Schluß-Gedicht des Zweyten Buchs.

[276] Hier folget nun das zweyte Buch / so den bekehrten Schäfer zeiget:

Nicht / wie zuvor / am hohen Hof / und in den Stand der Eitelkeit;

Nein! sondern bey der Wollen-Herd / in einem weissen Schäfer-Kleid.

Er lehret / daß der falsche Pracht sich nicht der Hirten-Lust vergleichet.

Deßgleichen weist Macarie / die mit Vernunft und Liebe streitet /

Und ihren Sieg / jezt diesem Theil / und bald dem andern leget bey /

Nachdem der Zufall sie betrifft: wie das Gemüt ein Schauplatz sey /

Ein Reich / da der Gedanken Heer offt feindlich in zwey Hauffen reitet /

Biß einer Herr im Felde bleibt. Die Atychintide lässt sehen /

Die ungeacht der Jahre Zahl / und ihres Standes Herrlichkeit /

Der blinden Wollust setzet nach: daß / wer sich einmal nicht gescheut

Zu treten auf die Laster-Bahn / daß es um solchen sey geschehen.

Bey Melopharmis Hülf und Rath / ist eine Reu des Grims zu schauen /

Mit dem sie vormals wider recht / und aus gekränktem Mutter-schmertz /

Polyphilum so sehr verfolgt: darum ergezt sie nun sein Herz /

Und will auch in den Schäferstand ihm ihren liebsten Sohn vertrauen.

Der recht getreue Agapist gesellt sich gleichfalls zu den Hirten /

Und wählet die vergnüate Ruh / verknüpffet mit dem Freundschafft band.

Was er so lang umsonst gesucht / das findt er jezt im Schäferstand /

Der dieses lieb-vertraute Paar mit Glück und Freude kan bewirten.[276]

Nun lernet / die ihr Tugend liebt / den Irrweg zeitlich zu verlassen.

Beklettert nicht die hohen Berg: es hausen freche Winde da.

Hingegen ligt der Demut-steig / dem schönen Schloß der Tugend nah /

Drum geht auf dieser sichern Bahn / und weichet nicht auf fremde Straßen.

Verknüpfft die Liebe mit Vermmft / im fall sie schon hat überwunden

Das Hertz / die Vestung des Gemüts. So lang sie die Gefärtin hat /

Bleibt ihre Herrschafft gantz gerecht. Verlasst ihr aber klugen Raht /

Und führt die Torheit euren Sinn an ihrem Lasterstrick gebunden:

So fehlet ihr des rechten Wegs. Die Stricke führen zum Verderben /

Die Wollust stürzet in den Thal / da lauter Reu und Schande ligt.

Drum streitet / wolt ihr bleiben frey / biß diese Feindin ist besiegt.

Wer nicht erwürgt die böse Lust / den macht ihr Gifft mit Schmertzen sterben.

Wann ihr / aus übereilten Grimm / habt ohne Schuld den Freund verletzet /

Und zu der Ungedult verleitt: so eilet / die erhitzte Rach /

Wit Freundlichkeit / zu wenden ab / und sezt dem Haß die Gutthat nach /

Daß alles / durch die Tugend-Wag / werd in gerechten Stand gesetzet.

Und letzlich liebt Beständigkeit / die ein vergnügtes Freuden-Leben /

Nach überstandner Unglücks-Noth / getreuen Freunden gibt zu Lohn.

Die Laster stürzen Höllen-ab. Wer Tugend liebt / erlangt die Kron.

So folget treulich ihrem Tritt: wie dieses Buch Bericht gegeben.
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Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 276-278.
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