Fünfter Absatz

[511] Macarie begibt sich nach ihrem Lusthaus / hört daselbst einen Gärtner ein Lied singen / und darinn über Untreu klagen. Sie erkennet denselben für den Polyphilus. Sie verheben einander ihre vermeinte Untreu. Er will sich erstechen: Sie verwehrt ihm solches. Sie finden der Phormena Verrähterey / und erneuren ihre Wechsel-Liebe. Polyphilus / zu den Triften wiederkehrend / erzehlt diesen Handel der Melopharmis: die verhebt solches der Phormena /durch ein Schreiben. Atychintide / hierüber erzürnet /schaffet den Servetus und die Melopharmis von Hofe.


Weil Macarien nun die Zeit in solcher Verwirrung lang wurde / reisete sie auf ihr Landgut: fande aber auch daselbst so gar keine Ruhe / daß sie vielmehr doppelte Plage fühlte. Dann wo sie sich hinwendete /hatte sie Erinnerung ihrer Liebe / und schiene ihr alles zuwider / alles finster und trübselig: wie aus diesem Sonnet / welches sie daselbst verfasste / zu ersehen ist.
[511]

Du Anfang meiner Lieb / und Ursprung meiner Pein /

Betrübtes Garten-Zelt! kan ich dich auch noch kennen?

Bist du es / oder nicht? das ich vor pflag zu nennen /

Die Stette meiner Ruh: hie seh ich zwar die Stein /

Die Fenster / und was mehr / den äusserlichen Schein:

Das ander ist dahin / und hat sich müssen trennen.

Geschwinder / als ein Pfeil / kan fahren von der Sennen

Ist alle Lust von mir. Hier leb ich ganz allein.

Wie bist du mir so schwarz / so dunkel und geschändet /

Nun meiner Seele Tag sich hat von dir gewendet /

Und einer Fremden leucht. Doch weg mit diesen Liecht!

Es flammte von Betrug / und hat mich schon geblendet.

Ich hasse ein Gemüt / das End und Glauben bricht;

Und habe nun den Sinn zur Einsamkeit gericht.


Als sie diß geschrieben / steurete sie sich an ein Fenster / und sahe den Gärtnern in ihrer Arbeit zu / unter tausenderley Gedanken. Endlich hörete sie den einen von ihnen ein Lied singen / dieses Inhalts.


1.

Tödliches Leben / ängstiges Hertz /

Schädliches Lieben! ende den Schmerz.

Felsichte Seele! lasse mich wissen /

Was mich aus deiner Gnade gerissen.

Zeige mir an /

Was ich gethan.


2.

Hab ich nicht deinen himmlischen Pracht /

Grausame schöne! mühsam bewacht?

Hat dich dann jener höher gelieb et /

Daß sich dein Herz so leichtlich ergiebet /

Wider die Pflicht /

Welche dich richt?


3.

Haße nicht / Liebste! Tugend und Treu.

Sträfliche Thaten / schenken nur Reu /[512]

Alle die Threnen liebender Seelen /

Endlich das Herz der Wankenden quälen.

Göttliche Rach /

Folget der Klag.


4.

Billich verfluch ich Herde und Stab /

Haße das Leben / eile zum Grab.

Zorniger Himmel! schlage mich nieder!

Alle Geschöpfe sind mir zuwider.

Komme nur / Tod!

Ende die Noht.


5.

Führet / ihr Winde / was ich jetzt singe /

Eilend von dannen / daß es erklinge /

Dieser in Ohren / die nicht errötet /

Fremde zu lieben / daß sie mich tödtet.

Ruffet und sagt /

Was ich geklagt.


Macarie hatte diesem Gesang mit solcher Empfindlichkeit zugehöret / daß sie die Threnen nicht halten kunte: dann es kam ihrem Unglück so nahe / daß sie alle Worte als ihre eigne schätzte. Bist du dann / (gedachte sie) arbeitseliger Gärtner! mit mir in gleicher unseeligen Liebe? so trage ich billig Mitleiden mit deinem Schmertzen. Ich empfinde aber auch Trost in meinen Elend / weil ich dich zum Gefärten habe. Aber / soll ich glauben / daß ein schlechter Gärtner dieses Gedicht verfasset? ist / ein so grobes Gemüte /subtiler Bewegung fähig? Ich muß sehen / daß ich diesen verliebten Gärtuer zu Gesicht bringe. Hierauf bemühete sie sich / denselben unter Augen zu sehen. Weil er ihr aber stäts den Rücken kehrete / russte sie ihrem Gärtner / und fragte:[513] Was er vor einen Gehülffen habe? Es ist ein Fremder / (gab dieser zur Antwort /) und hat vor etlichen Tagen Arbeit bey mir begehret: welche er auch so ämsig und geschickt verrichtet / daß ich ihn etliche Zeit zu behalten / willens bin. Das ist gut! versetzte Macarie / ließ damit den Gärtner wieder von ihr / und verfügte sich kurz hernach selbst hinunter / den fremden Gärtner zu sehen; kunte ihn aber nie recht beobachten.

Sie gieng endlich näher hinzu / und sagte / weil es nun fast Mittag war: Ist die Sonne nicht zu heiß / zum arbeiten? Es will freylich allmählich zu heiß werden /(gab der Gärtner zur Antwort) der Morgen ist am bequemsten zur Garten-Arbeit. Sonderlich (begegnete ihm Macarie) einem Verliebten / den der Eifer von innen plaget / (wie ich heut einen klagen und singen gehöret) kan der Sonne Hitz / wann sie von aussen dazu komt / leicht gar zu warm machen. Ach! (sagte der Gärtner) das heutige Lied / hat weder meine Gedanken noch meine Verfassung vorgestellet / (denn arbeiten und lieben / graben und dichten / finden sich selten zusammen) sondern ich habe es von einem verliebten Schäfer entlehnet. Wie kommet ihr und der Schäfer zusammen? fragte Macarie ferner. Als ich jüngsthin (versetzte der Gärtner) aus der Fremde in dieser Gegend ankommen / und unfern von diesem Lusthause / unter einem Baum die Ruhe genommen /ersahe ich / nicht weit davon / einen Schäfer / der sich / auf seinen Stab lehnend / alle die Klagen ausschüttete / welche ein betrogner Liebhaber ersinnen kan. Ich kunte zwar wenig davon vernehmen / noch weniger aber behalten / ausser daß er von[514] der Untreu seiner Liebsten / die ihm verlassen / und einen andern erwehlet / (der ohne Zweifel Eusephilistus heisset /denn diesen Namen hörete ich etlichmal nennen) viel zu klagen wuste. Endlich fieng er an zu singen / und machte / daß ich näher hinzu gieng: da ich dann dieses wenige / was ich heut nachgesungen (dann alles kunte ich nicht fassen) im Gedächtnis behielte.

Macarie tratte hierauf zurücke / und dachte der Erzehlung dieses Gärtners weiter nach: kunte auch /wegen des Namens Eusephilistus / nicht anderst schließen / als daß es der klagende Schäfer Polyphilus seyn müsse. Was soll ich doch / (sagte sie) von diesem Bericht halten? Ist Polyphilus warhaftig in die Volinie verliebt / wie mir Phormena vorgesagt? oder lebt er ingleichen Argwahn gegen mir? Ich solte es fast / aus dieser Erzehlung / glauben. Vielleicht ist das Gifft der Verleumdung / in die Süssigkeit unserer Liebe gefallen / und hat uns beyde vergiftet? Ich muß sehen / daß ich gewissere Nachricht vom Polyphilus bekomme. Indem wendete sie sich / und wolte ferner mit dem Gärtner reden: wurde aber unversehens gewar / daß es Polyphilus selber war / der sich unter diesen Kleidern verborgen / ihre Gedanken zu erkundigen; wie er dann ihre Gebärden gar genau beobachtet / und eben im Nachsehen von Macarie erkennet wurde. Sie / hierüber erzürnet / und bestürtzet / sagte: Darfst du Leichtfärtiger dich noch unterstehen / mit deiner Untreu vor meine Augen zu kommen? mit was vor einer Stirn kanst du mich anreden? hast du nicht genug / daß du biß daher meine Unschuld und Leichtglaubigkeit mißbraucht:[515] must du nun auch den Spott zu der Falschheit legen / damit ja das Maß der Laster voll werde.

Sie thut wohl / schöne Macarie! (gab Polyphilus zur Antwort) daß sie ihre Falschheit zu beschönen /mich dergleichen beschuldiget. Meinet sie vielleicht /wann sie ihre Klag am ersten führe / so wolle sie dadurch die Meinige aufheben? Ach nein! Polyphilus soll wohl die Treue erhalten / ob gleich Macarie selbige gebrochen. Nimmermehr hätte ich geglaubet / daß unter dem Glanz ihrer Schönheit solche Finsternus /und unter dem Ruhm ihrer Tugenden / solche Laster verborgen lägen. Stille mit unbilligen Auflagen! (versetzte Macarie) wollet ihr Macarie der Tugend berauben / so beraubet sie zuvor des Lebens: Dieses wird euch viel leichter werden / als jenes. Ihr müst euch zuvor der Liebe gegen Volinie befreyen / ehe ihr mich der Untreu beschuldiget. Damit wolte sie weggehen; aber Polyphilus hielte sie auf / und sagte: Wo will sie hin / schöne Macarie! Sie überzeuge mich zuvor /wessen sie mich beschuldiget / oder höre meine Entschuldigung an. Ich bin nicht gewohnt / dergleichen Scheltworte ohne Schuld / anzuhören / (erwiederte Macarie) und habe mich schon zu lang bey einem kühnen Betrüger aufgehalten. Habe ich gesündiget /(gab Polyphilus zur Antwort) so setze sie / erzürnte Macarie! die Strafe: oder sie schaue doch an / wie ich mit diesem Eisen bezeuge / daß ich ihr ewig-getreuer Liebhaber sterbe / und viel lieber todt seyn / als sie in einen andern verliebt wissen will.

Mit diesen Worten / zoge er einen Dolch / welchen[516] er zu diesem Ende mit sich genommen / unter dem Kleid hervor / und wolte ihm selber damit die Brust öffnen. Macarie aber / solches ersehend / lief eilend hinzu / risse ihm den Dolchen aus der Hand / warff ihn in den Busch / und sagte: Was machet ihr / verzweifelter Schäfer! wollet ihr euer beflecktes Gewissen mit Blut abwaschen? oder hat vielleicht eine Verrähterey unter uns eingewurzelt / und euch dieses Gärtner-Kleid angezogen? Mein Gewissen (versetzte Polyphilus) bedarff keiner Reinigung / weil es ohne Mackel / und sich mit fremder Liebe nicht beflecket. So kan ich auch nicht glauben / daß eine Verrähterey zwischen uns walte: weil ja Macarie nicht laugnen kan / daß sie mit Eusephilisto / ihrem Liebsten / nach Montefessen gefahren / demselben alle Freundlichkeit erwiesen / und den armseeligen Schäfer Polyphilus /bey seiner Heerde / nicht eines Grußes gewürdigt. Macarie / über dieser Rede erschrocken / sagte: So kränket euch eine solche Handlung / Polyphilus! darein ich / durch eine unverhofte Begebenheit / wider meinen Willen gerahten / und darinnen nicht das geringste wider meine Pflicht gehandelt? Wie solte mich hingegen nicht kränken / daß ihr die Schäferin Volinie / täglich und stündlich / aus eigner Bewegung liebet und bedienet? Wäret ihr so unschuldig in der Liebe gegen Volinie / als ich gegen Eusephilisto / so dürffte weder ich eure Unbeständigkeit anklagen /noch ihr dieselbe entschuldigen.

Hilf Gott! Macarie! (sprach Polyphilus) wer bringet solche ungegründte Zeitungen vor ihre Ohren? kan sie dann glauben / daß Polyphilus / aller Tugend vergessend / sein eignes Gut verachten[517] / und einem andern das Seinige rauben werde? Volinie ist eine Ehe-Frau / und hat den Schäfer Filato zum Liebsten. Er hätte gern gesagt: sie ist ihre Schwester! aber es war noch nicht Zeit / ihr solches zu entdecken. Was war dann Apatileucheris: fragte Macarie ferner. Polyphilus hierüber etwas errötend / gab zur Antwort: Vergebene Sünde / pfleget man einem Bekehrten nicht wieder aufzurucken: Polyphilus war dazumahl noch sein eigen / und hatte / wegen seiner ungeübten Jugend /noch nicht die Kräffte / einer verführischen Schönheit zu widerstehen: Nachdem er aber der Liebe Macarien versichert worden / hat er niemals mit Unbeständigkeit gesündiget. Ach! solte sie / schönste Macarie! dieses Hertze spalten: sie würde in warheit / nichts anders / als ihr eignes Bildnus darinn finden. Hat sich meine Liebe jemals gegen ihr verändert: so soll der Himmel nimmermehr seinen Grimm gegen mir ändern. Allein Macarie ist es / die ich verehre: alle die andere / sehe ich an / als gemahlte Bilder / denen das Leben mangelt / und die deßwegen keine Bewegung in mir wirken können. Auch die Schäferin Volinie /habe ich nie / außer mit einer notwendigen und gemeinen Höflichkeit / bedienet.

So winden euch dann alle Schäferinnen Kränze /(sagte Macarie) setzen euch selbige auf und singen euch herrliche Lob-Lieder? Und pfleget ihr auch allen Hirtinnen die Hände zu küssen / sie allenthalben zu begleiten / und euch als ihr ewiger Diener zu verpflichten? oder hat allein Volinie die Ehre dieses Vorzugs? Sie hat alles fleißig behalten / (versetzte Polyphilus voll Verwunderung) und muß ich[518] einen gar gemerksamen Aufseher gehabt haben. Aber ich will ihr bald aus dem Traum helffen. Niemand als Macarie ist die Ursächerin / daß Polyphilus von Volinie bekränzet und besungen worden / dafür er ja / von Höflichkeit wegen / einen freundlichen Dank ablegen müssen. Ihr Urtheil / meine Schönste! in welchem sie mir die Oberstelle unter den Hirten-Gedichten zuerkennet / hat mir dieses Glück / oder vielmehr Unglück /zu wegen gebracht. Volinie hat den Kranz den jenigen gewunden / welcher am besten fingen würde: Weil mir nun Macarie / die ich / mit ihrer aller Belieben /zur Richterin erwehlet / den Vorzug gegeben / was ist es Wunder / daß ich solchen Preiß von ihren Händen erlanget? habe ich hierinnen gesündiget / so wird sie /gerechte Macarie! einen Theil der Schuld auf sich nehmen: Dann allein ihr Urtheil / ist der Ursprung der Beehrung Volinie / und meines Dankes. Aber mein Herz! sie gönne mir doch / zu wissen / wer mich also gegen ihr verleumdet?

Das ist keine Verleumdung / (sagte Macarie) was ihr selbst gestehet. Entdecket ihr mir zuvor / woher ihr die Reise nach Montefessen erfahren? Phormena (gab Polyphilus zur Antwort) hat uns solches / durch einen Brief / eröffnet. Phormena! (begegnete ihme Macarie) darff diese eröffnen / was sie selbst befördert / und vielleicht auch angestellet? So solte ich nochmals wehnen / daß wir / verrahten und verkaufft /in ihren verleumderischen Stricken herum lauffen. Erzehlet mir doch / Polyphilus! was sie geschrieben hat: so will ich weiter kein Bedenken tragen / euch auch eine von[519] ihren Heimlichkeiten / weil sie nur Betrug wirken / zu entdecken.

Ich habe zwar den Brief nicht bey mir / (sprach Polyphilus) von dem Inhalt aber / und wie ich dazu gelanget / scheue ich mich nicht zu berichten. Als ich meiner schönsten Macarie den lezten Brief durch ihre Dienerin geschicket / und nun bey meiner Heerde einer frölichen Antwort erwartete / sahe ich Melopharmis / voll Zorn und Entsetzung / auf mich zu laufen / welche / vor Keichen / kaum diese Worte hervor bringen kunte: Ach! Polyphilus! was bringe ich vor Zeitung? Wie schändlich seit ihr in der Liebe Macarien betrogen? Hier leset / was ich so lang gefürchtet /und vor Grimm nicht erzehlen kan. Ich nahm den Brief mit zittern aus ihrer Hand / und lase mit Bestürtzung / erstlich / daß wir sämtlich / auf der Königin Befehl / nach Sophoxenien kommen solten; hernach aber / als etwas neues / diese Worte / welche mir gar eigentlich in dem Sinn geblieben: Gestern sind wir / in Ihr. M. Bedienung / auf dem Fest zu Montefessen gewesen / und haben daselbst die Macarie / mit Eusephilisto (wie man sagt) ihrem Liebsten / angetroffen. Sie ist (welches mich wundert) mit ihme hin /und wieder zurück gefahren / hat ihm auch alle Freundlichkeit erwiesen. So bald ich diese Worte gelesen / warff ich den Brief von mir / und zugleich alle Sinne / und gerieth in eine solche Onmacht / daß Melopharmis nicht wuste / wie sie mich ermundern solte / und ganz erschrocken nach Agapisten liefe /selbigen zu mir zu holen.

Als dieser herzu kame / hatten sich meine zerstreute Sinne wieder etwas gesamlet / aber zu meinem[520] noch grössern Schmerzen: Dann ich fieng mit solcher Hefftigkeit an / mein Elend zu beklagen / daß Agapistus nicht wuste / wie er mich befriedigen solte. Er war sehr bemühet / ihre Beständigkeit zu vertheidigen / und wolte diesen Brief / als eine Verleumdung anziehen. Melopharmis aber redte dagegen / und sagte: Daß sie diese Falschheit längst gemutmasset /und nicht gewust / warum doch Macarie die völlige Verbindung aufschobe / und nicht leiden wolle / daß des Polyphilus Liebe in der Insel Soletten kund würde. Ich hörete ihren Streit mit Verdruß an / und wufte keinem den Sieg zu geben. Ich stellte mir aber der Phormena Worte ohn unterlaß vor: dann sie waren gar zu klar / und benahmen mir allen Zweifel. Agapistus bothe sich an / selbst nach Soletten zu reisen /und alles zu erkundigen. Melopharmis aber wolte /ich solte nach mir fragen lassen / und alsdann meine Klage führen: Dann / (sagte sie) ein Weibsbild / (welches ich euch als ein Geheimnus entdecke) lässet ihr keinen unter ihren Liebhabern entwerden / und wann sie sihet / daß der / den sie sonst verachtet / anfängt sie wieder zu verachten / so wird sie ihm wieder etwas freundlicher / damit er nur nicht ablaße / sie zu verehren. So lang ihr Macarien so göttlich verehret / ists nicht Wunder / wann sie euch als einen Slaven tractiret. Lasset ihr aber ab / sie zu suchen / so wird sie anfangen / euch zu suchen: und alsdann habt ihr Gelegenheit / ihr Gemüte zu erkundigen / und ihre Untreu zu straffen. Nimmermehr wolte ich etwas von Polyphilus halten / wann er Macarien ohne die Tugend /die er allezeit von ihr gerühmet / lieben wolte. Lasset die jenige[521] fahren / welche euch mit betrüglichen Verheissungen und falschem Liebkosen aufhält / indessen aber einem andern ihre Gunst ertheilet. Ach! Macarie ist keine solche: (versetzte Agapistus) sie liebet mit Tugend und Beständigkeit. Daß sie aber solches /noch zur Zeit / verhelet / das komt von dem Haß der Solettischen Inwohner. Und wer weiß / was sie zu dieser Reise nach Montefessen bewogen hat?

Also redeten diese gegen einander / und ich hatte davon keine Hülfe / und wurde auch in meinem Eifer immer gestärket / weil ich keinen Buchstaben von ihr sahe / und deßwegen die Liebe gegen Eusephilisto vor gewiß hielte. Ich lebte etliche Tage in einem so verzweiffelten Zustande / daß ich mir vielmals das Leben würde genommen haben / wo es Agapistus nicht verwehret hätte. Endlich riete er mir / ich solte selbsten zu ihr kommen / und wo nicht offentlich / doch unbekandt / die Gewißheit dieser Zeitung einholen. Er gienge auch selbst mit mir hieher / zum Gärtner / und fragte: ob nicht Macarie bald erwartet würde? Und als dieser antwortete / daß sie albereit vorhanden / baten wir ihn / um dieses Kleid: welches ich anzoge / und entweder eine aufrichtige Liebe / oder einen kurzen Tod darinn erhalten wolte; massen ich auch diesen erlanget / wo sie es nicht verhintert hätte. Solte ich nun auch jenes nicht finden / so hätte ich doppelte Ursach / über sie mich zu beklagen.

Was soll ich sagen / Polyphilus! (gab Macarie zur Antwort) Ich erstaune über der Verhängnus des Himmels / und über der Boßheit der Menschen. Ich will /wegen der Liebe des Eusephilistus / mich nicht entschuldigen / sondern nur erzehlen[522] / wie ich in seine Gesellschaft gerahten / und daß Phormena mich nach Montefessen geführet / auch / was sie daselbst mir eröfnet. Hierauf erzehlte sie alles weitläufig / was auf selbiger Reise vorgegangen / worüber Polyphilus ergrimmend / der Phormena tausend Unglück anwünschte: Hilf Himmel! (sagte er) was ist über den Betrug der Weiber? O du verfluchte Königin! was suchest du deinen Lastern vor schändliche Wege? Und du betrügerische Phormena! was hättest du listiger ersinnen können? Ach allerliebste Macarie! sie vergebe meinen unhöflichen Anklagen / und schätze sie / als Zeugen meiner aufrichtigen Liebe / die ohne Eifer nicht seyn kan. Sie sihet ja / wie das Unglück wider uns wütet und alle List und Gewalt zu unsrer Trennung anwendet / so gar / daß auch die jenigen / welche wir vor die besten Freunde hielten / uns zuwider sind. Aber sie betrachte auch dabey / die himmlische Rettung / die der Torheit Atychintiden / und der List Phormenen / den Zügel angelegt / und uns unverletzt aus ihren betrüglichen Netzen gerissen. Forthin wollen wir ihrer Fallen behutsamer warnehmen / und das Band viel fester machen / welches sie zu zerreissen gedachten. Ein Schenkel / welcher gebrochen / und durch einen geschickten Wund-Arzt wieder geheilet worden / hält hernach viel fäster / als der noch nie-verletzte: Also soll nun unsre Liebe / die von den Verleumdungen beederseits gekrachet / viel beständiger als vorhin bestehen.

Solcher gestalt / suchte Polyphilus seine harte Besprechung auszusöhnen. Aber Macarie wolte so gar von keiner Abbitte hören / daß sie vielmehr[523] selbst um Vergebung ihres Eifers bate. Wir wollen uns (sagte sie) liebster Polyphilus! nicht bemühen / das jenige zu entschuldigen / was eine fremde und nicht unsre Boßheit verwirket. Wir wollen vielmehr den Himmel danken / daß er die betrügliche Stricke zerrissen / ehe sie uns gänzlich gefället; und uns die Augen eröfnet / ehe wir in gefährlicher Blindheit / schädliche Fälle gethan haben. Forthin glaube er keiner Nachricht mehr / sie werde dann durch meinen Befehl bekräftiget: dergleichen soll er auch von mir zu hoffen haben. An diesem Anker hoffe ich unsere verfolgte Liebe zu erhalten /biß sich das Ungewitter gänzlich geleget / und unser Schiff den Hafen erreichet. Polyphilus bedankte sich für diesen guten Raht / und gelobte demselben nachzukommen. Hierauf fienge er an / seine Liebe / die bißher unter den Verleumdungen fast erstorben geschienen / wieder zu verneuren. Gleichwie eine Flamme / welche durch den Dampf gehintert worden / so bald sie etwas Luft empfindet / mit viel stärkerer Macht hervor bricht: Also eine Liebe / die vom Zorn /ein zeitlang gehemmet gewesen / erzeiget sich / nach der Aussöhnung / viel brünstiger. Also waren auch diese Verliebte / nun sie ihren Eifer nichtig / und ihre Standhaftigkeit hingegen siegend befunden / voll Freude / und ergötzten sich mit den süßen Früchten /die eine so bittere Wurzel getragen. Endlich kündete ihnen die Zeit ihre Lust auf / indem sie Macarien nach Soletten / den Polyphilus aber zu seinen Triften abforderte. Dann ob wohl dieser nicht unterließe zu bitten /daß Macarie diesen Abend verbleiben solte / so entschuldigte sich doch selbige mit vielen Wichtigkeiten / und[524] bate ihn / daß er seine Sachen zu Ruthiben befördern wolte: nahm hernach einen freundlichen Abschied / und fuhr sehr freudig nach ihrer Insel.

Polyphilus aber / nachdem er sie gesegnet / und ehest ein Brieflein zu schicken / versprochen / gienge wieder zu seinen Hirten / und erzehlte denselben die List der Phormena / durch welche sie alle beyde in Eifer / und durch denselben in Widerwillen verleitet worden: worüber sich Agapistus sehr verwunderte /Melopharmis aber sich heftig erzürnte / und tausend Scheltworte wider die Phormena und ihre Untreu ausstieße. Sie begehrte / Polyphilus solte mit ihr nach Sophoxenien reisen / und die Phormena / wegen dieser Verrähterey / zu Rede setzen: Als er sich aber dessen wegerte / einwendende / daß es gar gefährlich /das jenige strafen / was ohne zweifel aus Königlichem Befehl geschehen / sagte Melopharmis: Was soll ich dann allein auf dem Schloß machen? ich werde / ohn eure Gesellschaft / kein angenehmer Gast seyn; und wer weiß was sie noch anspinnen / wann ich länger hier verziehe. Das stelle ich dahin / (gab Polyphilus zur Antwort) sie mögen thun / was sie nicht lassen können. Ich habe nunmehr diesem Schloß / (welches mir zwar ehemals mein Leben erhalten / anjetzo aber leichtlich wieder geraubet hätte) gute Nacht gegeben /und bleibe bey meiner Herde. Ihre List wird mir nicht mehr schaden / weil wir uns schon dawider gewaffnet. So habe ich auch keine Strafe von der Königin zu fürchten / weil ich von ihrer Botmässigkeit frey / und unter einem andern Schutz lebe. Höfe und Felder /Zepter und Hirtenstäbe /[525] Königinnen und Schäfere /reimen sich nicht zusammen: ein jeder suche seines gleichen.

Weil Melopharmis aus dieser Antwort abnahm /daß Polyphilus nicht zu bereden wäre / schickte sie den Servetus nach Sophoxenien / mit Befehl / die Beschaffenheit daselbst zu erkundigen / und die Königin zu berichten / daß sie / wegen Krankheit nicht wieder zurücke kommen können. Sie gabe ihm auch an Phormena diß Brieflein mit / ihre Boßheit nicht unbestrafft zu lassen.


Untreue Phormena!


Wer hätte glauben können / daß solche Laster in euch wobneten / die unserer Vertraulichkeit mißbrauchen /und / an statt der versprochenen Hülffe / Verfolgung wünschen solten? Wisset ihr nicht / wie vest und heilig die jenige verbunden sind / welche ihr durch eure List zu trennen suchet? Gedenket ihr / die Torheit der Atychintide / durch eure Falschheit zu befördern / und wollet eine leichte Hof Gnade dem Ruhm der Aufrichtigkeit vorziehen? So wisset / daß ihr dieses verlieren / und jenes nicht finden werdet. Dann was hat nun eure Verrähterey für Nutzen / als daß sie entdecket /der Königin Hohn und Gelächter / und euch selbsten Haß und Verachtung / zu wegen gebracht / den Polyphilus und die Macarie aber / viel vester als vorhin verbunden: Dieses ist der Lohn eurer Klugheit / und die Frucht eurer Heucheley. Verzeihet mir / Phormena! daß ich so offenherzig schreibe / wie es mein billiger Eifer der Feder[526] dictiret / und erkennet / in was Torheit ihr gerahten / die / wann sie der Himmel nicht zeitlich entdecket / gewiß dem Polyphilus das Leben geraubet hätte. Berichtet mich doch / was es vor einen Zustand im Schloß habe / damit ich meine Widerkunft darnach anstellen könne. Ich verbleibe indessen

Eure Freundin.


Mit diesem Brief und Befehl / verfügte sich Servetus /aber zu seinem Unglück / nach Sophoxenien. Atychintide / als sie noch selbigen Abend / da Macarie zu Montefessen Abschied genommen / wieder nach Hause fuhre / ließe ihr von Phormena erzehlen / wie Macarie in Eifer entbrennet / und nachmals an Melopharmis schreiben / was sie vermeinet / daß ihr Vorhaben befördern konte. Weil sie aber hierauf lang keine Post empfienge / und weder den Polyphilus noch die Melopharmis / wie sie gehoffet / ankommen sahe / fienge sie an zu zweifeln / ob ihr Anschlag seinen Zweck möchte erreichet haben. Sie lage eben mit Phormena am Fenster / selbige befragend / wie ihr dieser Handel gefiele / als sie den Servetus ankommen sahen. Sie ließe ihn alsbald vor-fordern / da er / nach abgelegter Reverenz / also anfienge: Durchleuchtigste Königin! Gnädigste Frau! Melopharmis und Tycheno / neben den beyden Schäfern Polyphilo und Agapisto / lassen sich E. M. unterthänig befehlen / und tragen Verlangen / deroselben hohes Wohlergehen zu vernehmen. Melopharmis aber bittet unterthänig um Vergebung / daß sie ihre Widerlunft biß daher verzogen / welches[527] einige Unpäßlichkeit verursachet / dadurch sie gezwungen worden / ihre schuldige Aufwartung zu versaumen. Sie erbietet sich / so bald sie ihre Gesundheit wieder erlanget / bey E. Maj. als ihrer gnädigsten Gebieterin / sich in unterthänige Dienst zu stellen.

Ist Melopharmis krank / (fragte die Königin) und hat dieses ihre Heimreise verhintert? so wundert mich / daß sie es nicht eher berichtet / damit wir ihr Arzney verschaffet hätten: Aber hat es sich noch nicht wieder gebässert? Es ist ja etwas leidlicher mit ihr /(versetzte Servetus) allein die Schenkel wollen sie noch nicht in die ferne tragen. So soll sie Phormena morgen mit der Kutsche holen / (sprach Atychintide) da sie vielleicht auch die Schäfere mit bringet. Was machet Polyphilus: ist er frölich bey seiner Heerde? Ich weiß es nicht / gnädigste Königin! antwortete Servetus: Dieser Tagen ist er sehr betrübt gewesen / und hat / wider seine Gewonheit / ganz keine Tröstung annehmen wollen / wiewol mir die Ursach unbekannt ist. Die Königin sahe hierauf die Phormena an / und hoffte noch gute Würkung ihrer Anschläge; befahle hierauf / den Servetus speisen zu lassen. Als nun Phormena mit ihm nach der Küchen gehen wolte /überreichte er ihr der Melopharmis Brief / und gieng darauf / ohne Sorge / zu den andern Bedienten.

Phormena lase den Brief / und ereiferte sich dermaßen darüber / daß sie vor Zorn brennte: dann sie sahe / daß nicht allein ihre Falschheit eröffnet / sondern auch die Wirkung derselben gehintert wurde /und die Gnade / die sie dadurch zu erlangen[528] verhoffet / in den Brunn fiele. Damit sie nun nicht allen Gewinn in diesem Spiel verlieren / und das Gespötte zum Schaden haben müste / liefe sie voll Grimmes /mit dem offenen Schreiben / nach der Königin Zimmer / und sagte / mit erblassten Lippen: Nun habe ich den Lohn für meine Arbeit. Ich wuste wohl / daß ich nichts anders erwerben würde / wann ich E. Maj. gnädigen Befehl nachkäme / und meine Pflicht beobachtete. Hier lesen sie / was Melopharmis schreiben dörffen / und wie viel sie bey ihr gelten. Ich kan es leiden / wann es E. M. vertragen können. Aber jetzt sehen sie / wie wahr ich geredet / und wie vergeblich wir uns bemühen / diese Liebe zu trennen / welche von Melopharmis befördert wird. Die Königin / voll Schrecken über dieser Bezeugung / nahme den Brief und lase denselben: ward aber / wegen der Melopharmis verächtlichen Worte / so voll Zornes / daß sie nicht zum Ende lesen kunte / sondern das Papier in stücke zerrisse / und mit Füßen trate.

Hat dann (sagte sie) der lebendige Teufel diese unverschämte Bestie aus der Hölle herauf geschikt /mein Gemüte und Glück zu beunruhigen? War es nicht genug / daß diese leichtfärtige Alte vorhin den Grund meines Unglücks geleget / und die Rache des Himmels wider mich gereitzet? muß sie nun auch alles mein Vorhaben verhintern / und meine Gnade mit Schimpf und Untreu belohnen? Doch / ich will ihr das Gelächter theuer gnug machen / und mit der Strafe sie lehren / wie sie von Königinnen schreiben soll. Nimmermehr soll mir diese Verrähterin mehr unter das Gesicht kommen; nimmermehr soll sie diese Schwelle betretten.[529] Gebet euch nur zu frieden / Phormena! und achtet unsre Gnade höher / als die Scheltworte dieser Treulosen. Ich bin nunmehr eurer Aufrichtigkeit versichert / und will dieselbe / auch mißlungen / belohnen. Habe ich jemals die verfluchte Melopharmis geliebet und beschenket / so will ichs euch vielmehr thun. Aber lasst den Servetus / den lieben Getreuen dieser Schäferspursch / wieder vorkommen: Er ist zweifelsfrey mit in ihrem Raht / darum soll er auch bey ihnen bleiben / und meinen Hof nicht länger betriegen.

Also muste Servetus / ehe er vollends gespeiset /vor die Königin kommen / welche ihn also anredte: Höre / du Verrähter! der du bißher / deinen Unterhalt allhier / mich zu betrügen / angewendet. Ich hätte Ursach / deinen Frevel mit deinem Blut abzuwaschen /und dir die Strafe zu ertheilen / die deines gleichen Bößwichtern gebühret. Aber ich achte dich nicht würdig meiner Rache / und will dich deiner eignen Strafe überlassen. Gehe hin / und sage deiner Erz-Betrügerin Melopharmis / daß ich alle ihre Boßheit erfahren /alle ihre Verrähterey nun kenne / und deßwegen alle die Gnade / welche ich ihr bißher erwiesen / und noch ferner zu erweisen versprochen / wieder zu rück nehmen. Sie mag mit ihrem Sohn / (dem ich wohl das Königliche Erbgut zugedacht hatte) bey ihren unedlen und nichtswürdigen Schäfern / welchen sie bißher / zu meinem Nachtheil / mit ihrer Falschheit / gedienet /verbleiben / und sich ja hüten / daß sie nicht weiter vor meine Augen komme / wo sie nicht den Lohn ihrer Untreu empfinden / und ihre Laster gestraffet wissen will. Hiemit habt ihr alle / was ihr gesuchet /[530] und ich / was meinen Zorn stillet. Damit wandte sich die Königin von ihme: und er warf sich zwar / mit Zittern / zur Erden / und wolte sich verantworten /wurde aber nicht angehöret. Atychin ide hieße ihn fortgehen / und würde ihm wohl nicht lebendig haben gehen lassen / wo sie die beyde Weisen nicht gescheuet hätte: so gar ergrimmet war ihr Gemüte / als sie ihre Liebe unfruchtbar / und ihren Anschlag umgeworffen sahe. Wie dann nichts so grimmig ist / als ein verschmähtes Weibsbild / das ihre Liebe in Haß verwandelt.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 511-531.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wilbrandt, Adolf von

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Gracchus der Volkstribun. Trauerspiel in fünf Aufzügen

Die Geschichte des Gaius Sempronius Gracchus, der 123 v. Chr. Volkstribun wurde.

62 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon