Begrabe nur dein Liebstes!

[190] Begrabe nur dein Liebstes! Dennoch gilt's

Nun weiterleben; – und im Drang des Tages,

Dein Ich behauptend, stehst bald wieder du.

– So jüngst im Kreis der Freunde war es, wo

Hinreißend Wort zu lauter Rede schwoll;

Und nicht der Stillsten einer war ich selbst.

Der Wein schoß Perlen im kristallnen Glas,

Und in den Schläfen hämmerte das Blut; –

Da plötzlich in dem hellen Tosen hört ich

– Nicht Täuschung war's, doch wunderbar zu sagen –,

Aus weiter Ferne hört ich eine Stille;

Und einer Stimme Laut, wie mühsam zu mir ringend,

Sprach todesmüd, doch süß, daß ich erbebte:

»Was lärmst du so, und weißt doch, daß ich schlafe!«


Quelle:
Theodor Storm: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 41978, S. 190.
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