1. Die Freiheit

Im Sommer 1770 in Dänemark.


Freiheit! Der Höfling kennt den Gedanken nicht,

Sklave! Die Kette rasselt ihm Silberton!

Gebeugt das Knie, gebeugt die Seele,

Reicht er dem Joche den feigen Nacken.


Mir ein erhabener, schauergebärender

Wonne-Gedanke! Freiheit! ich fühle dich!

Das ganze Herz, von dir erfüllet,

Strömet in voller Empfindung über!


Nektar der Seele! Helden entflammtest du,

Welchen die Nachwelt jedes Erstaunen weiht,

Du stärktest sie! in Sklaven-Händen

Rostet der Stahl, wird entnervt der Bogen.


Wer für die Freiheit, wer für das Vaterland

Mutig den Arm hebt, leuchtet im Blute, wie

Der Blitz des Nachtsturms; der Gefahren

Trübt ihm nicht eine die heitre Stirne.


Namen, mir festlich, wie ein Triumphgesang,

Brutus! Tell! Hermann! Cato! Timoleon!

Im Herzen deß, dem freie Seele

Gott gab, mit Flammenschrift eingegraben.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50,2, Stuttgart [o.J.], S. 34.
Lizenz:
Kategorien: