Vierter Absatz

[494] Macarie / auf der Photmena betrügliche Einladung /fähret mit ihr / auch mit Eusephilisto und Kalferte /nach Montefessen. Gespräche daselbst / von der vermeinten Mordthat des Polyphilus: von welchem Phormena vorbringet / daß er die Volinie liebe. Macarien Kummer und Klage hierüber / als sie wieder nach Haus gekehret.


Eben hatte Macarie dieses Brieflein durchlesen / und von ihrer Dienerin / die wiedererlangte Gesundheit ihres Polyphilus freudig verstanden / als sie Phormena in ihr Zimmer kommen sahe / und darüber einigen Schrecken empfande / fürchtend / daß vielleicht eine neue Unruhe möchte vorhanden seyn. Phormena nahme solches alsobald wahr / und sagte / nach abgelegter Begrüßung: Sie entsetze sich nicht / hochgeehrte Macarie! über meine Ankunft / weil ich dißmal keine unglückseelige Bötin abgebe. Die Königin Atychintide läßet ihr / durch mich / einen gnädigen Gruß vermelden / und bitten / daß sie sich wolle gefallen[494] lassen / mit mir nach Montfessen zu fahren / und ihr /bey dem daselbst angestellten Jahr-Fest / Gesellschaft zu leisten. Heroarcha und Apatilencheris / welche gleichfalls einen schönen Gruß befohlen / lassen sie hierzu freundlich einladen / und hoffen / durch die Bitte der Königin / die Ihrige kräfftig zu machen / und dißmal die Ehre ihrer Gegenwart und Erkentnus /nach welcher sie sich schon lange gesehnet / zu erhalten. Ich bedanke mich / unterthänig und freundlich /(gab Macarie zur Antwort) so wohl vor Ihr. Maj. als der edlen Apatileucheris / gnädige und höfliche Einladung / und befinde mich schuldig / diesem hohen Befehl zu gehorsamen. Ich fürchte aber / daß die wenige Kundschaft / welche ich von Apatileucheris habe /solche Folge einer Vermessenheit gleichen und beschuldigen dürffte. Im geringsten nicht! (versetzte Phormena) Heroarcha und seine Liebste / tragen nicht weniger nach ihrer Gegenwart Verlangen / als die Königin selber; welche mir bey meinem Abzug streng anbefohlen / mein Gewerb wohl abzulegen / und ja nicht leer wieder zu kommen.

Macarie / wiewohl sie nicht wuste / ob sie diese Forderung / einer Freundschaft oder Hinterlist gleichen solte / truge doch Bedenken / solche auszuschlagen / fürchtend / die Königliche Gnade / welche Polyphilus so mühsam erworben / durch diese Weigerung zu verschertzen. Phoimena hingegen / hielte an mit bitten / sich färtig zu machen / weil sie noch zu dem Opfer kommen solten / und sagte: Sie wegere sich nicht / wehrte Macarie! dem Begehren der Königin zu willfahren / und mich hierin bitt-seelig zu machen. Sie hat zu befehlen / geehrte[495] Phormena! antwortete Macarie Aber werden wir auch auf dieser Reise allein seyn? Heroarcha (erwiederte Phormena) hat einen Diener mitgeschicket / und Kalferte einladen lassen: sonsten weiß ich nicht / ob noch jemand anders mitkommen werde. Also bekleidete sich Macarie / und verfügte sich / mit Phormena / nach dem Ufer: da sie sich übersetzen ließen.

So bald sie aber die Kutsche ersehen / wurde Macarie auch des Eusephilistus gewar / worüber sie hefftig erschracke / und sagte: Was ist das / Phormena: ist auch Eusephilistus zugegen? Wie ich sehe: versetzte Phormena / mit bestürzten Gebärden. Ach! hätte ich das wissen sollen / (sprach Macarie) ich würde mich dieser Reise entzogen haben. Es ist mir selber leid /(antwortete Phormena) daß sie hiemit beschweret wird / und habe ich gewißlich davon kein Wissen gehabt / auch so genau nicht nachgeforschet. Aber weil es nun geschehen / wird sie ihr / kluge Macarie! seine Gesellschaft nicht verdrüßlich seyn lassen. Sind wir doch alle zugegen: er wird / in unserm beyseyn / seiner Liebe nicht gedenken dürfen.

Macarie wolte antworten; aber Eusephilistus kame schon daher / sie zu bewillkommen / und sagte: Wie führet uns das Glück / schöne Macarie! so unverhofft zusammen? Ich wundere mich selbst hierüber: (begegnete ihn Macarie) es scheinet / als ob die Königin Atychintide uns Gelegenheit ertheilen wollen / das Gespräch zu vollführen / welches ihre neuliche Besuchung zu Soletten abgekürtzet. So ist die Vergeltung ungleich grösser / (antwortete Eusephilistus) weder die Versäumnus:[496] weil selbige Verhinterung nur etliche Stunden gewähret / diese Ersetzung aber einen längern Termin zu hoffen gibet. Drum sind es auch Königliche Geschenke / (sprach Macarie mit lächlen) die über Verdienst belohnen. Sie hat recht / kluge Macarie! versetzte Eusephilistus / und geleitete sie damit zur Carrette / da sie auch Kalferte empfinge / und sie also aufsaßen. Eusephilistus war / die ganze Reise / in Macarien Bedienung / sehr bemühet / und gab ihr sein Verlangen / durch so viel verliebte Blicke und sehnliche Seufzer / (dann viel Worte kunte er / wegen der Anwesenden / nicht führen) zu verstehen / daß sie selbst Mitleiden mit seinem Unglück haben muste /und wünschte / daß er seine Gunst / die doch bey ihr vergeblich / weil sie schon an einen andern verbunden / gegen eine Freyere lenken möchte.

Als sie nun endlich nach Montefessen kamen / wurden sie / von der Königin und dem Heroarcha sehr freundlich empfangen: und bedankte sich sonderlich Atychintide gegen Macarien / daß sie ihrer Bitte statt geben / und so willfärig erscheinen wollen. Selbige hingegen bate / ihrer Künheit zu vergeben. Ich habe /(sagte sie) wegen der geringen Erkentnus bey Heroarcha und Apatileucheris / nicht gewust / wie ich ohne Verbrechen handeln solte / weil diese Besuchung all zu vermessen schiene. Doch war der Befehl zu hoch /und wolte ich lieber mit Unhöflichkeit / als mit Ungehorsam sündigen. Das ist ein Uberfluß der Höflichkeit; (sprach die Königin) Ich will aber die Künheit /deren sie sich schuldig machet / selber aussöhnen. Das jenige hat keiner Aussöhnung vonnöten / (gab Apatileucheris[497] zur Antwort) was man selbst begierig verlanget. Mein Liebster und ich / sind ihr / schöne Macarie! vielmehr Dank / als Vergebung schuldig /daß sie uns mit ihrer Gegenwart beglücken wollen. Wir wollen uns auch bemühen / unsre Schuldigkeit zu beobachten.

Weil es aber nun Zeit war zum Opfer / und nach den Tempel zu spaziren / nahme die Königin Macarien bey der Hand / denen die andere folgten. Nachdem sie also dem Gottesdienst und Opfer beygewohnet / wurden sie vom Heroarcha / in einem herrlichen Zimmer seiner Wohnung / prächtig bewirtet. Macarie / muste neben der Königin / Apatileucheris aber kam bey Eusephilistus zu sitzen; welches Macarie in acht nehmend / bey sich selbst gedachte: da sitzen die unglücklich-verliebte / die so oft unsre Liebe verstöret / und uns zu eifern gereitzet haben / indem Apatileucheris meinen Polyphilus verführet / Eusephilistus hingegen meine Gunst gesuchet. Ach! daß doch nun Polyphiluszu gegen wäre / und die seltsame Begebenheit / da unsre beyde Feinde beysammen / mit ansähe.

Diß waren Macarien Gedanken / biß sie hörte / daß Apatileucheris den Eusephilistus fragte: wie es doch mit Macarie beschaffen / und ob sie noch an den Polyphilus würde vermählet werden? Ich weiß es nicht: (gab Eusephilistus / mit betrübten Gebärden / zur Antwort) Macarie will noch nichts davon gestehen. Macarie lachte dieser Frage heimlich / stellte sich aber / als ob sie nicht auf sie merkte / sondern sprachte mit Atychintide / biß Heroarcha anfienge die Königin zu fragen: Wie es komme / daß sie auf dieser Reise / weder von[498] Melopharmis / noch von Polyphilus bedient würde? Polyphilus (sagte Atychintide) ist nun ein Schäfer / und hat unsre Bedienung mit dem Hirtenstab verwechselt; Melopharmis aber / ist / selbigen zu besuchen / weil er ihren Sohn mit sich führet / ausgereiset: bin ich also vor dißmal beyder beraubet. So ist es dann gewiß / (versetzte Heroarcha) daß Polyphilus unter den Hirten sich befindet? ich habe es meiner Liebsten kaum glauben können / so gar verwunderlich ist mir diß Beginnen vorgekommen: ich zweifle auch noch / ob er in solchem Vorhaben verharren werde? Das wird die Zeit geben: (gab die Königin zur Antwort) jezt ist er noch nicht willens zu ändern / wie schwach mir auch seine Ursachen vorkommen.

Vielleicht will er / in solchem Stande / die Ermordung des Philomathus abbüssen? sagte Kalferte. Ey! (sprach Atychintide) mit dieser Beschuldigung geschihet dem Polyphilus ungütlich: er ist dieses Lasters unschuldig / und würde den Philomathus lieber errettet /als ermordet haben. Kalferte / den der Haß wider den Polyphilus / und der wenige Verstand solchen einzuhalten / wider die Königin zu streiten / antriebe / gab zur Antwort: E. M. angeborne Gütigkeit / welche viel geneigter ist zu entschuldigen / als zu verdammen /hält ihn vor unschuldig: aber hätten sie so starke Mutmassungen dieses Mords / als wir zu Soletten / sie würden vielleicht auf andere Gedanken kommen. Welche sind es dann? fragte die Königin. Erstlich (begegnete ihr Kalferte) hat er den Philomathus zu sich beruffen / und doch seiner Ankunft / ohne zweifel aus Zorn über seine vorige[499] Bestraffung / nicht erwartet. Wiederum so hat der Mörder in den Gosthofe /mit fast eben denen Umständen / nach dem Philomathus gefragt / welche dieser / des vorigen Tages / dem Polyphilus erzehlet. Ferner so hat er / die Strafe fürchtend / sich verzweiffelt in den Fluß gestürtzet. Letzlich so schauet und meidet er noch unsre Insel / und darf / ohne fremde Kleidung / oder ohn E. Maj. Schutz / wie es ihm jüngst gelungen / nicht hinein kommen.

Habt ihr sonst keinen Grund / als diese / (erwiederte Atychintide / mit etwas hönischen Worten) so nicht den geringsten Beweiß geben? Daß Polyphilus den Philomatus nicht erwartet / ist nicht aus Zorn / wie ihr schließet / sondern aus Begierde / ihn eher zu erlangen / geschehen / welche ihn angetrieben / einen Kahn zu ergreiffen / und selbst nach der Insel zu fahren: aber als ein Fremder / dem die Gelegenheit des Flusses unbekant / verfehlete er der Furt / und geriehte in einen Wirbel / da er / den Kahn verlierend / zwischen Wind und Wellen / in eine ganz andere Gegend geworffen wurde / und nach etlichen Tagen mit Talypsidamo in die Insel wieder kam; welches er nicht würde gewaget haben / wann er sich des Mords schuldig gewust hätte. Daß er aber sich ins Wasser gestürtzt /komt von eurer Grausamkeit / da ihr ihn / ungeacht aller seiner und des Talypsidamus Entschuldigung /dennoch / als einen Mörder / gefangen führen woltet: welche ihn angetrieben / sich viel lieber den tobenden Wellen / als so tyrannischen Richtern / zu vertrauen. Und dieses ist noch die Ursach / daß er eure Insel fliehet / die in Haß gegen ihm brennet. Werdet ihr ihn aber vor einem solchen Gericht anklagen[500] / da er Sicherheit hat in der Verantwortung: so zweifle ich nicht / daß er erscheinen / und / euren Anklagen zu begegnen / auch seine Unschuld zu retten / Antwort geben wird.

Aber (fuhre sie fort) was bemühe ich mich viel /Entschuldigung vorzubringen / mich denen gleichend / die von weiten Wasser holen / da sie den Brunn im Hause haben? Macarie / um welcher willen Polyphilus / (wie er mir selbst erzehlet) in eure Insel kommen / soll unsern Worten den Ausschlag geben /und zeigen / worinn ich irren mag. Uber dieser Rede /welche die Königin dem Polyphilus bey den Solettischen Inwohnern verhasster / und Macarien seine Liebe schwerer zu machen / vorgebracht / wurde Macarie in solchen Schrecken gesetzet / daß ihr die Farbe zur Stirn ausschluge / und wuste sie nicht / wie sie klug genug antworten solte / auf diese unvermntete und spitzige Frage. E. Maj. (sagte sie) befehlen mir nicht den Ausschlag in diesem gefährlichen Streit /welchen sie selbst weit glückseeliger und kräfftiger geben können. Solte ich / dero hoch-vernünftige Rede / einiges Irrtums beschuldigen / so müste es gewißlich nur dieser seyn / daß sie meiner Wenigkeit das Richter-Amt aufgetragen. Die wenige Wissenschaft / welche ich von dieser Begebenheit habe /heisset mich vielmehr Nachricht fordern / als austheilen. Doch will ich auch / so viel ich hiervon weiß /mehr E. Maj. gnädigen Befehl zu gehorsamen / als einiges Urteil zu fällen / gern entdecken.

Ich will nicht bestreiten / ob Polyphilus wegen meiner / wie E. Maj. beglauben / (das vielleicht von einer unverdienten Berühmung des Philomathus[501] möchte hergerühret seyn) oder aber den verblichenen Philomathus selber zu suchen / wie er gegen mich erwehnet / in die Insel gekommen. Dieses aber weiß ich /daß er mit meinem Vetter Talypsidamo übergefahren /und in dessen Begleitung / mich / mit dem Vorwand /Kunst und Tugend zu üben / besuchet: Da er / unter andern Gesprächen / den Tod des Philomathus / so schmerzlich beklagt / daß ich nimmermehr ihm dessen einige Schuld geben kan. Soll Macarie den Richterstul besitzen / (sprach Kalferte mit lächeln) was werde ich anders / als ein partheyisches Urteil / erwarten? angesehen die Liebe zum Polyphilus / gewiß die Wage der Gerechtigkeit neigen / und meine Anklage vor ungültig ausrussen wird.

Das soltet ihr / geehrter Kalferte! einer andern / als der Macarie / Schuld geben: gab diese zur Antwort. Weder die Liebe zum Polyphilus / noch die Furcht eurer Feindschaft / machet mich wider die Gerechtigkeit sündigen. Die Warheit sihet ihr allezeit selbst ähnlich / sie werde gleich von Feinden oder Freunden vorgebracht: Der Argwahn aber / als eine verdammliche Höllen-Brut / läslet auch die Tugend selber nicht ungetadelt / und erdichtet allenthalben Laster / da er doch selbst das gröste Laster ist / und / als ein Ertz-Mörder / des Menschen Ehre / die höher ist als sein Leben / frefentlich abschneidet. Durch diesen machet ihr euch der Partheilichkeit schuldig / die ihr mir aufzubürden gedenket / in dem ihr den Polyphilus / sonder genugsamen Beweiß / wegen Ermordung des Philomathus anklaget / selbige auch an ihm / nicht[502] durch ordentlichen Gerichts-Weg / sondern durch eigenthätige Gewalt zu straffen suchet.

Sie hat recht / kluge Macarie! sagte hierauf Eusephilistus / als er sahe / daß sie sich etwas bewegte. Die Gerechtigkeit sihet stracks vor sich / und lässet ihr weder durch den Argwahn / noch durch die selbst-Liebe / die Augen blenden. Ich halte selbsten den Polyphilus dieses Mords unschuldig / so lang es mir an mehrerm Beweiß fehlet / und habe ihn gegen meinen Lands-Leuten / wiewohl ohne Erkentnus / schon oft vertheidiget. Es ist nichts verführischer / als der Argwahn / sonderlich / wann er sich mit so scheinbaren Umständen hervor thut. In einer zweifelhaftigen Sache / soll man sich nicht mit dem Urteil übereilen /sondern warten / biß die Zeit ihr Kind / die Warheit /mit welchem sie oft lang schwanger gehet / hervor bringe. Mein Herr redet sehr vernünftig hievon: versezte Heroarcha. Die Zeit hat freylich vielen die Unschuld wieder gegeben / welche der Argwahn angeklaget. Und wann dieser solte einen Beweiß geben /würden die allerredlichste Gemüter strafbar werden /und die Tugend selber / wie Macarie recht erinnert /ihren Namen verlieren. Ich habe in der wenigen Erkentnus mit Polyphilus / so viel Tugenden / Verstand und Höflichkeit wargenommen / daß ich ihn in meinen Gedanken / dieses Lasters unschuldig schätze.

Indem ergriffe er ein Glaß / und brachte es Macarien auf Gesundheit des gerechtfertigten Polyphilus. Ich trinke aller Gesundheit mit / (begegnete ihm Macarie) und begehre den Polyphilus / weder zu rechtfertigen / noch zu verdammen[503] / sondern nur meine Erzehlung / der Partheylichkeit zu befreyen. Daran thut sie löblich / (antwortet Heroarcha) und an der Liebe gegen Polyphilo nicht übler: dann ich bekenne / daß er liebens würdig / und könte ich mich / so ich eine Weibs-Person wäre / selbst seiner Bande nicht verwehren.

Macarie wolte antworten / aber Phormena kam ihr zuvor / und sagte: Ich muß mich doch auch der schönen Macarie annehmen / und sie wegen dieser Auflage verteidigen. Man beschuldigt sie ohn unterlaß /daß sie vom Polyphilus geliebt sey / da ich doch /wann ich meinen Augen trauen / und meine Gedanken eröffnen darff / viel eher sagen wolte / daß die schöne Schäferin Volinie sein Herz eingenommen. Dann die vielfältige Bedienungen / so er derselben / in meinen Beyseyn erwiesen / lassen mir keinen andern Schluß /als daß Macarie den Namen / Volinie aber den Genieß / von der Liebe des Polyphilus habe. Da haben wir (sprach Macarie) einen Beweiß unsrer vorigen Rede / nun sich die Warheit von dem Argwahn scheidet / und meine Unschuld wunderbar hervor bringet. Wir wollen beedes der Zeit anbefehlen / (redte die Königin darzwischen) und warten / biß dieselbe nicht nur den Polyphilus loß zehlet / sondern auch die Gewißheit entdecket / ob Macarie oder Volinie den Sieg über ihn erhalte: indessen aber muß seine Gesundheit nicht verstehen / sondern auch andern zugebracht werden.

Macarie nahm hierauf das Glaß / und brachte es der Apatileucheris: die über solcher Gesundheit nicht geringe Freude verspüren ließe. Macarie aber / dachte der Rede Phormenen[504] etwas nach: und ob sie wol in den Gedanken war / sie hätte selbige / nur bloß zu ihrer Entschuldigung / erdichtet / so wolte ihr doch der Name Volinie / nicht aus den Sinn / und stellete ihr immer eine halbe Warheit vor. Eusephilistus hingegen / der dieses alles sicher glaubte / wurde dadurch in unglaubliche Freude versenket / und vermeinte /Macarie nun schon in den Armen zu haben / weil er diesen Neben-Buhler nicht mehr fürchten durfte: massen er auch sie nun viel eifriger zu bedienen anfienge.

Also vertrieben sie die Zeit / unter mancherlei Gesprächen / biß die Königin von der Tafel aufbrache. Macarie / der Gelegenheit sich bedienend / weil die andern redeten / führte die Phormena zur Seiten / und fragte sie / wie die Erzehlung von Volinie und Polyphilo zu verstehen / und ob es scherz oder ernst wäre? Ich weiß es nicht! gab Phormena lächlend zur Antwort / die nun vermeinte / daß es Zeit wäre / ihre List anzubringen. Wie? (versetzte Macarie) ist es wahr /daß Polyphilus die Volinie liebet? Nein / nein! (antwortete Phormena) ich habe nur also gescherzet. Macarie / die aus diesen verdeckten Nein vielmehr ein Ja schloße / wurde voll Bestürtzung / und bate die Phormena / um aller ihrer Freundschaft willen / ihr die rechte Warheit zu eröffnen. Ach schöne Macarie! (erwiederte diese mit gezogenen Schuldern) sie befehle mir nicht eine so gefährliche Erzehlung / mich reuet /daß ich jemals etwas davon gedacht. Das verfaulte Geheimnus im Munde / gibet einen lieblichen Geruch von sich: Die unzeitige Eröffnung aber / kan leicht einen häßlichen Gestank[505] der Uneinigkeit erwecken. Und wie würde ich bey Polyphilo ankommen / wann er erführe / daß ich dergleichen von ihm ausgebe? Die Warheit (fuhr Macarie fort) gehet gerad zu / und fürchtet keinen Streit / kan auch nicht anderst als lieblich riechen / weil sie an dem Strauch der Tugend blühet. Eröffnet mir nur / Phormena / worum ich bitte! Polyphilus soll davon entweder gantz nichts / oder doch das nicht erfahren / daß es von euch herkomme.

Was soll ich sagen? (begegnete ihr Phormena) es sind meine Gedanken / und kan seyn / daß ich mich verführe. Doch / was die Augen fassen / dringet allzusehr ins Hertz. Ich habe gleichwol gesehen / das ihm Volinie einen Kranz gewunden / und selbst mit vielen Lob-Reden aufgesetzt / auch ein schönes Lied ihm zu ehren gesungen. Er hingegen / hat ihr davor höflich gedanket / die Hand geküst / und sich auf ewig zu ihren Diener verpflichtet. Er bedienet sie auch noch täglich nach allen Vermögen / begleitet sie nach Hause / und unterlässt nichts / das ein warhafftig-Verliebter üben kan. Ich habe vor Wunder und Eifer /wegen der schönen Macarie nicht länger zusehen können / sondern nach Hause geeilet / und bin in Zweifel geblieben / ob ich davon etwas gegen ihr gedenken solte oder nicht? Ich wünschte auch / daß ich noch still geschwiegen hätte / weil ich schon sehe / daß sie sich darüber bewegt. Solte es auch Wunder seyn /(gab Macarie zur Antwort) wann ich über dieser Untreu erstaune? Ich hätte mich ehe des Himmel-falls /als dergleichen Zeitungen versehen. Jetzt sehet ihr /Phormena! wie vergeblich ihr den Polyphilus / wegen[506] seiner Beständigkeit gegen mir / gerühmet / und wie schändlich ich in seiner Liebe betrogen worden. Es ist mir leid: (sagte Phormena) doch wer hätte das denken sollen / von einem solchen / als Polyphilus ist?

Zu diesem Gespräche kam Apatileucheris / und zerstörte solches. Aber Macarie / von dieser Erzehlung gantz betrübt und ungedultig / suchte die Einsamkeit / und eilete nach Haus / dieser Gesellschafft loß zu kommen / und ihren Gedanken raum zu geben. Heroarcha und seine Liebste baten gar sehr / diese Nacht zu verharren: so brauchte auch die Königin (ob sie wohl aus der Veränderung Macarien schließen kunte / was mit Phomena vorgelauffen) viel Höflichkeit / und wolte die Bitte der andern bestättigen. Aber Macarie entschuldigte sich / mit vielerley Verrichtungen / und bate / ihr dißmal die Heim-Reise zu erlauben; mit Versprechen / daß sie mit nechstem Gelegenheit suchen wolte / sie wieder zu besuchen. Also ließ Heroarcha / weil er nichts erhalten kunte / die Kutsche bespannen: auf welcher Macarie samt Eusephilisto und Kalferte / nachdem sie sämtlich einen höflichen und dankbaren Abschied genommen / davon fuhren.

Unterwegs erneuerte Eusephilistus seine verliebte Anwerbungen / und suchte alle seine Kunst hervor /einiges Versprechen von Macarien heraus zu locken: bekam aber keine andere Antwort / als daß sie die Einsamkeit liebe / und sich nicht überwinden könne /selbige zu verlassen / oder mit der beschwerlichen Liebe zu verwechseln. Heimlich aber gedachte sie: was wäre jetzt billiger / als daß ich des Polyphilus Untreu mit des Eusephilistus Liebe[507] rächete / und ihn mit gleicher Münze bezahlte? Doch nein! meine Tugend soll durch seine Laster nicht abnehmen: Ich will / durch meine Beständigkeit / seine Falschheit noch schändlicher machen / und der ganzen Welt seine Boßheit vor Augen stellen. Unter dergleichen Reden / und Gedanken / erreichten sie das Ufer: da sie die Kutsche zurück schickten / und sich überführen ließen. Eusephilistus wolte Macarien nach Haus führen: sie aber bedankte sich / nahm einen geschwinden Abschied von ihm und Kalferte / und eilete / mit beyder Verwunderung / nach ihrer Wohnung.

So bald sie in ihr Zimmer eingetretten / warff sie die Kleider von sich / legte den Kopf in die Hand /und ließe alle die Seufzer / welche sie bißher mit höchster Beschwerung / im Herzen gefangen gehalten / ausbrechen. Ihre Dienerin Nabisa / über solcher Bezeugung hefftig erschrocken / fragte: ob vielleicht ein Unglück vorhanden wäre? Keines! (sagte Macarie) aber Polyphilus liebet eine andere / und vergilt meine Treue / mit Falschheit und Betrug. Das ist nimmermehr müglich! (sagte Nabisa) wer mag mit so ungegründeten Zeitungen unsere Ruhe zerstören? wolte ich doch selbst vor seine Treue schwören. Ach! still /(versetzte Macarie) ich habe allzugewisse Nachricht /daß er die Schäferin Volinie liebet und bedienet. Hierauf befahle sie ihr eine Verrichtung / damit sie nur nicht hören dürffte / wie sie den Polyphilus vertheidigte.

Wie sie nun sich allein befande / fienge sie an / ihr Unglück zu beklagen / und des Polyphilus Untreu zu schelten. Ist dann nun dieses / (sagte sie) du ungerechte[508] Liebe! die Vergeltung aller der Mühe / Sorge und Gefahr / die ich in deinen Diensten erdultet / daß du mich zum Spiegel deiner Grausamkeit vorstellest? Ist dieses die Freude / welche du mir durch die Hoffnung zugesagt / die sich nun in Betrug verwandelt? Pflegest du gegen deine Freunde also zu handeln? Ach! ich empfinde nun den Stachel / an statt des Hönigs; die Dornen / an statt der Rosen; und eitel Hertzenleid /vor verhoffte Ergötzung. Ist diß nicht ein Frevel / den Polyphilus an mir verübet? Wie offt habe ich diesen Untreuen vermahnet / erinnert und gebetten / mich mit seiner Liebe zu verschonen / und seinen Gedanken ein anders Ziel zu setzen / und er hat sich allezeit mit der Unmüglichkeit entschuldiget? Ist es dir nun müglich /du Grausamer! daß du eine andere liebest / nachdem du meiner Liebe überdrüßig worden? Wie vielmals habe ich ihn gewarnet vor Falschheit / und vorgesagt /daß er mich allein / und sonst keine lieben müsse /weil ich mit keiner andern theilen könne? Ist auch ein Versprechen / damit er sich nicht gegen mir verpflichtet? oder ein Eyd / der ihm nicht zu seinen Betrug dienen müssen? hat er mir nicht tausendmahl geschworen / keine andere ausser mir in Ewigkeit zu lieben? und dennoch liebet er nun die Volinie. Ach! ist dann keine Gerechtigkeit / welche die Laster straffet? sind keine Donnerkeile im Himmel / die den Mein-Eyd rächen? Warum bleibet Polyphilus in seiner Boßheit sicher / und empfindet nicht noch heute / die Rache des Himmels? Ist es vielleicht gewiß / daß die Götter der Buhler Eyd nicht straffen / wie die boßhaffte Menschen glauben / und deßwegen ohne[509] scheu freveln? Nein / nein! der Himmel bleibet gerecht / und seine Strafe wird durch die Langsamkeit nur gedoppelt. Ergetze dich demnach / Lasterhafter Polyphilus! in der Liebe Volinien / und schaue wohl zu / daß du sie länger / als mich / behaltest / weil dir dort keine Abwechselung wird gestattet werden. Deine Untreu soll mir eine ewige Warnung vor der Liebe / dir aber eine immerwehrende Qual des Gewissens seyn. Keiner soll hinfüro seine Freude an diesen ermatteten Augen suchen; keiner soll sich berühmen / daß er von Macarien geliebt werde. Ich will nun wieder / aus der Furcht /zur Sicherheit der Einsamkeit lauffen / und viel vester bewahren / was ich einmahl durch Unvorsichtigkeit verlohren. Polyphilus habe die Ehre / daß ihm Macarie geliebet: aber auch die Schande / daß er solche Liebe verachtet. Ich habe geliebet / aber mit keinem andern Nutzen / als daß ich / betrogen und verführet /zu lieben aufhöre / mein Unglück verfluche / und den Himmel um Rache anschreye.

Mit solchen und dergleichen Gedanken und Worten / plagte sich Macarie / etliche Tage. Sie wolte die Liebe verbannen / und behielte sie doch im Hertzen. Sie wolte den Polyphilus hassen / und kunte sein doch nicht vergessen. So lang sie sich seiner Freundlichkeit erinnerte / begunte die Liebe zu wachsen: so bald sie aber an Volinie gedachte / wurde sie auf einmal ausgereutet / so gar / daß sie nicht leiden kunte / wann ihr Nabisa zuredete / nicht alles zu glauben / sondern der Sache gewisser zu werden. Sie wurde auch in diesem Glauben immer mehr gestärket / weil ihr Polyphilus keinen[510] Brief zuschickte / daß sie sonst nicht gewohnt war: Deßwegen sie schloße / daß er ihrer ganz vergessen / und nur auf die Schäferin Volinie gedächte.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 494-511.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon