Das Herz von Douglas

[177] O! Douglas, Douglas, stolz und treu.

John Home


»Graf Douglas, presse den Helm ins Haar,

Gürt' um Dein lichtblau' Schwert,

Schnall' an Dein schärfstes Sporenpaar

Und sattle Dein schnellstes Pferd!«


»Der Totenwurm pickt in Scone's Saal,

Ganz Schottland hört ihn hämmern,

König Robert liegt in Todesqual,

Sieht nimmer den Morgen dämmern!« –


Sie ritten vierzig Meilen fast

Und sprachen Worte nicht vier,

Und als sie kamen vor Königs Palast,

Da blutete Sporn und Tier.


König Robert lag im Norderturn,

Sein Auge begann zu zittern:

»Ich höre das Schwert von Bannockburn

Auf der Treppe rasseln und schüttern!«


»Ha Gottwillkomm, mein tapf'rer Lord,

Es geht mit mir zu End'.

Und Du sollst hören mein letztes Wort

Und schreiben mein Testament:«


»Es war am Tag von Bannockburn,

Da aufging Schottlands Stern,

Es war am Tag von Bannockburn,

Da schwur ich's Gott dem Herrn:«


Ich schwur, wenn der Sieg mir sei verliehn

Und fest mein Diadem,

Mit tausend Lanzen wollt' ich ziehn

Hin gen Jerusalem.«
[177]

»Der Schwur wird falsch, mein Herz steht still,

Es brach in Müh' und Streit,

Es hat, wer Schottland bändigen will,

Zum Pilgern wenig Zeit.«


»Du aber, wenn mein Wort verhallt

Und aus ist Stolz und Schmerz,

Sollst schneiden aus meiner Brust alsbald

Mein schlachtenmüdes Herz.«


»Du sollst es hüllen in roten Samt

Und schließen in gelbes Gold,

Und es sei, wenn gelesen mein Totenamt,

Im Banner das Kreuz entrollt.«


»Und nehmen sollst Du tausend Pferd'

Und tausend Helden frei

Und geleiten mein Herz in des Heilands Erd',

Damit es ruhig sei!«


»Nun vorwärts, Angus und Lothian,

Laßt flattern den Busch vom Haupt,

Der Douglas hat des Königs Herz,

Wer ist es, der's ihm raubt?«


»Mit den Schwertern schneidet die Taue ab,

Alle Segel in die Höh',

Der König fährt in das schwarze Grab

Und wir in die schwarzblaue See!«


Sie fuhren Tage neunzig und neun,

Gen Ost war der Wind gewandt,

Und bei dem hundertsten Morgenschein,

Da stießen sie an das Land.


Sie ritten über die Wüste gelb,

Wie im Tale blitzt der Fluß,

Die Sonne stach durchs Helmgewölb',

Als wie ein Bogenschuß.
[178]

Und die Wüste war still, und kein Lufthauch blies,

Und schlaff hing Schärpe und Fahn',

Da flog in Wolken der stäubende Kies,

Draus flimmernde Spitzen sahn.


Und die Wüste ward voll, und die Luft erscholl,

Und es hob sich Wolk' an Wolk'.

Aus jeder berstenden Wolke quoll

Speerwerfendes Reitervolk.


Zehntausend Lanzen funkelten rechts,

Zehntausend schimmerten links,

Allah, il Allah! scholl es rechts,

Il Allah! scholl es links. –


Der Douglas zog die Zügel an,

Und still stand Herr und Knecht:

»Beim heiligen Kreuz und St. Alban,

Das gibt ein grimmig Gefecht.«


Eine Kette von Gold um den Hals ihm ging,

Dreimal umging sie rund,

Eine Kapsel an der Kette hing,

Die zog er an den Mund:


»Du bist mir immer gegangen voran,

O Herz! bei Tag und Nacht,

Drum sollst Du auch heut, wie Du stets getan,

Vorangehn in die Schlacht.«


»Und verlasse der Herr mich drüben nicht,

Wie ich hier Dir treu verblieb,

Und gönne mir noch auf das Heidengezücht

Einen christlichen Schwerteshieb.«


Er warf den Schild auf die linke Seit'

Und band den Helm herauf,

Und als zum Würgen er saß bereit,

In den Bügeln stand er auf:
[179]

»Wer dies Geschmeid' mir wieder schafft,

Des Tages Ruhm sei sein

Da warf er das Herz mit aller Kraft

In die Feinde mitten hinein.


Sie schlugen das Kreuz mit dem linken Daum',

Die Rechte den Schaft legt' ein,

Die Schilde zurück und los den Zaum!

Und sie ritten drauf und drein. –


Und es war ein Stoß, und es war eine Flucht

Und rasender Tod rundum,

Und die Sonne versank in die Meeresbucht,

Und die Wüste war wieder stumm.


Und der Stolz des Ostens, er lag gefällt

Im meilenweiten Kreis,

Und der Sand ward rot auf dem Leichenfeld,

Der nie mehr wurde weiß.


Von den Heiden allen, durch Gottes Huld

Entrann nicht Mann, noch Pferd,

Kurz ist die schottische Geduld

Und lang ein schottisch' Schwert!


Doch wo am dicksten ringsumher

Die Feinde lagen im Sand,

Da hatte ein falscher Heidenspeer

Dem Grafen das Herz durchrannt.


Und er schlief mit klaffendem Kettenhemd,

Längst aus war Stolz und Schmerz,

Doch unter dem Schilde festgeklemmt

Lag König Roberts Herz.

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 177-180.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Neue Gedichte
Neue Gedichte

Buchempfehlung

Gryphius, Andreas

Cardenio und Celinde

Cardenio und Celinde

Die keusche Olympia wendet sich ab von dem allzu ungestümen jungen Spanier Cardenio, der wiederum tröstet sich mit der leichter zu habenden Celinde, nachdem er ihren Liebhaber aus dem Wege räumt. Doch erträgt er nicht, dass Olympia auf Lysanders Werben eingeht und beschließt, sich an ihm zu rächen. Verhängnisvoll und leidenschaftlich kommt alles ganz anders. Ungewöhnlich für die Zeit läßt Gryphius Figuren niederen Standes auftreten und bedient sich einer eher volkstümlichen Sprache. »Cardenio und Celinde« sind in diesem Sinne Vorläufer des »bürgerlichen Trauerspiels«.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon