Sechster Absatz

[531] Melopharmis / über ihrer Abschaffung beängstigt /verkleidet sich / mit dem Servetus / in Einsidler /warsaget im Wald bey Sophoxenien / zweyen Hof-Bedienten / und folgends auch der Atychintide /mit scharfer Vermahnung / ihre Verstossene wieder aufzunehmen / endlich auch dem Eusephilistus. Agapistus bringet Macarien des Polyphilus Schreiben / darinn er ihr der Königin Ungnad entdecket: und kommet mit ihren Antwort-Schreiben zu rucke.


Also muste der armseelige Servetus / mit noch hungrigem Magen / aus dem Schloße / und / weil er wegen einbrechender Nacht nicht mehr zu den Schäfern kommen kunte / in dem nächsten[531] Dorffe bleiben. Er beweinte daselbst / an statt des Schlafes / sein Unglück. Des folgenden Morgens aber / hinterbrachte er der Melopharmis diese böse Botschaft: die darüber des Todes hätte seyn mögen. Sie wande die Hände / risse in den Haaren / und weinete über ihre Unbedachtsamkeit und der Phormena Betrug. Polyphilus und Agapistus lachten dieser Bezeugung / und sagten: Sie solte die Königin zürnen lassen / und mit ihnen die Herde weiden. Aber das war kein Raht vor Melopharmis /die den Stachel des Geitzes fühlte / und das Königliche Erbe nicht verlieren wolte. Daher sie bald dieses /bald jenes / vorschluge / die Gnade der Atychintide wieder zu erwerben / und sich in vorige Hofnung zu schwingen. Nichts war ihr verdrüßlicher / als daß sich Polyphilus ihrer Noht so wenig annahme / da sie doch seinetwegen darein gerahten. Als sie sich nun so gar übel gehube / sagte Polyphilus: Wollet ihr dann ja /Melopharmis! unsern Raht nicht folgen / und vermeinet / ihr müsset zu Hof leben / so brauchet List. Der das Schloß aus den Wellen gezogen / kan euch auchwieder in der Königin Gnade bringen. Ich meines theils kan / auch ohne diese Gnade / frölich seyn.

Melopharmis erschrack über dieser Rede / und merkte wohl / daß Polyphilus auf Zauberey zielte /davon sie doch nichts hören wolte: Dann ob es ihn gleich nicht schwer fallen mögen / durch verbottene Künste ihr Hülffe zu schaffen / so wuste sie doch /daß sie albereit bey den Weißen / wegen der wunderlichen Errettung des Schloßes / verdächtig / und durch die Verleumdung der Phormena / in ihrer Abwesenheit / leichtlich gar angegeben / und in verhafft[532] kunte gebracht werden. Darum suchte sie mehr mit List und Betrug / als zauberischer Kraft / ihren Zweck zu erreichen. Sie blieb in unterschiedlichen Nachdenken / selbige Nacht / ohne Schlaf / kunte auch keine fröliche Stunde haben / biß sie etwas ausgedacht hatte / daß ihr Hofnung zu ihrer vorigen Glückseeligkeit gabe. So bald sie aber einen / ihrer Meynung nach / richtigen Raht erfunden / wurde sie munderer / und hieße den Servetus getrost seyn / weil sie ihm nun bald mit ihr wieder nach Hofe bringen wolte. Das möchte ich sehen! (sagte Agapistus) verheißet nur nicht zu viel /Melopharmis! es gehen uns / das Jahr über / um etlich tausend Gulden Anschläge zurücke. Dieser aber gar schwerlich: (versetzte Melopharmis) Ihr sollet erfahren / daß man uns nicht allein wieder nach Hof zu kommen erlaubet / sondern auch darzu bittet. Da wünsch ich Glück zu! sprach Agapistus. Helffet ihr uns dann auch wieder zur Königlichen Gnade? fragte Polyphilus? Wie ihr mir dazu geholfen: gab Melopharmis lachend zur Antwort. Aber spottet nur immerhin / ich will schon eurer wieder spotten / wann ich mein Geweb zu End gewürket.

Melopharmis unterließ hierauf nicht / ihren Anschlag zu vollführen. Was thut aber diese Listige? sie machet ihr / auf eine besondere Art / priesterliche oder Eremiten-Kleider / und verstellet das Gesicht mit einem grauen Bart / versihet auch den Servetus mit dergleichen. In solchem Habit / dessen die Schäfer /und ihr Sohn / nicht gnug lachen kunten / gienge sie mit dem Servetus in den Wald / der nächst dem Schloß Sophoxenien lage / ließe ihr[533] daselbst ein kleines Hüttlein von etlichen Brettern aufschlagen /machte ein Tischlein darein / gleich einem Altar / und setzte darauf ein Rauchfaß / eine Kertze / und was sie sonsten / zur Hülfe ihres Betrugs / dem Servetus aufgeladen. Sie hatte kaum ihren Kram ausgelegt / da sahe sie einen jungen von Adel daher kommen / der ein Rohr über der Achsel truge / und Vögel zu schießen willens war. Sie befahle sobald dem Servetus /sich zu verbergen / zündete hierauf ihre Kerzen an /legte Weihrauch auf die Glut / und knihete / mit vielem Murmeln / vor dem Altar. Indessen war der Edelknab begierig / die Hütte / welche er sonst daselbst nie gesehen / zu beschauen / und gieng gerades Fußes dahin: da er den Alten in seiner Andacht so lang zusahe / biß der sich umkehrt / und mit ernstlicher Stimme / Orakels-weise / also zu reden anfienge:


Wer ist / der mir zerstört die heiligen Gedanken /

Und mit gemeinem Fuß / in die geweihte Schranken

Der Hütten tretten darff? die diesem nur erbaut /

Durch welchen jederman sein Glük und Unglük schaut.

Du kühner Jüngling! du / hast freylich Straf verdienet.

Doch / weil ich gleich jetzund den Himmel ausgesühnet

Durch Opfer und Gebet: so steh / und fürcht dich nicht.

Hör aber fleissig zu / was dir mein Mund verspricht.

Du bist / zu guter Stund / in diese Gegend kommen.

Nimm nur genau in acht / was dient zu deinem Frommen.

Eh dieses Jahr vorbey / und jenes komt heran /

Ist dir ein großes Thor zur Wohlfart aufgethan.

Du bist nun eine Zeit / in harten Dienst gestanden:

So mache dich jetzt loß / von so beschwerten Banden.

Dein Glücke grünt hervor / und steiget in die höh.

Dir gönnt des Himmels-Gunst / viel Reichtum durch die Eh.

Mehr ist mir nicht erlaubt / von Künftigen zu sagen;

Drum sey damit vergnügt / und thu nicht weiter fragen.[534]

Nim deiner selbsten war / und sey nicht unbeherzt:

Dann / wo es fehlen solt / hast du es selbst verscherzt.


Uber dieser unverhoften Weissagung / wurde der junge Edelmann ganz erstarret: freuete sich aber doch der guten Zusage / einer glücklichen Heuraht / und wolte dem fremden Propheten eine Verehrung geben. Er aber schüttelte den Kopf / und wolte nichts annehmen / sondern winkte / er solte seines Wegs gehen. Also gieng dieser Betrogne / voll Schrecken und Verwunderung / wieder zurück / und ließe vor dißmal die Vögel ungeschossen. So bald er aber hinweg war /riefe Melopharmis dem Servetus / und fragte: wie ihm dieser Anfang gefiele? Sehr wohl! sagte dieser / mit großem Gelächter. Der gute Kerl schätzet sich nun schon glückseelig. Wann es die Königin höret / so komt sie selbst heraus. Darauf ists auch angesehen! versetzte Melopharmis Reichet mir nur jetzund zu essen: ich wil ihnen noch Lugen genug verkauffen. Also hielten sie Malzeit von der mitgebrachten Speise / unter vielen Gesprächen.

Sie hatten kaum gespeiset / als sie den Edelknaben wieder daher kommen sahen / und Erothemitis / eine aus den Frauenzimmer / mit ihme. Was will diese? sprach Melopharmis: soll ich ihr vielleicht auch einen Mann verschaffen? ich such nicht ihre / sondern ihrer Königin Ankunft. Doch haltet euch versteckt / Servetus / so will ich ihr auch etwas daher dichten / und sehen / daß ich diese beyde zusammen koppele. Hierauf verbarge sich Servetus / Melopharmis aber setzte sich bey ihr Buch / und erzeigte sich gar tiefsinnig /biß diese beyde hinzu kamen. Erothemitis kam allein hinein / (dann[535] der Jüngling wolte nicht gar mitgehen) und sagte / voller Schrecken: Verzeiht mir / andächtiger Vatter! daß ich eure Andacht verhintere. Ich vernehme / daß ihr aller Menschen Zustand kennet / und bitte / ihr wollet auch mir / wie andern / mein Glück oder Unglück offenbaren. Mehr kunte sie / vor Furcht / nicht heraus bringen. Melopharmis aber neigte das Haubt / und gab so viel zu verstehen / sie wolte ihrer Bitte willfahren. Hierauf zündete sie ihre Liechter an / legte etliche Kräuter-Wurzeln / und was mehr zu Erforschung zukünftiger Dinge gehöret / in einen Kreiß / und fieng an viel undeutliches zu murmeln /und sahe darauf die Erothemitis an / die in tausend Aengsten stunde / und sagte:


So rühmt sich meine Kunst / wann Jung fern sie befragen.

Was soll ich diesem Volk / als nur von Liebsten sagen?

Die Jugend hat die Lieb nur bloß zu ihren Ziel:

Drum Jungfer! höre zu / was ich dir sagen wil.

Dich hat vor kurtzer Zeit! ein Alter wollen freyen:

So trug dein frischer Sinn ob seinen Haaren scheuen /

Die eben so beschneyt / als meine / sahen aus /

Und zeugten / was vor Hitz in seinem kalten Haus.

Drum woltest du das Geld / nicht vor die Lust erwehlen.

Doch Schöne! handle klug: es könt dir leichtlich fehlen.

Noch einer steht dir vor: und schlägst du da nicht ein /

So wehr dich / oder nicht / du must des Alten seyn.

Es wird / eh du vermeinst / dich noch ein Junger lieben:

Und dem ergib dich bald / wie ich dir vorgeschrieben;

Sonst führt dich jener heim. Diß fordert dein geschik.

Erothemitis! hör / und folge deinem Glück.


Die Jungfer hatte diesem allen / mit grossem Eifer zugehöret / und wolte nun auch ihre Dankbarkeit gegen Melopharmis erweisen: allein sie nahme nichts / wie sehr auch Erothemitis bate.[536] Derowegen dankte sie mit Worten / und verfügte sich mit dem jungen Edelmann wieder nach dem Schloß. Melopharmis und Servetus hingegen warteten auf die Königin / biß an den Abend: worüber sie sehr wunderten. Doch hatten sie die Hofnung auf den andern Morgen: blieben also diese Nacht in der elenden Hütten beysammen. Melopharmis schlief wenig / und sorgte / es möchte ihr Anschlag mißlingen / und Atychitide so erzürnet seyn /daß sie nichts mehr von ihnen horen wolte; oder sie möchte wol gar diesen neuen Warsager suchen und einziehen lassen / da man dann seltsam mit ihr umspringen würde.

Diese Angst aber nahme bald ein Ende: Dann als sie des Morgens in der Hütten beysammen sassen /und an ihrer Hofnung fast verzweifelten / sahen sie Phormena daher gehen / mit einer andern unbekandten Weibs-Person. Melopharmis erschrake erstlich über dieser Ankunft / und bildete ihr ein / es werde sie Atychintide zur Kundschafferin ausgesandt haben. Als sie aber etwas näher kamen / wurde sie gewar / daß die Königin selbst / in einem fremden Habit dabey war. Sie schaffte demnach den Servetus hintan / und lase /nach ihrer Gewonheit / in einem alten Buch. Atychintide trat in die Hütten / und sprach: Höre / du künstlicher Alter! der du jederman seinen Zustand entdeckest / und dich rühmest / ihr Künftiges zu wissen. Ist etwas in deinen Kräften / dadurch du mein Verhängnus sehen / und von meinem Glück zeugen kanst / so eröffne mir unerschrocken / was ich in meinen verwirrten Anschlägen zu fürchten oder zu hoffen habe. Melopharmis fieng hierauf an / ihre[537] Gauckeley hervor zu suchen / und machte so viel abenteurliche Gebärden und Handlungen / daß die Königin recht furchtsam wurde / und der Phormena winkte / zu ihr zu sehen. Melopharmis sahe unter ihrem Gebet die Königin etlichmal an / schüttelte den Kopf / stellete sich voll Wunders / und fienge endlich also an zu reden.


Eh ich die Antwort sag / so muß ich warlich lachen /

Daß eine Königin sich will verborgen machen /

Durch ein entlehntes Kleid. Soll / der des Himmels Raht

Und den Verhängnis-Schluß / vor seinen Augen hat /

Der durch die Tiefe kan der Parcen Anschlag hören /

Der Glück und Zufäll weiß / sich lassen jetzt bethören

Durch einen fremden Rock? Ach nein! ich sehe weit /

Und kenn des Purpurs Glanz auch unter schlechtem Kleid.

Drum / Königin! vernim / was ich dir werde zeugen.

Die Warheit lässet sich durch keine Hoheit beugen.

Ich öffne / deiner Bitt / den Göttlich-hohen Schluß /

Vor dem die ganze Welt / in Demut zittern muß.

Im fall nun dein Gemüt vor solcher Macht erbebet /

So wisse / daß dein Glück jetzt auf der Spitze schwebet /

Daß dein verlassnes Schiff geräht im Wirbel-wind /

Und dein verirrter Lauf nun bald die Grube find.

Du hast der schweren Straf des Himmels schon vergessen

Und daß dein schönes Schloß / mit dir versenkt gewesen.

Was deine Rettung war / hast du von dir verbannt /

Und hegst an solcher Stell / die fördern deine Schand.

Man siht der Tugend Pest / die Wollust in dir brennen.

Was reine Liebe bindt / das suchest du zu trennen

Durch List und Tyranney. Drum höre / was ich sag.

Der Himmel rüstet sich schon wider dich zur Rach.

Und wo du länger wirst in solchem Laster Leben /

Und deinen schnöden Sinn der tollen Lieb ergeben;

Wann du die / so zuvor gedienet deinem Glück /

Durch Gnad und Freundlichkeit nit ruffest bald zurük:

So wisse nur gewiß / daß / was du vor ertragen /

Nicht zu vergleichen sey den allzuharten Plagen /[538]

Die dir bereitet sind / und schon im Warten stehn /

Biß dein Verhängnus sie wird heissen an dich gehn.

O Tochter! denke nach / es gilt hier kein verweilen:

So schnell die Sonne fährt / wird auch dein Unglük eilen.

So eile du mit Raht / und stoß aus deiner Brust /

Die blind entbrannte Lieb / die Laster-volle Lust.

Laß / was der Himmel selbst durch Tugend hat verbunden

Dir nicht entgegen seyn. Und welche wieder funden /

Was dir verborgen war / das helle Sonnen Liecht /

Die lasse länger ja aus deinem Hause nicht:

Sonst wirst aufs neue du / und ewig / dich versenken /

Und dörftest nimmermehr auf keine Rettung denken /

Weil die so schlechten Dank / bey dir gewürcket hat.

Atychintide! wach! diß ist der Sternen Raht.


Die Königin wurde durch diese Weissagung / als vom Blitz gerühret / und so beschämet / daß sie die Augen zur Erden schlug / und sich ganz onmächtig auf Phormena steurte: Sie war so voll Schrecken und Ungedult / daß sie wünschte / den Propheten nie gesehen zu haben: Dann sie wuste sich / in ihrem Gewissen /aller der Laster schuldig / welche ihr der Warsager aufgebürdet / und kunte deßwegen auch an der angedrohten Strafe nicht zweifeln. Also stunde sie in äussersten Aengsten. Ihre Heimlichkeit war entdecket /ihre List war umgeschlagen / und ihre Hofnung lag darnieder. Solte sie von ihrem Vorsatz weichen / und die Verstossene wieder beruffen / das wäre schwer und schimpflich: solte sie dann darinn verharren / so wäre es gefährlich und schädlich. Schon einmal hatte sie die Rache des Himmels empfunden / und das andere mal muste sie dieselbe fürchten. Demnach wuste sie ihr nicht zu helffen / und hatte kaum die Kräffte /der Phormena zu befehlen / sie solte dem Warsager ein Geschenke geben: welches er aber nicht annahme.[539] Also giengen sie / weil sie nichts mehr zu suchen wusten / wieder zurücke / und nach ihrem Schloße.

Melopharmis / so bald sie die beyde aus dem Gesicht verloren / riefe dem Servetus / und sagte: Nun haben wir unsern Zweck erreichet / und der Königin angekündet / was zu unsrer Widerberuffung vonnöten ist. Nun ist übrig / daß wir uns bald von hinnen ma chen / ehe unser Betrug entdecket / und unser Anschlag verderbet werde. Geschwinde / Servetus! brecht die Hütten ab / und lasst uns fortziehen. Also eilete dieser / dem Befehl der Melopharmis nachzukommen / und brache alles zu stücken / damit sie nicht gehintert würden. Eben aber / als sie fortgehen wolten / sahe Melopharmis den Eusephilistus daher reiten / welcher / wie sie mutmassete / nach Sophoxenien wolte. Sie besanne sich bald einer List / und sagte zum Serverus / er solte mit den Sachen fortgehen. Sie aber blieb in tiefen Gedanken stehen / biß Eusephilistus näher kam / und diesen ungewöhnlichen Aufzug mit Verwunderung ansahe / aber ohne Besprächung vorbey reiten wolte.

Als dieses Melopharmis warnahm / fienge sie an mit lauter Stimme zu ruffen:


Verliebter Jüngling! halt! du darffst so sehr nicht eilen.

Die Wunde / die du denkst an jenem Ort zu heilen /

Findt Kraut und Pflaster hier. Ich weiß / wohin du rennst /

Und kenne dein Gemüt / ob gleich du mich nicht kennst.

Ich will / eh das ich wuß aus dieser Gegend reisen /

Dir / noch den rechten Weg / in deiner Liebe weisen:

Du reitst auf jenes Schloß / zu forschen eine Sach /

Die ich viel besser weiß. Drum hör / und folg mir nach.[540]

Die du bißher geliebt / und noch nicht wilst verlassen /

Um welcher wegen du auch reisest diese Straßen /

Wird dir nicht zuerkannt durch Gott und d. in Geschik.

Ein andre gönnet dir in kurtzen süße Blick:

Die nim gewogen auf / so kanst du frölich leben /

Da jene Liebe dich nur heist in Unglück schweben.

Diß nim in acht / mein Sohn! der Mensch ist gantz bethört /

Der etwas wider Gott / zu seinem Fall begehrt.

Was der uns nicht erlaubt / soll unser Herze fliehen /

Weil wider seine Macht wir uns umsonst bemühen.

So gib den Schäfer hin / was ihn der Himmel gibt /

Und lieb hingegen die / so dich schon heimlich liebt:

Alsdann wird Glück und Freud aus deiner Heurat sprossen.

Diß find / im großen Raht ich jetzt also beschlossen.

Vollbringst du / was ich sag: so hast du klug gethan.

Wo nicht: so bleib gestürtzt / und klag dich selbsten an.


Ob Eusephilistus / über dieser unverhofften Weissagung erschrocken / ist leicht zu vermuhten: Dann er war vorhin in höchster Ungedult / und hatte zu Soletten verstanden / daß Macarie abermal mit dem Polyphilus zusammen gewesen / da er doch zuvor aus der Erzehlung Phormenen / viel ein anders geschlossen. Er reisete dennoch zu der Königin / die Gewißheit der Liebe des Polyphilus zu erforschen / und einen endlichen Schluß zu vernehmen / was er in seinen Verlangen zu fürchten oder zu hoffen habe. Dieses erfähret er nun auf dem Weg ungefehr / wiewol nicht nach seinem Willen: weßwegen er darüber sehr bestürtzt wurde. Er sahe den seltsamen Warsager mit unverwandten Augen an / und wuste nicht / ob er ihm danken / oder ihn schelten solte. Melopharmis aber eilete mit ihrem Knecht von dannen / aus Furcht / erkennet zu werden / und wolte ihr nicht lang unter das[541] Gesicht sehen lassen: den Eusephilistus im Zweifel verlassend / ob er weiter reiten / oder wieder umkehren solte / weil er albereit mehr gehöret / als er gewünschet. Doch entschloße er sich letzlich / gar nach dem Schlosse zu reisen / und des Warsagers Worten nachzuforschen / damit / wann sie mit der Warheit einträffen / er seine Handlungen darnach richten / und / weil er ohndas unbeständiges Sinnes war / eine andere erwehlen könte.

Die Schäfere hatten inzwischen / nach ihrem Abzug / sich berahten / der Macarie die Ungnade der Königin zu eröffnen / weil sie es doch sonst erfahren /und dadurch in neuen Kummer gerahten möchte. Demnach schickte Polyphilus Agapisten nach Soletten / und ließ seiner Liebsten die ganze Handlung erzehlen / gab ihm auch ein Brieflein an sie / dieses lauts.


Liebstes Herz!


Weil ich nicht zweifle / es werde das Geschrey / daß sich mehr auszubreiten / als zu verbergen pfleget / die Handlung der Königin zu Sophoxenien / wider uns /derselben / und zwar / seiner gewohnten Art nach /mit meinen Schimpfe / für Ohren gebracht haben: als habe ich / durch unsern Agapistus / ihr davon mündlichen Bericht zu geben / nicht verabsaumen wol en. Er wird von allem / was geschehen / und künftig geschehen möchte / Bericht ertheilen. Weil aber des Agapistus Herz / hierinn fast der schönen Macarie ihrem gleichet / daß es etwas furchsam / und ohne Ursach erschrocken ist / wolle sie / mein[542] Kind! keine unnötige Sorge in ihr herrschen lassen / sondern vielmehr der beherzten Künheit ihres Polyphilus nachfolgen /und gewiß glauben: daß / dafern Witz und Bedacht noch etwas vermögen / ich diesem Ubel bald Rath schaffen / und anjetzo eine süße Rache / an der bißher von der Königin erlittenen Boßheit / mit nächsten verüben werde. Sie lebe nur ohne Furcht / mein Herz! und in der Liebe

Ihres biß in den Tod beständigen

Polyphilus.


Als Agapistus diesen Brief Macarien eingehändiget /fragte sie / nach dessen Ablesung: was dann mit der Atychintide vorgelaufen wäre? und als ihr Agapistus solches nach der Länge erzehlet / wunderte sie heftig darüber / und bate Agapisten / daß er Polyphilo zureden / und ihn vermahnen solte / der Königin nachzugeben / und sich mit ihr in keine öffentliche Feindschaft einzulassen / weil sich dergleichen Handlungen im Lande auszubreiten / und in allerhand schimpfliche Nachreden auszuschlagen pflegen. Dem ist also! (sagte Agapistus) Ich habe den Polyphilus dessen allbereit erinnert / und will es / auf ihren Befehl / schöne Macarie! noch ferner thun. Damit es aber nachdrüklich geschehe / so bitte ich um etliche Zeilen / die meinem Zusprechen mögen Glauben erwerben. Wann ich ihn damit beschweren darff / (versetzte Macarie) so soll es an meiner Feder nicht mangeln. Hierauf setzte sie sich über / und schriebe folgendes.
[543]

Mein Herz!


Bleichwie die Tugend / wan sie nicht auf einem Diamantenen Fuß der Beständigkeit ruhet / vor keine Tugend zu halten / sondern vielmehr / ein löblicher Anfang / eines sträflichen Endes zu nennen ist: also wil hingegen solcher Ruhm der Beständigkeit / nicht auf weichen Polstern / sondern in den Stürmen der Widerwärtigkeit erlanget werden / weil ohne Streit kein Sieg zu boffen ist. So lasse er sich den Haß der Königin /mit welchem sie seine Ruhe bekrieget / nicht anfechten / sondern lebe versichert / daß alle unschuldige Verfolgungen ihm / an statt eines Schatzes / dienen werden / sein Glück vor der Fäulung zu bewahren. Damit man aber doch vorsichtig handele / möchte ich wünschen / er ließe ihm meine Bitte und seines Apagistus Raht gefallen / und begegnete dieser Erzürnten mit Demut: Ich bin gelliß / daß dieser hochmütige Löw durch die Anbetung besänfftiget / und wo nicht ein Lams-Fell / doch einen Fuchs-Beltz anziehen würde. Weiß ich doch / daß er von dem Himmel / mit einer so ungemeinen Freundlichkeit beschenket ist /daß er dadurch auch die wildste Gemüter zahm machen könte. Und diese lasse er vor dißmal / an stat der Rache / gelten / und folge der Bitte /

Seiner

Macarie.
[544]

Nachdem Apapistus dieses Brieflein von Macarien erhalten / nahme er einen höflichen Abschied / und kehrte damit wieder zum Polyphilus / erzehlte denselben seine Verrichtung / und überreichte ihm das Schreiben seiner Liebsten / welches er lese / und dadurch in Zweifel gesetzt wurde / was er thun solte? Der Königin nachzugeben / und um ihre Gnade zu bitten / wie Macarie und Agapistus riehten / war wider seine Natur und Gedanken: seiner Liebsten Bitte aber zu verachten / war wider das Gesetz der Höflichkeit / und Liebe. Also schwebte er in Ungewißheit / und hatte mit Agapisten viel Streitens hierüber. Endlich kam Melopharmis dazwischen / welche den beyden Schäfern ihre verübte Warsagerey mit solchen Umständen erzehlet / daß sie darüber sich nicht satt lachen kunten.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 531-545.
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