Siebender Absatz

[207] Die Reisende reiten mit frühem Tag wieder fort / und erfahren vom Servetus / der ihnen begegnet / neue Zeitung von Macarie. Diese wird von der Adalgis besucht / und vor des Polyphilus[207] Liebe gewarnet: worauf sie sich und ihn entschuldigt. Ihre Klage / und Entschließung vor den Polyphilus. Die Königin lässt ihr / durch die Phormena / dessen Wieder befreyung ankünden: und wird sie / von dieser / in der Liebe zum Polyphilus / gestärket.


Kaum waren unsre Reisende eine Stunde / und zwar /theils wegen des kurtzen Schlaffs / theils wegen verliebter Gedanken / in der stille geritten / da sahen sie den Servetus ihnen entgegen kommen; da dann Polyphilus sobald auf ihn zu eilte / und fragte / wie es zu Sophoxenien stehe? Allgut! (gabe Servetus zur Antwort) die Königin und Melopharmis / sind über ihrer Erledigung sehr erfreuet / und erwarten mit Verlangen ihrer Widerkunfft. Was hat man dann vor Zeitung von Macarie: (fragte Polyphilus ferner) ist nichts Neues vorhanden? Nichts! (versetzte Servetns) auser daß die Königin / aus Raht der Melopharmis / heute die Phormenam zu ihr abgesendet. Das ist neues genug! (sagte Polyphilus) aber was wird ihre Verrichtung seyn? Das hab ich nicht erfahren können / (sagte Servetus) wie sehr ich mich auch darüm bemühet. Was meinet aber ihr / (sagte Polyphilus zum Agapistus) daß in dieser Sache zu thun sey? Das beste ist / (begegnete ihm Agapistus) wir senden den Servetus zur Phormena nach Soletten / und lassen sie wissen / daß wir / auf dem Wege nach Sophoxenien /[208] ihrer warten wollen: damit sie sich daselbst nicht aufhalte / und wir also /noch vor unsrer Ankunfft / die Ursache ihrer Reise erfahren.

Der Raht ist gut! (sagte Polyphilus) eilet ihr nur /Servetus! solchem nachzukommen / vielleicht kommet auch Macarie / in Begleitung der Phormena / uns entgegen. Freylich (erwiederte Agapistus) wird Polyphilus noch heute die Macarie sehen: reitet nur zu /Servetus! ehe ihr den Markt versäumet; wir haben doch auch heut / um ihret willen / das Bette verlassen müssen. Sie verdienet wol ein mehrers! (war des Polyphilus Widerrede) verrichtet ihr / was euch befohlen /Servetus! ich will mit dem Agapistus wohl zu recht kommen. Also nahm Servetus Abschied / und eilte nach Soletten. Sie aber folgten allmählich nach / und zwar Polyphilus / in so verirrten Gedanken / daß er so wohl bey der Mittags-Malzeit / als auf dem Weg /mehr dichtete / als redte: welches Agapistus warnehmend / ihn nicht verstören wolte. Auch wir wollen ihn in seinen Gedanken dahin reiten / und dieselben ungeantet lassen / weil sie ohne das / wegen der Menge /nicht wohl zu beschreiben sind: und unterdessen sehen / was zu Soletten vorlauffet.

Daselbst enthielte sich / eine betagte und vernünfftige Matron / welche / wegen ihrer Jahre und willfährigen Freundlichkeit / von Macarie jederzeit vor eine Mutter geehret worden. Diese hatte so viel ungleiches von Polyphilus Leben und Gefängnus (dessen Ruf nun auch dahin gekommen war) vernommen / daß sie / aus Freundschafft / nicht unterlassen kunte / die Macarie vor ihrem[209] hereinbrechenden Unglück zu warnen. Demnach verfügte sie sich / mit dem Vorwand einer Besuchung / zur Macarie: welche / seit dem sie den lezten Brief an den Polyphilus geschrieben / in stätem Kummer / wegen seiner Gefängnus / lebte /und alle Sunden einer frölichen Zeitung erwartete. Nach höflichem Empfang / führeten sie allerhand Gespräche / biß Adalgis (also hieße die Matron) anfragte: ob dann Macarie nun bald der Insul Soletten sich entziehen / und eine andere Art zu leben erwehlen würde? Da weiß ich nichts von! (gab Macarie zur Antwort) Ich bin nunmehr der Einsamkeit gewohnt /und gedenke sie / ohn wichtige Ursache / nit zu andern.

Warum stellet sie sich so unwissend? sagte Adalgis. Wäre diese Sache so ungewiß / als sie vorgibt /so dürffte ich mich noch erkühnen / einen Stein der Warnung ihr in den Weg zu werffen. Weil sie sich aber der Liebe schon allerdings ergeben / als werden vielleicht meine Worte / nicht allein vor tanben Ohren erschallen / sondern auch / wo nicht Zorn und Widerwillen / doch Reu und Furcht erwecken: Daher ich lieber schweigen / und zu solcher Freundschafft Glück wünschen will. Macarie! welche diese Worte mit Schrecken angehöret / ließe sich doch nichts merken /sondern sagte hinwiederum: Meine geehrte Frau Mutter! (daß ich mich dieses Namens / wegen ihrer Freundlichkeit und Wolmeinung gebrauche) ihre Rede kommet mir sehr entsetzlich vor / weil ich nicht weiß / wohin sie damit zielet. Der Himmel wolle mir ja nimmermehr eine solche Torheit gestatten / daß ich eine unbesonnene Liebe erwählen / und mich weder vernünfftigen Raht / noch wolgemeinte Warnung /davon solte[210] abwenden lassen: welches ja der nächste Weg zum Verderben seyn würde. Meine geehrte Frau versichere sich / daß ich viel lieber in der Einsamkeit sterben / als wider Vernunfft und Raht lieben will. Man wolle doch mehr meinem aufrichtigen Bekäntnus / als der müsigen Leute Reden / gläuben. Sie beraube mich auch nicht ihres verständigen Einredens: ich werde demselben / in schuldigem Gehorsam /Folge leisten.

Weil ich diese Rede / (antwortete Adalgis) vor rechte Warheit halte / kluge Macarie! als gebe ich ihr hierauf zu wissen / wie daß Polyphilus / der sie liebet / und ihre Gegen-Liebe verlanget / von dem Gerüchte aller Orten / sehr verhasst herum getragen wird: weil er nicht allein / den Mord Phylomathi noch nicht von sich abgeleinet / und / an statt gerichtlicher Verantwortung / gantz verzweiffelt (welches nicht ein geringes Merkmahl ist eines verzagten und überzeugten Gemütes) sich in den Fluß gestürtzet / sondern auch / aufs neue / wegen einer Mordthat gefangen liget. Uber das / ist sein Geschlecht und geführter Wandel ganz unbekant / und wird / die Erlösung von Sophoxenien / bey allen Verständigen / nicht in geringem Argwahn der Zauberey gehalten. Ist dannenhero sehr gefährlich / sich mit ihm in Freundschafft einzulassen. Ob ich nun wohl weiß / daß sie selbsten viel vernünfftiger und vorsichtiger ist / als daß sie wissend- und vorsetzlich / sich einem so verrufften Menschen vertrauen solte: Jedoch / weil der Dampff der Liebe gemeiniglich das Liecht des Verstandes vernebelt / auch nicht jederman so kühn ist / eine so verdrießliche Zeitung vor ihre Ohren zu bringen: als habe ich / in[211] der Zuversicht ihrer Vertraulichkeit / solches wagen / und mit dieser Erinnerung einkommen wollen.

So bedenke sie dann diese Sache wol / liebste Macarie! dann alles Thun dieses menschlichen Lebens /ist unbeständig und dem Wechsel unterworffen: aber der Ehestand bleibet stehen / oder stürzet uns / in seinem Untergang / auch mit zu Boder. Ist derowegen billig / daß man offt erwäge / was nur einmal kan beschlossen werden. Und wann sie ja Lust zu heuraten hat / warum erwählet sie nicht den Eusephilistus: der sie so aufrichtig liebet / und dessen gutes Geschlecht /Vermögen / und Gemüte ihr allerdings bekant ist? Ein fremder Freyer betreugt / oder wird betrogen: und ist nichts gefärlichers / als in dieser Handlung / daran unsere gantze zeitliche Wolfart hanget / dem blossen Ansehen oder Worten glauben. Sie ist ja / schöne Macarie! die Zier der Insul Soletten / und der Ruhm aller hiesigen Inwohner / wird auch von denselben / ihrem Verdienst nach / geehret und bedienet: Warum wolte sie dann ihre Ehre mit eines andern Schande beflecken / ihre so gewogne Freunde verlassen / und in einem unbekanten Lande Herberg suchen? Ich bitte nochmals / wo es seyn kan / mit dem Versprechen inn zu halten / und meiner treu-gemeinten Warnung statt zu geben.

Macarie / hatte diese Rede mit nicht geringer Bestürtzung vernommen / und gabe folgendes zur Antwort: Gewogne Frau Mutter! ich rühme billig die Aufrichtigkeit ihrer Freundschafft / die mir so unverfälscht entdecket / was mir gefährlich zu seyn scheinet. Ich verspreche auch / solchem schuldige Folge zu leisten / und mich viel eher mit dem[212] Grab / als mit einem lasterhafften Menschen zu vermählen. Gleichwol zwinget mich die Billigkeit / dieauchder Feinde Recht befördert / den Polyphilus / den ich noch zur Zeit weder zu lieben / vielweniger zu heuraten / entschlossen bin / sowohl wegen Ermordung des Philomati / als wegen dieser Gefängnus / mit gewisser Nachricht zu entschuldigen. So wird auch die Erlösung von Sophoxenien / ohne sein wissen und befördern / vor zauberisch gehalten. Die Tugend stehet fest bey der Warheit / und lässet sich weder Gunst noch Feindschafft / sie zu beschützen / abhalten. Ich habe /in der wenigen Kundschafft / die ich mit Polyphilus gehabt / wiewohl sie gar groß ausgegeben wird /keine Laster / sondern vielmehr / ein Kunst- und Tugend-begieriges Gemüte wargenommen: halte ihn demnach / der aufgebürdeten Ubelthaten / so lang unschuldig / biß ich davon ein gewissers Zengnus erhalte / oder genäuer nachzufragen Ursach bekomme. Ich kehre mich auch nicht an das gemeine Geschrey: dann meine geehrte Frau weiß selber / wie ungewiß solches sey / und wie der verstand-lose Pöfel allezeit dem Glück nachäffet / und die jenige / so von ihm erhaben / noch höher zu setzen / die aber / welche verstossen werden / vollends in das Verderben zu stürtzen suchet. Doch will ich ihn auch nicht weiter / als mir wissend / verteidigen / sondern ihn bleiben lassen /wer er ist. Inzwischen begehre ich weder ihn / noch den Eusephilistus (welchen ich keineswegs verachte /und nur mich seiner Liebe unwürdig schätze) zu lieben / sondern gedenke in der sichern Einsamkeit zu verharren. Meiner geehrten Frau Mutter aber / danke ich nochmals / vor[213] ihre getreue Vermahnung / und werde dieselbe nach Müglichkeit verschulden.

Diese Rede / wie sie von Macarie gar bescheiden vorgebracht wurde / also erweckte sie in Adalgis gantz andere Gedanken / daß sie solche billigte / und sagte: Ihre sittsame Antwort / Tugend-gezierte Macarie! ist freylich viel vernünfftiger / als die Anklage der gemeinen Menschen / die nur nach dem äuserlichen Ansehen / welches sehr betrüglich ist / urtheilen. Nun zweifle ich nicht / sie werde in diesem Beginnen /mehr der Klugheit und Tugend / als der verblendten Liebe folgen; und bitte / mir meine unnötige Vorsorge zu vergeben / mit dem Versprechen / daß ich hinwiederum ihr Vorhaben nach aller Müglichkeit befördern wolle.

Macarie / bedankte sich für den freundlichen Willen / und schiede Adalgis von dannen / die Macarie in tausenderley Gedanken hinterlassend / wie doch ihre Liebe noch ablauffen würde. Was habe ich doch / (gedachte sie) endlich zu hoffen / oder zu fürchten? Soll ich den Polyphilus / wider aller Menschen Raht und Willen / lieben? das ist gefärlich. Soll ich die Insul Soletten / welche mich eine geraume Zeit glückseelig versorget / verlassen / und in einem fremden Land Herberge suchen? das ist bedenklich. Soll ich den Eusephilistus / dessen Liebe ich / mit Frolocken dieser gantzen Insul / geniessen könte / verwerffen? und den verhassten Polyphilus / zu meinem Verderben / erwählen? Wer wird dann künfftig mitleiden mit meinem Unglück haben? Adalgis hat freylich recht geredet. Dann was mangelt dem Eusephilistus: daß ich lieber mit Polyphilus im Elend / als mit ihme im Wolstand[214] solte leben wollen? ist er nicht eben so ein wohlgestalter Mensch / als jener? Liebet er mich nicht eben so beständig als jener? Ist er nicht von eben so höflichen und zierlichen Gebärden und Worten / als Polyphilus? Wer saget mir dann / ob Einfalt und Warheit / oder List und Kunst / höher zu schätzen seyen?

Ach Himmel! (rieffe sie ferner) zeige mir doch einen Weg / dieser Gefärlichkeit zu entrinnen / und das sicherste zu erwählen. Doch was mache ich? habe ich nicht einmal versprochen / den Polyphilus vor Eusephilistus zu lieben? worzu dienet dann dieses vergebliche Wehlen? Ich habe ja gelernet / das Glücke /wegen der Tugend / zu verachten: Warum wird mir dann die Ubung so schwer? und / wie darff ich mich auch erkühnen / eine Vergleichung zwischen diesen beeden anzustellen? oder in welchem stück / setze ich Eusephilisten dem Polyphilus an die seite? Nein! nein! liebster Polyphilus! Ihr allein seit würdig / des Ruhms eines vollkommenen Liebhabers. Ihr allein sollet meiner Gunst geniessen / und solte ich noch so viel deßwegen ausstehen. Darff ich nicht öffentlich lieben / so liebe ich heimlich. Wer weiß / wie es noch ablauffet? das Spiel ist noch nicht zu Ende. Das Glück küsset öffters / nach den Schlägen. So ist auch das Unglück der Unbeständigkeit unterworffen / und wird von der Gedult / ohne Waffen und Gegenwehr /überwunden.


1.

Ich liebe mit Bestand / und lasse mich kein Leiden /

Wie viel sich dessen find /

Kein Unglück oder Noth / von dir / mein liebes Kind!

Und deiner Liebe scheiden.[215]

Die Furcht ist / bey Gefahr / gar übel zwar zu meiden:

Doch ist sie viel zu schwach / die Liebe abzuschneiden.


2.

Es wird / der Funcken Glut / mit Asche zwar bedecket /

Und scheinet gantz vernicht:

Doch / komt ein kleiner Wind / so wird ihr helles Licht /

Von neuem aufgewecket.

Es wird die Liebes-Flam durch Unglück offt verdunkelt /

Die / wann sie Lufft bekomt / mit tausend Stralen funkelt.


3.

Es ist doch gar umsonst / die Sinnen abzuhalten /

Die einmal schon verliebt.

Durch Haß und Hinternus / wird zwar das Herz betrübt:

Doch kan es nicht erkalten.

Dir bleibet es allein / Polyphilus! ergeben /

Und soll die gantze Welt umsonst darwider streben.


Eben hatte sie diese Zeilen zu Papier gesetzet / als ihre Dienerin ihr ankündigte / wie Phormena sie zu besuchen angekommen: worüber sie in Hoffnung / einige Nachricht von ihrem Polyphilus zu erhalten /nicht wenig erfreuet wurde. Sie stunde behend auf /legte das Papier / damit es Phormena nicht warnehmen möchte / auf eine seite / und wolte ihr entgegen gehen: die aber eben in das Zimmer eintrate / und einen gnädigen Gruß von der Königin ablegte. Macarie name solches mit tieffem Dank an / und fragte: durch welche Gelegenheit / sie dißmal mit ihrer Gegenwart beglückt würde? oder aus was Ursach sie in dieser einsamen Insul angekommen? Sie zu besuchen / (versetzte Phormena) auch auf Befehl der Königin und Melopharmis / ihr zu verkünden / daß nunmehr Polyphilus / seiner unschuldigen Gefängnus befreyet / und auf der Heimreise begriffen / auch seine eheste Ankunfft / durch einen Boten / allbereit wissen[216] lassen. Macarie wurde zwar / über dieser Nachricht /mit unglaublicher Freude umgeben / wolte aber doch selbige gegen Phormena / aus Mißtrauen / nicht entdecken / sondern gab diese kalte Antwort: Ob ich wol von dieser Botschaft keinen Vortheil habe / so höre ich sie doch gern / wegen der Billigkeit / die auch über anderer Wolfart mich Freude schöpfen heisset. Aber / ist sie bloß deßwegen herüber gekommen? Nein! (begegnete ihr Phormena) sondern es lässet auch Melopharmis fleissig bitten / daß sie / kluge Macarie! von dem verletzlichen Bericht / welchen sie /wegen des Polyphilus / auf unwarhaffte Zeitungen /und aus übereilter Mütterlicher Liebe gegen ihren Sohn / jüngsthin durch mich anbringen lassen / gegen dem Polyphilus / wann er sie zu besuchen kommet /nichts gedenken wolle. Sie erbietet sich hingegen vor diese Willfarung / so wohl dem Polyphilus / als auch ihr selbsten / schönste Macarie! zu ihrer beyder bästem / nach allen Kräfften zu dienen.

Diese Bitte (gab Macarie zur Antwort) kommet ganz unnötig / weil ich vielleicht den Polyphilus nimmer wieder sehen werde / auch wegen der Gefahr und Unruhe / darein mich seine Freundschafft gestürtzet /nach seiner Besuchung gantz kein Verlangen trage. Uber dieser verächtlichen Rede zereifferte sich Phormena dergestalt / daß sie mit zimlicher Bewegung antwortete: Ich weiß nicht / soll ich diese Antwort /einem Haß gegen dem Polyphilus / oder einem Argwahn gegen mir / zuschreiben? Ist es meinetwegen /so lebe sie versichert / daß ich dem Polyphilus mit gebürlicher und aufrichtiger[217] Freundschafft zugethan bin / und seine Liebe gegen ihr nicht allein billige /sondern auch / so viel an mir ist / befördern will. Und ob ich schon neulich etwas fremd von ihm geredet / so ist doch solches / vielmehr aus Gehorsam gegen der Königin / und aus Fürwitz / Macarien Liebe gegen ihm zu prüfen / als aus Feindschaft und Widerwillen /hergeflossen / wie ich ihm auch selbsten erzehlen will. Hat sie also an meiner Treue nicht zu zweiffeln /oder deßwegen gegen mir behutsam zu reden.

Solten aber ihre Worte / geehrte Macarie! (sagte sie ferner) aus Verachtung gegen dem Polyphilus herrühren / so ist sie gewißlich eine Tyrannin / so wohl gegen ihme / als gegen ihr selber / weil sie ihn vorsetzlich in Verzweiflung stürtzet / und sich selbsten damit des allerwürdigsten Liebhabers beraubet. Sie bedenke doch / Macarie! wie hoch er sie ehret / wie getren er sie liebet / wie viel er ihrentwegen leidet /und wie wenig sie seines gleichen findet. Kan sie seine Schönheit und Höflichkeit / seine Geschicklichkeit und Tugend / seine Liebe und Beständigkeit / und die Gedult / mit welcher er alle ihre Grausamkeit und Verachtung / eine so lange Zeit / vertragen / nicht zur Gegen-Liebe und Mitleiden bewegen / so ist sie warhaftig wilder dann ein Tyger / und unbeweglicher als ein Felse / wird auch solche Unbarmhertzigkeit mit spater Reue büssen. Sie vergebe mir / schönste Macarie! die Hefftigkeit dieser Worte / und erwäge mehr die Gerechtigkeit / welche sie führen / als die Künheit / die sie begleitet. Sie lasse nit / unter den vielen Tugenden / so in ihrem Gemüte wohnen / die schändliche Undankbarkeit nicht einschleichen; sondern gebe vielmehr[218] / der Gewogenheit gegen dem Polyphilus / denselben Platz ein / und erfreue mich mit einem freundlichen Gruß an ihn / damit ich eine angeneme Botschaft bringen könne.

Wer ist nun übler daran / als Macarie? die in einem Tag auf so ungleiche Art / gestraffet wird / und sonsten mehr des Ruhms / als der Strafe gewohnt gewesen. Es ist doch wahr / daß ein verliebtes Gemüte jedermans Spott oder Verachtung seyn / und offt so ungleichen Raht anhören muß / daß es mehr in Verwirrung / als in Sicherheit geleitet wird. Wäre es auch Wunder gewesen / wann sie sich über diese unbestellte Hofmeisterin erzürnet / und ihr eine schimpfliche Antwort ertheilet hätte? Aber Macarie ist viel zu gedultig / die Phormena zu beleidigen; und viel zu verliebt / sich an der Beschützerin ihres Polyphilus zu rächen: deren Straffe ihr so angenehm war / daß sie auch einen Trost darinn fande. Geehrte Phormena! (gabe sie ihr zur Antwort) Ihre behertzte Rede / ist ein beglaubter Zeuge / daß sie dem Polyphilus sehr geneigt sey. Und ob ich wohl viel dagegen sagen könte /so wäre ich doch willig / ihr zu folgen / wann nur andere nicht so stark dagegen redten. Sie zwar heisset mich den Polyphilus lieben / und meinet / daß ich im Gegentheil unbillig und tyrannisch handle. Aber /noch heute / ist eine verständige Matron bey mir gewesen / und hat durch allerhand Ursachen mich bereden wollen / daß ich mit solcher Liebe unvernünftig /gefärlich / und schädlich verfahren würde. Welchen Weg werde ich dann nun / ohne Laster / betretten? Bleibe ich nicht viel sicherer in der Einsamkeit stehen / als daß[219] ich eine so gefärliche Strasse wandele /und diese zweiffelhaffte Liebe erwähle.

Wann nicht die jenige / (gab Phormena hinwiederum zur Antwort) welche ihr die Liebe des Polyphilus gefärlich und schädlich vormahlen / mehr aus Feindschaft / und unwahrem Geschrey / als aus Aufrichtigkeit und Wolwissen redeten / so würde sie billig in Zweiffel gesetzet. Allein sie weiß / geehrte Macarie! wie der unschuldige Polyphilus / von den Inwohnern dieser Insul / jederzeit wider Verdienst / gehasset und verfolget worden. Sie hat auch sein tugendhaftes Gemüt aus so vielen Umständen erlernet / und wird leichtlich schließen / was warhaftig / oder aus Affecten geredt sey. Aber was führen sie dann vor Ursachen ihrer Verwarnung? Und aus welchem Grunde schätzen sie die Freundschaft des Polyphilus so gefärlich? Sie geben vor / (sagte Macarie) daß er ein fremder / dessen Geschlecht und Leben unbekant / der auch schon zum andern mahl / wegen eines Mords /gefangen lige / und durch die Erlösung des Schlosses Sophoxenien / viel mehr verdächtig / als berühmt worden. Daher ich viel sicherer / den Eusephilistus in einem bekanten Lande / als diesen auf ein Unbekantes / erwählen solte. Ich dachte wohl / (versetzte Phormena) diß würde das Ziel seyn / darauf die vorhergehende Pfeile gerichtet waren / nämlich die Verstossung des Polyphilus / und die Erwählung des Eusephilistus. Die andere Beschuldigungen / haben keiner Widerlegung vonnöten / weil sie / kluge Macarie! selbsten weiß / daß Polyphilus aller solcher Auflagen unschuldig. Demnach wird sie dergleichen partheiliche[220] Rathgeber verwerffen / und mehr nach ihrer eignen Wissenschaft / als nach diesen falschen Anklagen verfahren.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 207-221.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Flucht in die Finsternis

Flucht in die Finsternis

Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«

74 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon