein ronnen / derer Wässer nicht allein anmuthig zu trincken / sondern auch förderlichst der Gesundheit dienlich zu seyn / von Philomatho bekandt / dem Schäfer Polyphilo aber versucht wurden. Von hinnen verführte sie die Lust zu etzlichen so scheinenden grünen Zelten / und erinnerte Philomathus vor anderen / die vielerley Eyländlein wol zu beobachten / die beydes dem Fluß / und dem Tempe-Thal eine herrliche Verschönerung beybrachten. Die Bäume / so man da sahe / waren von der Wurtzel an / biß an die Gipffel mit Epheu[12] umzogen / so / daß man nichts dann lauter Grün sahe. Auch stund daselbst ein herrlich-schönes Graß / daß gleichfals sich an den Bäumen hinauf zog / übergebogen wieder zu rück fiel / und den gantzen Boden bedeckte: Diß berichtete Philomathus / daß es von den Innwohnern Smilar genennet würde. Je ferner aber Philomathus seinen Fuß setzte /und je weiter der Schäfer Polyphilus folgte / je angenehmer dunckte ihm die Lufft werden / als welche einen lieblichen Geruch / gleichsam eingenebelt / behielt. Der Schäfer daher veranlasset / fragte Philomathum / woher diese Lieblichkeit rühre? Welcher auf ein Wäldlein / dahin sie Schritt vor Schritt gangen /deutend / zur Antwort setzte / daß die umliegende Völcker glauben / dieses Wäldlein sey den Göttern sonder-lieb / und dannenher solches / darinnen zu opffern / vor andern erkiesen / in dem betrüglichen Wahn verharrend / ihre Gelübde werden daselbst gnädiger /als anderwarts / erhöret. Daher / sprach er ferner / die Durchräisende diese Lufft stets wolriechend antreffen werden / weil dieselbe nicht bald ohn einem guten Opffer-Rauchwerck wird zu spüren seyn. Es helffen aber auch dazu die mannigfaltige wolriechende Blumen / deren Purpur diesen wunder-lieblichen Ort / wie ihr selbsten sehet / so reichlich bekleidet / daß ich zweiffele / soll ich dem Opffer / oder ihnen / vor den schönen Geruch Danck bringen.

Das lassen wir die verfechten / sprach Polyphilus /die den Unterscheid des Geruchs lieben / von meinem wenigen Urtheil / soll das Opffer / mit den Blumen /gleichen Preiß erwarten. Wol dem; antwortet Philomathus / so will auch ich keinem einen Vorzug gunnen: Diß Wäldlein aber wird die[13] Unsterblichkeit seines Namens / ja / die Vortrefflichkeit seiner Bewohnung / mehr den Opffern / als Blumen / beyzulegen haben. Dann / wie die Thessalier berichten / ist der Delphische Apollo / nach dem er den Drachen Python erschossen / in diß Thal kommen / sich / auf des grossen Jupiters Befehl / allda zu reinigen: Ist auch von den Lorbeern / welche allhier in grosser Menge stehen / gekrönet worden. Und dafern ihr gäntzlicher Bericht glaubens würdig / hat er / so bald er bekräntzet worden / von eben selbigem Lorbeer-Baume einen Ast genommen / ist mit demselben gen Delphis gezogen / allwo er sich in Besitzung der allenthalben so berühmten Götter-Antwort gesetzet. Zum Beweiß dessen / wird in nechster Insul / denen Ausländern /ein Weyhtisch vorgezeiget / darauf sie bestätigen /daß Apollo sey gekrönet worden / und von dannen den besagten Ast genommen. Ob aber dessen Warheit zweiffelhafft / erwirbet dennoch die alljährige Ankunfft / der jungen Mannschafft von Delphis / in diesen Peneus-Grund / nicht geringen Glauben / in dem sie zu gewisser Zeit / durch einen Hauptmann geführet / hieher gleichsam Wallfahrten / und zu des Apollo Gedächtnus / in diesem Lust-Wald / ein Opffer bringen / auch mit Lorbeer bekrönet / heimkehren / da sie unter Weges viel schöne anmuthige / und dem Apollo zu Ehren verfertigte Lieder singen und erklingen lassen: Daher komts auch / daß alle die / so dieses Thal durchwandern / mit sonderbarer Ehrerbietung / als durch einen dem Apollo gewidmeten Ort / einher gehen / auch keiner einigen Widerstand oder Unglücks-Betreffung darinnen ersiehet.

Diese / des Philomathi Erzehlung verleitete den[14] begierigen Schäfer / daß er das gantze Wäldlein durchsahe / dessen Ende ihm die Insul Soletten völliger zu Gesicht brachte / daher er / des vergangenen vergessend / seine Gedancken / in derselben Beschauung /arbeiten ließ. Alsbald Philomathus diß merckte / fieng er mit folgenden Worten an: Diese zugegen liegende Insul betreffend / welche nicht unbillich / wegen ihrer erscheinenden Lieblichkeit und künstlichen Erbauung dem Thetis-Schloß zu vergleichen / ist die / durch eben diesen Fluß berühmte Solette / und sind deren Innwohner / unter welche Zahl auch ich mich rechne /mehrentheils der Einsamkeit ergeben / so gar / daß sie auch ihre gantze Lebens-Länge / nicht mit Gesellschafft / sondern in einzeler Ruhe zu kürtzen gedencken. Und dörfft ihr euch / geliebter Polyphile! dessen keines weges wundern / weilen auch selbsten die Art dieses Landes / und die aufsteigende Feuchtigkeiten /solche Lufft würcken / die den Menschen / ob er von Natur etwas frisch und Gesellschafft-liebend wäre /dennoch mit solcher Veränderung regieren können /daß er wider sich selbsten zu leben / mit nicht geringer Belustigung / erwehlet.

Polyphilus / voller Wunder / kondte dem sinnlichen Gespräch Philomathi nicht länger mit stillschweigen zuhören / vielweniger umhin / daß er nicht fragen solte / was Art Volcks dann allhier wohnete? Darauf Philomathus antwortete: Wundert euch nicht / Polyphile! Dann eben dem haben wir zu dancken / daß die vornehmste und durch alle Welt berühmte Künstler dieses Orts ernehret und vermehret werden. So werden auch / fragte Polyphilus / an diesem Ort viel vortreffliche Pindus-Ritter anzutreffen seyn / die täglich denen zwar Schweiß-verachteten[15] / doch dabey Himmel-würdigen Musen / ihre gebührende Schuld ablegen? Nein / sagte Philomathus / diese Insul hat nicht mehr / dessen sich die betrübte Pierinnen freuen köndten / als einig das über die Natur steigende Tugend-völlige Muster / aller Weiblichen / und mehr als weiblichen / Vollkommenheiten / die ich zweiffele /ob sie von den Unsterblichen denen Sterblichen zur Beherrscherin / und selbst vom Himmel der Erden zur Tugend-Sonne erkohren / oder sonst mit mehr Menschlichen Gaben am Verstand / Tugend und Schöne sey versehen worden. Zwar / sagte Philomathus ferner / hat diese unsere Insul keinen Mangel an deren Pindischen Gesellschafft / weilen / meines Erachtens / selbst die Princessin des Helicons / mit samt ihren Dienerinnen bey uns wohnet / deren vortrefflicher Name / durch ihre Himmel-würdige Wissenschafft / in kurtzer Zeit / von uns selbst / in den Diamant der Unsterblichkeit wird gepräget werden

Polyphilus / dem dieses von einer Weibs-Person zu hören / unglaublich vorkam / fragte nicht ohne Ursach / was es dann für eine Beschaffenheit mit derselben hätte / und ob sie / an statt einer Göttin / von ihnen geehret werde? Philomatus antwortete: Wir sind allemahl / und von Natur zu wider dem Höllverdammlichen Laster der Abgötterey / doch / so fern sich in einem sterblichen Leib Göttliche Gaben befinden / wegen deren billich alles aus der Menschen-Zahl / in die Himmel-Zinnen erhöhet wird: Werden auch wir keinen Abscheu tragen / die jenige eine Göttin zu grüssen / die wir erkennen / daß mehr himmlisch als irrdisches an ihr hervor leuchte.[16]

Kaum waren diese wenig Wort gesprochen / daß nicht allbereit / die Begierde diese Göttin zu sehen /durch ein brünstiges Verlangen / in dem Hertzen Polyphili / entzündet war / darum sprach er / und fragte ferner: Ob man sich nicht unterstehen dörffte / derselben die Glückseeligkeit abzubitten / daß er mit ihren Strahlen beschönet / und erleuchtender Gegenwart beglücket würde? Das braucht grosse Mühe / antwortete Philomathus / und sonderlich-geneigte Zeit-Gelegenheit / die ihr vor dißmal weniger überkommen / als wol hoffen möget. Dann / fuhr er fort / das meiste /dem sich diese unsre Erden-Göttin ergeben / ist / wie vorgemeldt / die beliebte Einsamkeit / deren angenehme Ketten / sie / mit uns / dermassen gebunden hat /daß / ehe sie ihr selber vergessen / als selbige ändern wird. Darum dißfalls alle Hoffnung mit vergeblicher Erwartung wird bezahlet werden.

Hat einmal die Freud-verzehrende Betrübnüs / das Hertz Polyphili getroffen / so ists / in Warheit / durch diese Wort geschehen. Kan ich dann nicht / sprach er / in dieser frohen Blüth meines Gunst-geneigten Glücks auch diese Blumen brechen / so muß ich freylich erfahren / daß kein Glückes-Stand bey denen Sterblichen zu finden / der nicht aufs wenigste mit einem betrübenden Unfall beflecket sey. Doch drehet sich die Kugel des Glücks nicht anders / weiln / wann selbige ihre Gnaden-Stralen gar zu hoch werffen /oder zu bell wolte scheinen lassen / möchte das Glaß /ehe wirs verhoffen / und wieder unser Versehen / zerbrechen.

Darum will auch ich selbiges mir nicht besser wünschen / oder gnädiger begehren / als es Menschlichem Geschlecht / von dem mild-gütigem Himmel[17] gegönnet ist / damit ich nicht dafür angesehen werde / als wolt ich mehr / dann Menschliche Vermögenheit / fordern.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 1, Nürnberg 1669, S. 6-18.
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