Dritter Absatz

[478] Atychintide / lässt den Polyphilus wieder von sich /und beredet sich mit Phormena / wie man ihn von Macarie trennen möchte. Sie wird von der Apatileucheris besucht und eingeladen. Ihrer beyder Gespräche / vom Polyphilus. Nach genommener Abrede mit Phormena / schicket sie die Melopharmis und den Servetus zum Polyphilus / und fährt zur Apatileucheris: dahin auch die Macarie und den Eusephilistus zu bringen / Phormena und ein Diener nach Soletten abgefärtigt werden. Des Polyphilus und Macarien Briefwechsel von seiner Unpäßlichkeit.


Polyphilus suchte unterwegs alle Höflichkeit hervor /so er jemals gelernet / und vermeinte damit die Königin / wegen des gestrigen[478] Verdrußes / auszusöhnen: wordurch er aber nur ihre Liebe gegen ihm und den Vorsatz mehrte / seine Wechsel-Liebe mit Macarien zu verhintern. Sie erzeigte sich zwar auf das allerfreundlichste / und bemühete sich / diese zween Tage / allerhand Kurtzweil und Freude anzustellen /ließe auch diese Schäfere / weil sie sich nicht länger wolten aufhalten lassen / mit großen Geschenken wieder abreisen. So bald aber Polyphilus hinweg war /und die Künigin die Schmerzen ob seiner Abwesenheit anfienge zu fühlen / ließe sie / solche zu lindern /die Phormena zu sich in den Garten fordern / und befahl indessen der Melopharmis ein ander Geschäffte /damit sie mit ihr allein seyn möchte.

Ihr wisset / getreue Phormena! (sagte sie zu dieser) mit was vor einem Schluß wir von Soletten abgezogen / und wie ihr mir daselbst zugesagt / des Polyphilus Liebe gegen Macarien / nach eurer Klugheit / zu verhintern: welches dann in warheit höchst-nötig ist. Ich habe alles reiflich erwogen / und die Sache / die Länge und die quär überlegt / befinde aber ganz nicht rahtsam / den Polyphilus in diesem Irrtum stecken zu lassen. Die Jugend fähret unvorsichtig / und hält öffters das vor den Weg des Glückes / welches doch die Straße zum Verderben ist. Wüste Polyphilus nichts von Macarie / er würde seine Hand / die zu etwas höhers tüchtig scheinet / nimmermehr an den Schäfer-stab gelegt haben. Aber Macarie / ist die Pest seines Glückes / und der Tod seiner Ehre: wie er mit der Zeit selbst / aber allzuspat / beklagen wird. Dann so lang seine Sinne von der Zauberey der Liebe eingenommen sind / kan er seinen Untergang[479] nicht warnehmen. Die Vernunft ist dem Gemüt eines Verliebten / wie eine Latern in der Hand eines Blinden. Wie dem jenigen /der durch ein grünes Glaß sihet / alle Sachen grün vorkommen / ob sie gleich ganz anderer Farbe sind: also dünket auch den Polyphilus / so lang er durch das Glas seiney Einbildung sihet / alles / was ihm die Liebe der Macarie befördert / recht und löblich seyn. Darum muß man diesen verblenden Gimütern / die Brille von den Augen thun / welche ihnen die Liebe aufgesetzt / damit sie nicht in ihrer Blindheit fort fahren / und verderben:

E. Maj. (sagte Phormena) haben alles verständig beobachtet / und ich befinde mich auch schuldig und willig / hierinn nach allen Kräfften zu dienen. Wiewol mir der Handel viel schwerer vorkommet / als ich zuvor vermeinet: sonderlich / weil er keinen Verzug leidet. Dann so viel ich vernommen / wird Polyphilus mit nächsten die Macarie abholen: weil er zu Ruthiben nit allein den Schutz vor die Heerde / sondern auch die Hoffnung zur Fördernis erlanget; worauf er seine Liebste / unter den Geleite von Ruthiben / ganz sicher von Soletten hinweg bringen kan. Hilff Gott! (rieffe Atychintide / mit erschrockenen Gebärden) so eilet / diese Frucht / mit der Wurtzel / auszurenten /welche so bald zu reiffen beginnet. O du treulose Melopharmis! welche Strafe wird deine Lasier austilgen? Ach Phormena! lasset mich in dieser Bestürtzung nicht ohne Raht. Ich will lieber einen Theil meines Glückes verlieren / als zugeben / daß diese Verehlichung ihren Fortgang gewinne. Ich will gern / (gab Phormena zur Antwort)[480] das meinige thun / bin auch bißher nicht müßig gewesen / sondern habe hin und her gedacht / und allerley Anschläge gehabt / davon mir doch keiner gefallen will. Ich befinde List und Gewalt bey diesen Verliebten unkräfftig / so lang sie sich nicht selbst veruneinigen: welches man dann nicht eher erlangen könte / als durch die Eifersucht /die zwar aus der Liebe geboren wird / aber seine Mutter bald nach der Geburt erwürget. Was weder Noht noch Gefahr / weder Kunst noch Unglück entzweyen kan / das trennet die Eifersucht: welche / gleich einem Rauch / die Flamme der Liebe erleschen macht. Könten wir dieselbe zwischen diese Verliebte bringen /wir wolten unser Vorhaben wol erreichen.

Ihr redet wol / Phormena! (versezte die Königin) aber wo finden wrr diese Drachen-Zähne / aus welchen die Uneinigkeit wachsen soll? Den Polyphilus (sagte Phormena) wolte ich bey Macarie / durch die Schäferin Volinie / die er unterweilen bedienet / leicht verdächtig machen: wie wir aber Macarien beykommen / das kan ich nicht absehen / weil sie allen Argwahn fliehet. Doch / wann ich Gelegenheit ersinnen könte / den Eusephilistus / des Polyphilus Neben-Buhler / irgend mit ihr zusammen zu bringen / hätte ich noch Hoffnung / ihn eiffern zu machen. Solte man das nicht thun können? begegnete ihr Atychintide. Ich will sie beyde zu mir herüber laden. Das ist verdächtig / (antwortet Phormena) und wird ihnen bald einen Argwahn an die Hand geben: sonderlich / weil Melopharmis zugen ist. Ich will einen andern Ort / zu diesen Vorhaben erdenken.

Aber sehet / wie die Boßheit allezeit eher / als dir[481] Tugend / befördert wird. Eben / als diese beyde noch ratschlagten / kam Erothemitis / und berichtete / wiedaß Apatileucheris von Montefessen / die Königin zu besuchen / angekommen wäre. Atychintide wunderte hierüber / aber Phormena führte sie auf die Seite / und sagte: E. M. seyen frölich! diese wird uns Mittel an die Hand geben / unsern Vorsatz auszuführen. Wann nur Melopharmis uns nicht verhinterlich ist / hoffe ich jetzo zu erlangen / was sie wünschen. So gehet ihr /(sprach die Königin) mit Erothemitis hervor / sie zu bewillkommen; befehlet aber vorher der Melopharmis / die Küche zu bestellen / damit wir vor ihr sicher bleiben. Phormena gieng eilends / dieses zu verrichten / und brachte endlich die Apatileucheris zur Königin / die ihrer im Garten wartete. Diese / nachdem sie der Atychintide Rock geküsset / sagte: Durchleuchtigste Königin! E. Maj. bewundere nicht / daß / deroselben unterthänigst aufzuwarten / ich mich hieher verfüget. Die Glückseeligkeit der Solettischen Inwohner /deren Jahr-Fest / E. Maj. unlängst mit ihrer hohem Gegenwart geehret / heisset mich gleiche Beseeligung hoffen / und zwinget mich / E. Maj demütig zu ersuchen / daß sie gnädig geruhen wollen / auch unserm Fest / welches in etlichen Tagen wird gefeyret wer den / dero hochansehliche Gegenwart zu gönnen. Heroarcha / mein Liebster / welcher E. Maj. sich unterthänig befehlen lässet / führet mit mir gleiche Bitte /und erwartet einer gnädig-gewürigen Antwort.

Ich sage Dank / (erwiederte die Königin) für die Einladung / fürchte aber / damit Unkosten zu[482] verursachen / zumal ich / wegen neulicher Bewirtung / noch in Schulden stehe. E. Maj. (versetzte Apatileucheris) werden durch eine Fehlbitte / meine Reise nicht unglücklich machen. Ich wil sehen / (sagte Atychintide) was die Zeit leiden wird. Ihr werdet aber heute bey uns Malzeit halten / wann wir hinwieder zu euch kommen sollen. Wann es E. Maj. gnädig befehlen /kan ich mich darwider nicht entschuldigen: sagte Apatileucheris / und verwilligte zu bleiben. Sie hatte mit der Königin allerhand Gespräche / biß sie zu verstehen gab / was sie suchte: Dann sie hatte diese Besuchung bloß wegen des Polyphilus vorgenommen /in welchen sie sich ehedessen häftig verliebet / auch von ihm gleiche Zeichen der Gegen-Liebe / zusamt der Verheisung / sie bald wieder zu sprechen / erhalten: worauf sie aber bißher vergeblich gewartet / weil Polyphilus / durch die Liebe Macarien / ihrer vergessen / auch die Stunde / darin er sie geliebet / verfluchte / also daß sie nicht das geringste weiter von ihm vernehmen konte / auch wegen der Furcht / bey ihrem Eheherrn Heroarcha einigen Zweifel ihrer Treu zu er regen / nicht öffentlich nach ihm fragen dörfen / biß ihr diese Einladung der Atychintide / Gelegenheit gab / zu fragen / wie es doch Polyphilo / dem Erretter dieses Schloßes / gienge / und wo er sich aufhielte?

Polyphilus (gab die Königin zur Antwort) ist nun ein Schäfer. Ein Schäfer! riesse Apatileucheris: deß muß ich mich ja wundern; wie ist er auf diesen Vorsatz kommen? Das weiß der Himmel! versetzte Atychintide Er wendet eine Weissagung vor / aber sie dünket mich sehr zweifelhaft.[483] Ich habe mich nach allem Vermögen bemühet / dieses Vorhaben zu hintertreiben / aber alles umsonst: Polyphilus würde eher die Welt / als seinen Schäferstand verlassen. Hat er vielleicht eine Liebste / (fragte Apatileucheris) die ihn zu den Hirten treibet? So viel ist es! begegnete ihr die Königin. Macarie von Soletten / das unschätzbare Tugend-Bild / wie sie Polyphilus abmahlet / hat seinen Sinn also eingenommen / daß er von nichts / als dem Hirtenstande / hören will. Ich habe (erwiederte Apatileucheris) schon oft diese Macarie rühmen hören / und hoffe nun / weil E. Maj. selbst zu Soletten gewesen /ein gerechtes Zeugnus von ihrer Würde zu vernehmen. Ich bin / die warheit zu bekennen / (versetzte die Königin) eben deßwegen in die Insel gereiset: weiß aber fast eben so wenig / als zuvor / was ich davon sagen soll. Allen Ruhm begehr ich ihr nicht zu nehmen / dann das wäre wider die Billigkeit / weil ich befunden / daß viel Gaben und Tugenden / sich in ihr vereinigen. Daß sie aber so unvergleichlich sey / wie sie Polyphilus rühmet / der sie über alle andere erhebt / will mir nicht zu Sinn. Ich spreche kein Urteil /biß ihr / Edle Apatileucheris! sie selbst gesehen und gesprochen. So bleibet es wol ohne Schluß / (gab Apatileucheris zur Antwort) weil ich keine Gelegenheit zu ihrer Freundschaft oder Besprechung habe.

Die kan man bald finden! redte Phormena darzwischen. Sie lasse / Edle Apatileucheris! Macarien zu sich aufs Fest beruffen. Das wolte ich wohl thun /(gab diese zur Antwort) allein / was wird sie gedenken / weil ich ganz unbekant bin?[484] Wann ich hinauf zu dem Fest fahre / (sagte die Königin) will ich sie selbst abholen lassen. Da hätte ich doppelte Ursach zu danken: sagte Apatileucheris. Gewiß ich will es thun: (versetzte die Königin) aber lasset euch jezt bey der Tafel nichts von Macarie vernehmen / weil Melopharmis und meine andere Bediente / solches dem Polyphilus kund machen / dieser aber Macarien die Reise widerrahten dörffte: und damit sich auch diese nicht wegere zu erscheinen / kan sie / Edle Apatileucheris /den Eusephilistus / als den Vornehmsten zu Soletten /oder jemand andern / dazu beruffen lassen. Wie es E. Maj. befehlen / (gabe Apatileucheris zur Antwort) nur daß ich Macarien zu sehen bekomme.

Es hofte aber diese / von derselben die Gewißheit der Liebe des Polyphilus zu erforschen. Atychintide hingegen gedachte / daß nun ihre Sache halb gewonnen / und schätzte dieses Mittel / von dem Glück selbsten gesendet; nahm die Apatileucheris mit zur Tafel / und erzeigte sich gar frölich. Weil sich aber selbige nicht lang aufhalten kunte / als nahme sie bald nach der Tafel Abschied / und sagte die Königin / daß sie bey ihrer Entschließung bleiben wolte / und ließe sie damit wieder zu Pferd sitzen / dann also war sie angekommen.

So bald sie nun hinweg / fragte Atychintide die Phormena: wie ihr der Handel gefiele? Es hätte nicht beßer kommen können! antwortete diese. Nun hoffe ich E. Maj. Furcht abzuwenden. Sie belieben nur meinem Raht / und sehen / wie Macarie mit Eusephilistus zusammen komme. Das soll schon geschehen! begegnete ihr die Königin.[485] Wie wollet ihr es aber anstellen / daß sie beyde in Eifer gerahten? So bald Macarie nach Montefassen komt / (erwiederte Phormena) will ich derselben die Freundschaft des Polyphilus / mit der Schäferin Volinie / so unschuldig und einfältig /zu wissen machen / daß sie zu eifern wird gezwungen seyn. Dem Polyphilus aber / will ich gleicher gestalt berichten / daß Macarie mit Eusephilisto ausgereiset: der darüber gewiß ungedultig werden muß / sonderlich wann ihm Macarie / aus Zorn wider seine vermeinte Untren / keine Freundlichkeit erweiset. Da dann E. Maj. ihn hieher beruffen / und weil er im Zorn / leichtlich anderst bereden können. Doch muß Melopharmis und Servetus vom Hof geschafft werden / ehe wir dieses vornehmen: dann wo auch diß mißlingen solte / würde ich an allem andern verzweiffeln / das doch / wann Melopharmis davon wissen solte / leicht geschehen könte.

Ihr habt recht! sagte Atychintide. Aber wo schicken wir die beyde hin? Zu den Schäfern! versetzte Phormena. E. Maj. lassen Polyphilo das Geschenk / welches Apatileucheris mitbracht / überbringen / das Melopharmis gern thun wird. Es war aber selbiges ein herrliches Schau-Gericht / von Zuckerwerck künstlich zubereitet / welches die Geschicht des Narzissus / der die Liebe der Nymfe Echo verachtend / sich in seine eigene Schönheit verliebet / und dadurch zur Blumen worden / vorstellte: solches hatte Apatileucheris mitgebracht / daß Polyphilus / welchen sie alda zu finden verhoffte / die Strafe der Verachtung gegen einer Damen Liebe erkennen solte. Die Königin war[486] damit zu frieden / (dann sie hätte wohl all ihres Reichtums hierin nicht verschonet) und sagte / daß sie solches morgen anstellen wolte.

Dieses zu vollziehen / sprach sie des andern Tages / über Essen: Was werde ich mit meinem künstlichen Schau Gericht machen? Ich wolte / daß es Polyphilus hätte: dann ich weiß doch wohl / daß es Apatileucheris / deren er wohl ehemals günstig gewest / seinetwegen machen lassen. Wann ihr so gutwillig wäret / Melopharmis! ihm solches / und zugleich einen schönen Gruß / von Apatileucheris zu überbringen: ohne zweifel / wird er darüber lachen. Ich will euch Serveten mitgeben / der es tragen soll. Eilet nur damit: dann wo es länger stehet / möchts verderben. Wann es E. M. befehlen / (sagte Melopharmis) will ich es gern einhändigen. Ach ja! (versetzte Atychintide) nehmet die Mühe auf euch. Ich wolte zwar gern auch Phormena mitgeben: allein die Zeit wird mir / in eurer beyden Abwesen / gar zu lang: so weiß ich auch nicht / ob nicht Heroarcha weiter anhalten möchte / uns aufs Fest zu bitten / so hätte ich niemand bey mir: also muß sie hier bleiben / und kan ein andermahl die Schäfer besuchen. Ihr aber dörffet desto weniger mit der Widerkunft eilen / und könnet vielleicht die Schäfer / auf einer spazir. Reise / mitbringen. Ich will es versuchen! sprach Melopharmis /und seumte hierauf nicht lang / mit dem Servetus und dem Schau-Gericht abzureisen. Also wurde die sonst listige Melopharmis hinweg betrogen.

Die Königin hingegen ließe / so bald sie hinweg /die Reise nach Montefessen bestellen / und fuhre[487] mit Phormena und Erothemitis / von nur zwey Lackeyen begleitet / einen Tag vor dem Fest / dahin: wurde auch von Heroarcha / der diese Gnade gar hoch schätzte / herrlich empfangen / und bewirtet. Als sie über Tafel / unter andern / von Macarie zu reden kamen / sagte Heroarcha: wiedaß er sie wol kenne /und etlich mal um sie gewest wäre; fienge hernach an sie rühmen. So möchte ich dann (sprach Apatileucheris) diese vollkommene Macarie wohl kennen. Ich will sie hieher bitten lassen: sagte die Königin. Wann es E. Maj. nicht beschwerlich / (versetzte Apatileucheris) hätte ichs vor eine sonderbare Gnade zu rühmen / und könte meine Begierde in ihrer Erkentnus sättigen. Wohl! (gab die Königin zur Antwort) man lasse sich nur gefallen / jemand von Soletten zugleich mit zu erbitten: so soll Phormena morgen hinab fahren / und sie abholen; dann ganz allein möchte sie Bedenken tragen / zu uns zukommen. So wollen wir /(sagte Apatileucheris) den Eusephilistus mit einladen lassen. Ich will (sprach Heroarcha) einen Diener mitgeben / der den Eusephilistus und Kalferte / mit welchem ich auch etwas bekandt / zum Fest einladen soll: damit ich Gelegenheit mache / die schöne Macarie in unsre Gesellschaft zu bringen. Er wuste aber nicht /wie betrüglich die beyde listige und verliebte Frauen mit ihm umgiengen / und daß dieses alles schon vorher abgeredt gewesen.

Also ward der Raht beschlossen / und Phormena /des andern Morgens / samt einem Diener vom Heroarcha / in der Königin Carosse / nach Soletten ge schickt: und empfing sie von Atychintide keinen andern Befehl / als daß sie dieses Geschäffte[488] wol ablegen / und ja nicht ohn Macarien zurück kommen solte. So bald Melopharmis an das Ufer gekommen /ließe sie die Kutsche einstellen / und sich mit dem Diener übersetzen: dem sie befahle / keine abschlägige Antwort von Eusephilistus anzunehmen / sondern /so er sich wegern wolte / ihn zu berichten / daß auch Macarie mit hinauf fahren würde. Nachdem sie diß bestellet / verfügte sie sich zur Macarie.

Selbige hatte nach dem Abzug der Königin und des Polyphilus / nicht in geringer Sorge gestanden / daß die Inwohner / wegen dieser Besuchung / einen Haß auf sie werffen möchten / oder sie wohl gar / daß sie ihren Feind beherberget / anklagen dürfften. Als sie kaum dieses überwunden / bekame sie / durch das Gärtners Jungen / einen Brief vom Polyphilus / dieses lauts.


Mein Hertz!


Weil ich mich selbst überredte / daß sie Verlangen tragen werde / meinen Zustand zu wissen / als habe ich ihr denselben mit diesen Zeilen kund machen /und berichten wollen / daß ich nicht allein die erzürnte Königin wieder ausgesöhnet / sondern auch so gnädig verlassen / daß sie mich mit grossen Geschenken begabet / und ich also glücklich bey meinen Trifften angelanget. Wiewohl der Widerwillen / welchen ich in ihrer Aufwartung empfunden / mich nicht wenig gequälet: Wozu das Verlangen / nach ihrer Liebsten Beywohnung / mein Kind! und der Schmerze / den ich wegen ihrer Verlassung gefühlet /[489] so häuffig kommen / daß ich von unsrem Abschied an / biß in diese Stunde / mich unpäßlich klagen muß / und diese Nächte her / einen wenigen / ja offt wohl gar keinen Schlaf / annehmen können / und daher ganz erblast worden (wie das Gedicht / welches ich eben jetzt in den Garten verfertiget / zeuget) da dann der schertzende Agapistus sein Mütlein genug an mir gekühlet. Wird sie demnach / schönes Kind! mit einen paar Zeilen / mich dieser schmerzhaften Belegung entnehmen: dann allein ihre zarte Hand ist mächtig / meine erkrankte Sinne wieder zu erfrischen / und aufzuwecken / die erstorbene Seele /

Ihres getreuen

Polyphilus.


Das Gedicht / welches Polyphilus (als er in ihrem Garten den Jungen seinen Brief eingehändiget) verfärtiget / schloße er mit in den Brief / folgenden Innhalts:


Ach du lieb-gepriesner Ort! soll ich dich beraubet sehen /

Meiner schönen Schäferin / und in dir verlassen stehen /

Ohne die / so mich erhält? wie doch kränkt es meinen Sinn /

Wann ich weiner Augen-Liecht in dich leeren wende hin.

Dort in dem verborgnen Zelt / das kein Auge kont beschauen /

Wegen der verschloßnen Thür / pflegte sie die Gunst zu trauen

Meinen Wunsch und Bitt begehr; dort an jener obern Stell

Dorfft ich / Ach der süssen Lust! küßen ihres Mundes schwell.[490]

Dort auf jenem Sitz Geräht / pflegte sie den Sitz zu nehmen /

Ach! die liebe / neben mir; aber meine Brunst zu zähmen /

Ließ sie sich in meinen Schoß. Dorten / ach! da fasst ich an

Hertz und Hände / und was mehr ein verliebtes Herze kan.

Aber nun ist alles aus! hier ist niemand / den ich liebe /

Ich allein / ohn Hertz und Hand. Jezt ich meinen Sinn betrübe /

Der vorhin erfreuet stund / da ich meine Schöne sah /

Wann ich durch die Pfortrn kam: aber jezt ist nichtes da.

Was nun Trost? ich weiß es nicht. Könte / was ich wünsch / geschehen /

Wäre diß der gröste Trost / daß ich sie solt wieder sehen.

Alsdann würd ich ganz gesund / wie ich jezt erkranket steh /

Nun ich / was mir helffen könt / nicht zu meiner Hülffe seh.

Ihr / ihr Veilchen / spottet mein / ihr bewundert meine Bleiche /

Und mein todten-farbes Blaß / wie ich mir gar nimmer gleiche!

Wundert nicht! der Silber-Mond / bleichet ohn der Sonne Gold:

Gleich so kan ich scheinen nicht / ob ich noch so gerne wolt.

Ihre Stralen / meine Sonn! Ihr Beglänzen / meine Schöne!

Ihre Sternen sind mein Liecht: nur nach diesem ich mich sehne /

In so Schatten-trüber Nacht. Bey ihr bin ich schön und reich /

Auser ihr verarmet arm / ja gar tödlich krank und bleich.

Aber gleichwohl muß ich mich / ohne Trost zu frieden geben /

Biß des Himmels Gnaden-Schluß uns vergönn ein bessers Leben /[491]

Daß sie leb in meinem Schloß / ich in ihrem Arm-Beschluß.

Bald wird / hoff ich / solcher Art seyn versüßet mein Verdruß.


Macarie ward über diesem Brief sehr traurig / und entsetzte sich so gar über der Krankheit ihres Liebsten / daß sie nicht wuste / was sie vornehmen solte. Doch zwange sie die Eile / eine Antwort zu schreiben / wie folget.


Mein Kind!


Die betrübte Zeitung eurer Unpäßlichkeit hat mich ganz bestürzt gemacht / und gezwungen / mit diesem wenigen nach eurer Gesundheit zu fragen. Tröstet mich demnach / Mein Allerliebster! so eilend / als müglich / mit der Versicherung einer erwünschten Besserung: damit nicht der billige Schmertz / welchen ich wegen eurer Krankheit empfinde / mich auch hierinn euch zur Nachfolgerin mache. Ist es müglich / daß meine beständige Liebe euch einige Linderung geben kan / so habt ihr dieselbe im höchsten Grad zu hoffen: wie ihr sie dann überflüßig verdienet / auch mit solchem Verlangen gesuchet / daß ihr dadurch auch die Undankbarkeit selber soltet bewegt haben / wider ihre Natur zu leben / und die Liebe mit Gegen-Liebe zu belohnen. Der gütige Himmel wird / wie ich hoffe /alle Unruhe besiegen helffen / unh nach überwundenem Streit / beständige Ruhe geben. Lebet dann gesund / mein Herz! und liebet /

Eure

Macarie.
[492]

Dieses Brieflein übergab Macarie ihrer Dienerin / und schikte sie / samt etlichen Arzneien / zum Polyphilus: mit Befehl / ihr / so bald es müglich / eine gute Antwort zu bringen. Sie blieb indessen voll Kummer und Traurigkeit / in ihren Zimmer / mit Verlangen eines Berichts erwartend: welchen sie auch / des andern Tages / nicht ohne Vergnügung / durch diese Antwort erhielte.


Allerwehrtste Macarie!


Die sorgfältige Forschung nach meiner Gesundheit /ist mir billig ein gewisser Zeuge ihrer aufrichtigen Liebe; aber auch eine Aufforderung zu gleicher Verharrung / in dem ich / auch erkranket / gesund leben muss. Ach! liebstes Herz! daß es dem Himmel gefallen wolte / die Schmerzen / so ich durch mein verliebtes Verlangen klagen muß / mit gleich frölicher Entbindung von mir zu nehmen / als er über die Verhinterung der Leibes-Wolfahrt beschloßen! so würden wir beyde in Ruhe leben. Doch suche ich meine Liebe (welche ich ihrer / nun-bewährten Gunst ganz gleich schätze / das ist / im höchsten Grad zu stehen versichere) durch den Trost ihres gezierten Briefleins zu erquicken / und glaube / daß der Himmel / nach überwundenem Streit / werde beständige Ruhe geben. Anlangend meine Unpäßlichkeit / glaube ich / daß dieselbe mehrverliebt / als gefährlich gewesen: Deßgen ich ja nun nicht anderst kan / als gesund seyn / nach dem ich so viel Erfrischung von ihren lieben Händen überkommen. Versichere[493] sie dannenhero / daß ich je gesunder / je mehr nach ihren liebreichen Brieflein werde begierig werden. Darum heile sie ferner / mit ihrer allerangenehmsten Hand / die Schwachheit

Ihres Ewig-beständigen

Polyphilus.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 478-494.
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