Sonnett an meine Freundinn, die Gräfinn Amalia von Münster, als sie aus Holstein nach Sachsen zog

1795.


Wenn einst der Becher jener Strom-Najade

Des Rückblicks eitlen Sehnsuchtsdurst mir stillt,

Wenn mir Vergessenheit die bunten Pfade

Der Lebenswandrung nun in Nebel hüllt;


Verschwinde dann, am seligen Gestade,

Dort wo der ernsten Wage Loth nur gilt,

Du tanzender Phantomen Myriade,

Verflogner, leerer Stunden Dunstgebild.


Doch eh' die Lipp' ich netze: Gnade, Gnade!

Fleh' ich, o Nymph'. Erbarmend blick' und mild'

Auf diese Zähre, die mir wünschend quillt:


Verschone du mit deinem strengen Bade

Ein Heiligthum in meiner Kleinods-Lade,

Ein Täflein, das Amalia's Nam' erfüllt.

Quelle:
Gesammelte Werke der Brüder Christian und Friedrich Leopold Grafen zu Stolberg, Band 2, Hamburg 1820, S. 118-119,147.
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