[269] Ich bin so krank und sterben möcht' ich gerne

Hier in Venedig, und begraben liegen

In dieser Flut, dem Ruheplatz der Sterne!


In jeder Nacht pfleg' ich mich drauf zu wiegen,

Und ihrer Tiefe schwärzeste Geschichten

Behorch' ich dann mit schaurigem Vergnügen. –


Beschloß der Rat der Drei, geheim zu richten

Ein Opfer, des Geschrei's im Volke wegen,

Und galt's ein schnell und spurenlos Vernichten:


Da glitt um Mitternacht, dem Mond entgegen,

Die Gondel aus der Seufzerbrücke Schatten,

So schwarz und still, wie alle Gondeln pflegen.


Und lautlos durch Galeeren und Fregatten

Kroch sie hindurch, bis wo des Meeres Enge

Sich dehnt zu breiteren, smaragdnen Matten.


Dort hielt sie still. Dann aber war's, als sprenge

Ein dumpfer Fall die kaum bewegte Fläche,

Und leise Kreise zitterten in Menge.


Auch war's den Schiffern, die im Nachtgespräche

An Lido's Ufern stellten ihre Stricke,

Als ob ein Schrei im Wellenschlag zerbräche.


Die stille Gondel aber schwamm zurücke,

Wie sie gekommen, spurlos und verborgen,

Und schwand im Schattenstreif der Seufzerbrücke:


Doch der Verbrecher starb am andern Morgen.

Quelle:
Moritz von Strachwitz: Sämtliche Lieder und Balladen, Berlin 1912, S. 269.
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