Zwölfter Absatz

[634] Unter währendem Gerichte / kommen Philomathus /Cumenus und Filato / mit Garine und Anamfe / nach Soletten. Philomathus / von denen zu Soletten mit Freuden empfangen / entschuldiget und errettet die Gefangenen. Macarie und Polyphilus / halten daselbst ihre Hochzeit-Schluß-Gedichte dieses vierten und letzten Buches.


Agapistus wolte eben wieder antworten / als sie den Philomathus / Cumenus und Filato / mit Garine /Anamfe und Volinie / neben der Nabisa daher kommen sahen. Dann diese letzere / so bald der Tumult in der Insel entstanden / war mit dem Gärtner nach dem Lusthaus gegangen / und hatte daselbst des Gärtners Jungen noch bey Nacht / nach der Hütten des Cumenus / ihr den Weg zeigen lassen: deme sie die Gefahr der Macarie / zu ihrer allerhöchsten Betrübung eröffnet. Sie säumten sich demnach nicht lang / solchem Unheil zu begegnen / und giengen alsobald aus / die Macarie mit den Schäfern zu suchen. Als sie nun nichts von ihnen gefunden / und von etlichen Leuten[634] berichtet wurden / daß sie allbereit nach Soletten wären geführet worden / eileten sie ingesamt nach der Insel / und kamen eben zu der Zeit / als die Gefangene in der höchsten Gefahr waren.

Es ist nicht zu glauben / mit was Bestürzung /Schrecken und Verwunderung die Solettischen Inwohner den Philomathum (den sie gewiß vor tod gehalten) kommen sahen: sonderlich als er beherzt und fast erhitzt dem Gericht zueilete. Er fienge / mit etwas häfftigen Worten / also an zu reden: Vergebet mir / geliebte Freunde und Nachbaren! daß ich euer Vorhaben verhintere. Ich sehe euch in einer so ganz unbilligen Handlung begriffen / und muß der Gerechtigkeit zu steur / euch hiemit die Notturft eröffnen. Ihr werdet nicht zweifeln / daß ich Philomathus / euer ehmaliger Vorsteher sey / der von euch als todt beklaget / durch diese tugendhafte Schäfere aber beym Leben erhalten worden. Die Warzeichen / welche in meinem Hause verborgen / werden gnugsamen Beweiß ihrer Unschuld vorzeigen. Darum haltet ein mit dieser Verfahrung / und glaubet / daß ich euch die lautere Warheit von dieser Verwirrung eröffnen werde.

Auf diese Rede / erhub sich der Richter von seinem Stul / fiel dem Philomathus um den Hals / und sagte mit frohem Gesichte: Seyt uns zu tausendmal willkommen / allertheurester Philomathus! Die Freude /welche bey uns eure unverhoffte Widerkunft erwecket / ist viel grösser / als das Leid / so uns euren Abschied zu empfinden gegeben. Zürnet ja nicht / wehrtester Freund! daß wir euren Tod an diesen Schäfern zu röchen gesuchet / sondern erkennet vielmehr daraus unsre Liebe / damit wir[635] eure Aschen noch zu ehren gedachten / und bedenket / daß uns das Gesetz der Gerechtigkeit keinen andern Weg führen können. Eröffnet uns aber auch die allerseltsamste Begebenheit / welche sich jemals unter der Sonne zugetragen /die uns auch auf solchen Irrweg geleitet / daß uns niemand anderst / als ihr selbst / davon zurück ziehen kunte.

Ich muß bekennen / (versetzte Philomathus) daß meine Widerkunft sehr entsetzlich und kräfftig gnug sey / allerhand Zweifel / Mißtrauen und Irrtum einzuführen. Allein man muß die Vernunfft der Göttlichen Vorsehung unterwerffen / und das / was man nicht begreifen kan / vielmehr bewundern / als lästern oder laugnen. Meine Gegenwart zeiget gnugsam / daß der Wahn von meiner Ermordung nichtig sey. So bin ich auch willig / die Umstände dieses himmlischen Geschickes weitläuffig zu erzählen. Nur bitte ich / daß zuvor diesen tugendliebenden und ganz unschuldigen Schäfern / meinen wehrtesten Freunden / und sonderlich der unvergleichlichen Macarie / die Freyheit wieder ertheilet werde. Dann ihr solt wissen / geliebte Freunde / Nachbaren und Kinder! daß ihr / mit dieser Gefängnus / das gröste Unrecht an ihr begangen / und Ursach habet / dieselbe durch Abbitte und Gutthaten wieder auszusöhnen: Und damit ihr an meiner Rede nicht zweifelt / will ich sie völliger erläutern.

Sehet da / den Edlen Vatter dieser Edlen Tochter! Cumenus / der von Geburt und Tugend edle und kluge Schäfer / samt seiner theuren Anamfe / sind leibliche Eltern der hochbegabten Macarie / welche ihnen / in der Kindheit / durch einen grimmigen[636] Wolf geraubet /aber von dem Edlen Firmisco aus Sicilien wieder errettet worden: der sie so lang vätterlich erzogen / biß sie mit eurem gerühmten Vorsteher / dem Honede / ist verehlicht / und durch widrigen Wind in diese Insel getrieben worden: da sie / als deren Ehre / mit / und ohne ihren Liebsten / biß auf diese Stunde / keusch und tugendlich gelebet / wie solches eure eigne Bekentnus (so ihr der Warheit nicht widerstrebet) wird bezeugen müssen.

Es hat sich aber begeben / daß Polyphilus / der von Edlen Eltern entsprossen (wie seine Mutter / die Garine / hier zugegen / die mit mir mancher Gefahr obgesieget / und von ihm wunderbarer Weise wieder gefunden und erkennet worden / beglaubet) und durch einen erbärmlichen Schiffbruch an das Ufer dieser Insel geworfen / von mir die Kunst und Tugend dieser Macarie vernommen / und alsbald Verlangen bekam /sie zu sehen: welches er auch / nach vieler Gefahr /durch Hülfe des Thalypsidamus / unsers Mit-Bürgers / erlanget. Damals wurde nun / aus seinem Verlangen eine Liebe / und erkühnte sich / die schöne Macarie um Gegen-Liebe zu ersuchen. Er bekame aber die harte Antwort / daß sie der Einsamkeit ihre Tage geschworen hätte / biß ihr / nach der Weissagung des Orakels / jemand ihre unbekandte Eltern offenbaren würde. Dieses nun triebe den Polyphilus in das äuserste Elend / und bewegte ihn / aller Gesellschaft zu vergessen / und seinen verlassenen Schäferstab wieder zu ergreifen.

Selbiger war aber kaum in seiner Hand erwarmet /als er erfuhre / daß Cumenus und Anamfe[637] der Macarie Eltern wären. Wie hoch er sich darüber ergötzte / kan nur der jenige ermessen / der aus einer verzweifelten Liebe in völlige Hofnung gesetzet worden. Dann er gedachte nun dem erwünschten Ziel seines mühsamen Lauffes gar nahe zu seyn / nit wissend / daß die übereilte Rache dieser Inwohner / seine gerechte Tritte hintern / oder garzurück halten würde. Er verfügte sich nach dem Lusthause seiner Macarie / weil er verstanden / daß sie sich daselbst enthielte: und eröffnete er Ihr daselbst freudigst / daß er nunmehr ihre Eltern gefunden / und also selbst durch den himmlischen Schluß zu ihren Liebsten erwählet wäre.

Macarie aber / die in dieser Erzählung / vor bestürzter Verwunderung / niemand als ihren eigen Augen trauen kunte / gienge / wider ihre vorige Gewonheit / mit dem Polyphilus zu den Schäfern: da sie von ihren Eltern und Freunden / auch von uns allen /mit Frolocken bewillkommet / und dem Polyphilus /als durch Göttliche Versehung und seine aufrichtige Dienste / ihrem würdigsten Liebhaber zugeführet worden. Wir beschloßen sämtlich / hieher zu reisen /und den gesamten Inwohnern diese verwunderliche Begebenheit / sonderlich aber meine unglaubliche Errettung / kund zu machen: damit sie neben uns ergetzet / und Macarie ihre Hochzeitliche Freude / mit ihrer aller Zufriedenheit / begehen möchte: nur wolte Anamfe zuvor / die zur Reise und Hochzeit notwendige Dinge befördern. Macarie gienge indessen mit diesen Schäfern / die Gegend des Landes zu sehen: da sie / von einem Hauffen hiesiger Inwohner / überfallen / und / mit[638] höchstem Unrecht / schimpflicher Weise / gefangen vor dieses Gericht gebracht worden.

In warheit / geliebte Freunde! ich bin erstaunet / als ich diese Göttin der Tugend / (wie ich sie oft betittelt) als lasterhafft / vor eurem Gerichte stehen sehen. Sind dann eure Augen so verdunkelt / daß ihr das Liecht ihrer Würde nicht erkennet? Ich fürchte / eure Gewaltthätigkeit bey ihr zu entschuldigen / und weiß nicht /wie ich diesen Schimpf abbitten soll. Doch ist ja ihre Sanftmut so groß / daß sie aller Beleidigung bald vergessen / und diese übereilte Beschimpffung / weil sie aus Irrtum / und nicht aus Boßheit hergeflossen /nicht zu anten suchen wird. Ach ja! Vergebet doch /allergedultigste Macarie! was eine erhitzte Gäheit verschuldet / und nehmet den Schatz eurer Freyheit / und das offenbare Zeugnus eurer beständigen Tugend / vor das überstandene Unrecht an. Versöhnet auch den so sehr beleidigten und Tugendhaften Polyphilus / und lebet versichert / daß hiesige Insel das Unrecht mit Gutthaten ersetzen / und die fröliche Verehlichung /welche sie beyde so lang verlanget / eben so hülffreich befördern werden / als sie solche bißher / aus einem falschen Verdacht / gehintert haben.

Hiemit fasste er die Hand der Macarie / überreichte sie dem Polyphilus / und führte sie also beyde / unter Zuruffung und Glückwünschung des ganzen Volkes /zu Cumenus und Anamfe / gienge folgends wieder vor den Richter / und fuhre in seiner Rede also fort: Nun ist noch übrig / daß ich auch der Unschuld dieses andern Schäfers ein Zeugnus gebe / und offenbar mache / daß er mein Leben durch Ertödung meines Mörders erhalten[639] habe. Dann als ich / liebste Freunde! eben die Nacht / als ich den Edlen Polyphilus /nach kurzer Erkantnus / unglücklich verlierend / meiner Meinung nach in den Wellen zu Grund gehen gesehen / und nun / als ich wieder nach Haus gelanget /bejammerte ich den Tod dieses gelehrten Schäfers /mit vielem Wehklagen. Wie ich nun / aus großer Betrübnus / weil ich ihn allein verlassen hatte / mich silbst als seinen Mörder anklagte / begab es sich / daß ich vor Kummer mein Bette verließ / und bey meinen Büchern Trost suchte.

Nachdem ich aber auch daselbst wenig Ruhe gefunden / kehrte ich wieder zurück / und wurde gewar /daß mein Bette von jemand anderem war eingenommen worden. Ich hielte es erstlich vor des Polyphilus Geist. Als ich aber ein Liecht gefordert / erkante ich /daß ein todter und mit blut-besudelter Eörper meine Stelle bekleidet: den ich aber / nach hefftigem Schrecken und eigentlicher Beschauung / nicht erkennen kunte. Er hatte an seiner Seiten einen blossen Dolchen ligend / doch ohne einiges Blut-Zeichen. Diese Begebenheit machte mich lang in Verwirrung stehen / biß ich seine Kleider / und in selben einen Brief dieses Inhalts fande:


Deinen Brief habe ich erhalten / und mich über deine willige Dienstfärtigkeit sehr erfreuet / werde auch nicht unterlassen / dieselbe reichlich zu belohnen: wie ich dann hiemir 40. Cronen übersende / damit du desto eiliger meinen Wunsch erfüllest. Sey nur beherzt / meine Rache auszuüben / und den Philomathus / meinen Erz-Feind / zu ermorden / wie[640] du versprochen hast. Siehe aber zu / daß du vorsichtig handelst / daß meine Ehre und dein Leben nicht in Gefahr komme. Die Nacht wird wol hierzu am füglichsten seyn. Ich verlasse mich auf deine Klugheit / und erwarte mit Verlangen deiner Widerkunft und der glücklichen Verrichtung: alsdann werde ich die andere Hälffte des Geldes erlegen / und lebenlang verbleiben dein

Danckbarer Gutthäter und Beförderer

Gilbertus.


Als ich diesen schelmischen Brief meines unbilligen Feindes zu lesen bekam / dankte ich dem Himmel vor seinen gnädigen Schutz / und war willens / diesen Verlauf zu offenbaren. Weil ich aber nicht wuste /wer diesen Mörder getödet / geriet ich in neuen Zweifel / und fürchtete / man möchte mich vor den Thäter anhalten / zumal mir die scharffen Gesetze dieser Insel bekandt waren. Darüm nahme ich mir vor / den sichersten Weg zu gehen / und entwiche / nachdem ich den Dolchen und Brief im Hause verborgen / mit etwas Geld / noch selbige Nacht / aus der Insel / und durchreisete etliche Städte und Länder / biß ich erfahren möchte / wie die Sache abgelaufen.

Nach zimlich langer Zeit / vername ich von einem hiesigen Inwohner / daß der ertödzte Mörder / an stat meiner begraben / ich aber / als ermordet / beklaget /und Polyphilus / ein fremder Schäfer / vor meinen Mörder gehalten und verfolget würde. So bald ich vernommen / daß Polyphilus /[641] mein getreuer Freund /noch lebte / begab ich mich / diesen Unschuldigen zu befreyen / auf die Heimreise / fande und erkannte unterwegs die edle Garina / die diesen ihren Sohn zu suchen / umher zoge / und setzte mich mit derselben auf ein Schiff / willens / nach dieser Insel zu segeln. Wir wurden aber / theils durch widrigen Wind / theils durch boßhaffte See-Rauber / so lang an unserm Vorhaben gehintert / biß wir in eine gefährliche Brunst /und dadurch in erbärmlichen Schiffbruch geriethen: daraus wir / durch diese hertzhafte und mitleidige Freunde errettet / und zu dem Polyphilus / welchen wir beyde so heftig verlangten / geführet wurden.

Dieser / nachdem er meine unverhoffte Gegenwart bewundert / und sich über seiner Mutter Erkentnis erfreuet / erzählte mir die Handlung des Pistimorus /welchen sie unlangst in einer Wildnis angetroffen / da er sich selbst / als meinen Mörder / bekennet und angeklaget. Damals erkennte ich die Vorsorge des gütigen Himmels / und eröffnete der gesamten Gesellschaft / was ich jezt hier erzählet / versprache auch /diesen irrenden Ritter bey den Solettischen Inwohnern zu entschuldigen. Ich würde auch solches zeitlich geleistet haben / wann nicht dieser Aufstand meiner Hieher-Reise vorgekommen wäre. Dieses ist also / geliebte Freunde und Brüder! der warhafte Verlauf alles dessen / was sich seit meines Abseyns begeben / und daraus so viel Irrtum / Argwohn und gefährliches Beginnen hergeflossen. Darum erlasset nun diese Unschuldige ihrer schimpflichen Gefängnus / die mich zum andernmal beym Leben erhalten / und lasset sie ihren betrübten Eltern nicht länger traurige[642] Nächte machen. Preiset auch mit mir und ihnen die Weißheit des gerechten Himmels / der den löblichen Vorsatz dieses edlen Ritters vom Lastern abgewendet / und in eine billige Strafe ausschlagen lassen.

Hierauf begunte der Richter Philomathus also zu antworten: Verständiger und tugendlicher Freund! Wir haben seine weitläufftige Erzählung / mit Freud-Verwunderung / angehöret / und setzen hierbey nicht den geringsten Zweifel / sondern sind vergnüget / daß wir den Philomathus lebendig sehen / den wir vorlängst als todt beweinet. Wir weigern uns auch keineswegs / diese Gefangene loß zu geben / weil sie eure eigne Bekantnus frey machet. Der Edle Polyphilus und seine tugendvolle Macarie mag nun bey uns Hochzeit machen / damit sie in dieser Insel noch einiger Ergötzlichkeit genießen / da sie so viel Schrecken empfunden / und daß wir Gelegenheit überkommen /die begangene Fehler unsers Irrtums / mit Ehre und Freude zu ersetzen. Hierauf führte er den Agapistus und Pistimorus / zu Macarie und den Schäfern /wünschte denselben allerseits Glück zur Ehe und Freundschaft / und begleitete sie / mit einen großen Haufen des Volkes / (die / nach Art des Verstandlosen Pöfels / eben so viel Glückwünsche nachschreyen /als sie zuvor Lästerung ausgestossen) nach der Macarie Wonung.

Indem sie also fortgiengen / sahen sie den Eusephilistus mit seiner Liebsten Erothemitis / von Melopharmis und ihrem Sohn / auch etlichen Hofbedienten / begleitet / daher kommen. Diese kamen von der Hochzeit zu Sophoxenien / und[643] wusten von allem dem / was sich begeben / nicht das geringste: weßwegen sie über diese Gesellschaft sich zum hefftigsten verwunderten. Sonderlich entsetzte sich Eusephilistus / als er den Philomathus / den er / gleich wie die andern Inwohner / vor fast verweset hielte / lebendig sahe. Als er aber von demselben aller Umstände berichtet worden / empfingen sie allerseits große Freude / schickten auch alsobald einen von ihren Begleitern nach Sophoxenien / und ließen der Königin dieses Wunder eröffnen / auch sie zugleich zur Hochzeit des Polyphilus einladen. Sie erschiene ungesäumt /und wurde also das Freuden-Fest dieser beyden Tugend-Verliebten / welches / so viel die Eile verstattet /mit aller Köstlichkeit und Ergötzung versehen war /vollbracht: welches sie nicht nur mit ihrer hohen Gegenwart / sondern auch mit Geschenken / beehrte. Es wuste auch die freudige und kurtzweilige Volinie ihre Person bey dieser Frölichkeit zu spielen / indem sie den Polyphilus auffoderte / mit ihr zu Wechsel-singen / wie folget:


Wie komt es / wehrter Freund! daß eure Lieder schweigen /

Und uns nicht / wie vorhin / von eurer Liebe zeugen?


Polyphilus.

Die irren / forschen stäts / wo sichre Strassen sind:

Wer schon im Hafen ist / fragt nit mehr nach dem Wind.


Volinie.

Doch denkt man in dem Port / wie hart der Sturm gewesen.

Von Krankheit pflegt man nicht auf einmal zu genesen.


Polyphilus.

Wer plagt auf festem Land / sich mit dem strengen Nord?

Ein recht-bewährter Arzt treibt alle Krankheit fort.
[644]

Volinie.

Sonst heilen nach und nach die tiefgeschlagne Wunden:

Bey euch ist alle Seuch in einem Nun verschwunden.


Polyphilus.

Diß ist der Liebe Art / daß sie geschwind verlezt /

Doch dem / der treulich liebt / im Ende bald ergetzt.


Volinie kehrte sich hierauf zu Macarie / und begunte auch mit ihr zu Reim-wechseln:


Wie / Schwester! bist du eins mit deines Liebsten Sinnen /

Und glaubest / daß es nun könn keine Noht gewinnen?


Macarie.

Die Tugend lässet mich nie gäntz lich sicher seyn:

Es bricht / nach Klarheit / offt des Donners Blitz herein.


Volinie.

Doch / wer den Sieg erlangt / ist künftig frey vom streiten

Manbraucht sich recht der Lust / nach überwundnen Leiden.


Macarie.

Der Krieger ist nicht frey / der einmal obgesiegt:

Weil / wer zu erst gewinnt / offt letzlich unten ligt.


Volinie.

So könte man / aus Furcht / fast keiner Freud genießen /

Wer wird / um Unbestand / sich recht zu halten wissen?


Macarie.

Wer an der Tugend hält / im Glück und Noht nit wankt /

Im Crentz dem Himmel fleht / und in der Wolfart dankt.


Hierauf name Atychintide das Wort / und machte den Schluß mit diesen Zeilen:


Diß ist der rechte Schluß. Macarie erreichet /

Der Tugend edles Ziel / das keinen Pfeilen weichet.

Wer recht vergnüget liebt / heist billig hoch beglückt:

Verständig aber ist / der sich in beydes schickt.

Offt hindert Gottes Raht / was wir zu fördern denken:

Damit wir unser Herz nicht von der Tugend lenken.

Drum sey / des Himmels Will / der Führer unsrer Freud.

So sind wir gleich gesinnt / in böß- und guter Zeit.
[645]

Mit solchen und andern lustigen und nützlichen Gesprächen / vertrieben sie die Tage der Hochzeit / und ergetzten sich / nach so vielem Ungemach / mit der vergnügten Ruhe und lang-gewünschten Freude: biß die verlauffene Zeit sie allesamt zum Abzug vermahnte. Die Königin ward von unsern Schäfern nach Sophoxenien begleitet / woselbst sie herlich bewürtet /und zwey Tage aufgehalten wurden / und endlich nach unterthänigen Bedankung wieder nach Soletten abreiseten.

Agapistus und sein Bruder Pistimorus / begaben sich nun auch auf ihre Heimreise / welche Polyphilus / mit großer Danksagung vor alle erwiesene Liebe und Treue / nicht ohne Threnen und Weheklagen /von sich ziehen ließe. Nachdem hierauf seine Macarie zu Soletten sich ledig gemacht / und vom Philomathus / auch sonst von allen Solettischen Inwohnern /einen freundlichen Abschied genommen / zoge sie mit ihrem so saur-erworbenen Polyphilus und lang-gesuchten Eltern / in die Gegend Brundois zu seinen Herden: von daraus sie zuweilen auf ihrem Lusthause ergetzung suchten und erwiesen / daß / auf trübselige jedoch standhaffte Tugend-Liebe / ein fröliches Ende noch zu folgen pflege.

Quelle:
Maria Katharina Stockfleth: Die Kunst- und Tugend-gezierte Macarie, 2 Bände, Band 2, Nürnberg 1673, S. 634-646.
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