[266] Die innre Glut macht zeitig alt,

Meine Stirne wird schon faltig;

Du aber göttliche Gestalt

Bist ewig lichtgestaltig.

Daß ich Dir nie gefallen mag,

Mein Herz beginnt's zu ahnen,

Was soll der süße Rosenhag

Auf rauchenden Vulkanen?


Es macht Dich scheu die düstre Kraft,

Die meinem Aug' entfunkelt,

Wenn mir das Deine märchenhaft

Aus schattigen Wimpern dunkelt.

Es macht Dich scheu der wilde Strom,

Den meine Lippe flutet,

Wenn jedes innerste Atom

Verborgen zuckt und blutet.


Recht hast Du! ich verdiene nicht

Dein keusches Bild zu hegen;

In meinem Feuer ist kein Licht,

In meiner Kraft kein Segen.

Ein wilder Wandrer ist mein Herz,

Den niemand liebt und achtet,

Bis er allein mit seinem Schmerz

In Finsternis verschmachtet.


Und dennoch! hättest Du gewollt!

O reizendes Erinnern.

Mir wäre dann so wild gerollt

Der Strom in meinem Innern,

Sein Ufer wäre ein Smaragd

Und seine Flut kristallen,

Er ließe Lieder stolz beflaggt

Nach ewigen Meeren wallen.
[266]

Dahin, dahin! es ist vorbei!

Ich soll nicht mehr genesen

Und jede edle Schwärmerei

Ist knabenhaft gewesen.

Doch wenn dies Herz in Asche stiebt

Mit seinem letzten Liede,

So denk': »Er hat mich sehr geliebt.

Gott schenk' ihm endlich Friede!«

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 266-267.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Aus dem Nachlaß
Aus dem Nachlaß